Die Franzosen gestanden ein, daß sie ungefähr siebentausend Todte und Verwundete hatten. Der Verlust der Alliirten war nur sehr wenig größer, wenn er überhaupt größer war. Die relative Stärke der beiden Armeen war die nämliche wie am vergangenen Tage, und sie blieben in ihren bisherigen Stellungen. Aber der moralische Eindruck der Schlacht war groß. Der Stern von Wilhelm’s Ruhm begann zu erbleichen. Selbst seine Bewunderer mußten zugeben, daß er im Felde Luxemburg nicht gewachsen sei. In Frankreich wurde die Nachricht mit maßlosem Jubel und Stolze aufgenommen. Der Hof, die Hauptstadt, selbst das Landvolk der entlegensten Provinzen freute sich über die ungestüme Tapferkeit, die so viele Jünglinge, die Erben berühmter Namen, an den Tag gelegt hatten. Man erzählte sich mit Freude und Rührung im ganzen Lande, daß der junge Herzog von Chartres durch keine Vorstellungen sich von der Gefahr habe zurückhalten lassen, daß eine Kugel seinen Mantel durchlöchert habe und daß er an der Schulter verwundet worden sei. Das Volk versammelte sich längs der Straßen, um die von Steenkerke zurückkehrenden Prinzen und Cavaliere zu sehen. Die Juweliere verfertigten Schnallen à la Steenkerke, die Parfümeriehändler verkauften Pulver à la Steenkerke. Besonders aber wurde der Name des Schlachtfeldes einer neuen Art Halsbinde gegeben. Die Modeherren trugen damals Spitzenhalstücher, die sie mit großer Sorgfalt zu knüpfen pflegten. In dem schreckensvollen Augenblicke aber als die Brigade Bourbonnais vor dem Angriffe der Alliirten floh, war keine Zeit, sich zu putzen, und die elegantesten Herren vom Hofe kamen mit ungeordneten Cravatten vor die Front der Schlachtlinie gesprengt. Es wurde daher bei der Pariser schönen Welt Mode, Tücher von den feinsten Spitzen in gesuchter Unordnung um den Hals zu tragen, und diese Tücher hießen Steenkerkes.29
Im Lager der Alliirten herrschte allgemeine Uneinigkeit und Unzufriedenheit. Nationale Eifersüchteleien und Animositäten wütheten rückhaltlos und unverhohlen. Die Entrüstung der Engländer äußerte sich laut. Solms war, obgleich Diejenigen, die ihn genau kannten, ihm einige schätzenswerthe Eigenschaften nicht absprachen, nicht der Mann, Soldaten für sich zu gewinnen, die gegen ihn als Ausländer eingenommen waren. Sein Benehmen war anmaßend, sein Character unbiegsam. Schon vor der unglücklichen Schlacht von Steenkerke verkehrten die englischen Offiziere nicht gern mit ihm, und die gemeinen Soldaten murrten über sein barsches Wesen. Nach der Schlacht aber wurde das Geschrei gegen ihn wüthend. Er wurde, vielleicht mit Unrecht, beschuldigt, während des verzweifelten Kampfes der englischen Regimenter gegen eine große Uebermacht mit gefühlloser Leichtfertigkeit geäußert zu haben, daß er neugierig sei, wie die Bulldoggen sich herausbeißen würden. Würde jetzt noch, fragte man, Jemand behaupten, daß er seiner hervorragenden Geschicklichkeit und Erfahrung wegen über so viele englische Offiziere gestellt worden sei? Es sei gebräuchlich zu sagen, daß diese Offiziere noch niemals Krieg in großem Maßstabe gesehen hätten. Aber sicherlich sei auch der unerfahrenste Neuling befähigt das zu thun was Solms gethan habe: Befehle falsch zu verstehen, Cavallerie zu Diensten zu verwenden, die nur Infanterie verrichten könne, und aus sicherer Entfernung zuzusehen, während tapfere Männer in Stücke gehauen würden. Es sei zuviel, zu gleicher Zeit beschimpft und aufgeopfert, von den Ehren des Kriegs ausgeschlossen und doch den ärgsten Gefahren desselben entgegengeworfen, als ungeschickte Rekruten verhöhnt und dann ohne Beistand dem Kampfe mit dem schönsten Corps Veteranen von der Welt überlassen zu werden. So lauteten die Klagen der englischen Armee, und sie fanden bei der englischen Nation Wiederhall.
Zum Glück wurde um diese Zeit eine Entdeckung gemacht, welche dem Lager von Lambeque wie den Kaffeehäusern London’s einen Unterhaltungsstoff lieferte, der den Jakobiten viel weniger angenehm war als die Niederlage von Steenkerke.
Verschwörung Grandval’s
Seit einigen Monaten war im französischen Kriegsministerium ein Complot gegen das Leben Wilhelm’s geschmiedet worden. Wie es scheint, hatte Louvois ursprünglich den Plan entworfen und ihn, in rohen Umrissen, seinem Sohne und Nachfolger Barbesieux hinterlassen. Barbesieux brachte die Idee zur Reife. Die Ausführung wurde einem Offizier, Namens Grandval, übertragen. Grandval war ohne Widerrede tapfer und voll Begeisterung für sein Vaterland und seine Religion. Er war zwar ein Fanatiker und nicht ganz bei Verstande, aber deshalb nicht minder gefährlich. Ein fanatischer und halb verrückter Mensch ist in der That gerade dasjenige Werkzeug, das schlaue Politiker in der Regel vorziehen, wenn etwas besonders Gefährliches auszuführen ist. Kein vorsichtig berechnender Kopf würde sich für noch so hohen Lohn dem Schicksale eines Chatel, eines Ravaillac oder eines Gerarts ausgesetzt haben.30
Grandval hatte sich, wie er wenigstens glaubte, den Beistand zweier Abenteurer, Dumont’s, eines Wallonen, und Leefdale’s, eines Holländers, gesichert. Im April, kurz nach Wilhelm’s Ankunft in den Niederlanden, erhielten die Mörder Befehl, sich auf ihren Posten zu begeben. Dumont war damals in Westphalen, Grandval und Leefdale in Paris. Uden war als der Ort bestimmt, wo die Drei zusammentreffen und von wo sie sich in das Hauptquartier der Alliirten begeben sollten. Ehe Grandval Paris verließ, stattete er noch einen Besuch in Saint-Germains ab und wurde Jakob und Marien von Modena vorgestellt. „Ich bin von Ihrem Vorhaben unterrichtet,” sagte Jakob. „Wenn Sie und Ihre Begleiter mir diesen Dienst erzeigen, soll es Ihnen nie an etwas fehlen.”
Nach dieser Audienz trat Grandval seine Reise an. Er hatte nicht die leiseste Ahnung davon, daß er sowohl von dem Complicen, der ihn begleitete, als auch von dem Complicen, mit dem er noch zusammentreffen sollte, verrathen war. Dumont und Leefdale waren keine Fanatiker; die Restauration Jakob’s, die Größe Ludwig’s und das Uebergewicht der römischen Kirche waren ihnen sehr gleichgültig. Jeder Verständige mußte einsehen, daß, mochte der Plan gelingen oder nicht, der Lohn der Mörder wahrscheinlich darin bestehen werde, daß sie von den Höfen von Versailles und Saint-Germains mit erheucheltem Abscheu desavouirt, und mit glühenden Zangen gezwickt, mit geschmolzenem Blei begossen und von vier Pferden zerrissen wurden. Für gewöhnliche Menschen hatte die Aussicht auf ein solches Märtyrerthum nichts Anziehendes. Jene beiden Männer hatten daher fast zu gleicher Zeit, wenn auch wie es scheint ohne vorgängige Verabredung, Wilhelm auf verschiedenen Wegen die Warnung zukommen lassen, daß sein Leben in Gefahr sei. Dumont hatte Alles dem Herzog von Celle, einem der verbündeten Fürsten, mitgetheilt, und Leefdale hatte durch seine in Holland wohnenden Verwandten ausführliche Nachrichten gegeben. Mittlerweile hatte Morel, ein schweizerischer Protestant von großer Gelehrsamkeit, der sich damals in Frankreich aufhielt, Burnet schriftlich mitgetheilt, daß man den schwachen und überspannten Grandval prahlend von einem Ereignisse habe sprechen hören, welches die Welt in Erstaunen setzen werde, und daß er mit großer Zuversicht prophezeit habe, der Prinz von Oranien werde das Ende des nächsten Monats nicht erleben.
Diese warnenden Winke wurden nicht unbeachtet gelassen. Von dem Augenblicke an wo Grandval die Niederlande betrat, war er von Fallstricken umgeben. Alle seine Bewegungen und Reden wurden beobachtet; er wurde festgenommen, verhört, mit seinen Complicen confrontirt und in das Lager der Alliirten geschickt. Ungefähr acht Tage nach der Schlacht von Steenkerke wurde er vor ein Kriegsgericht gestellt. Ginkell, der für seine großen Dienste in Irland mit dem Titel eines Earl von Athlone belohnt worden war, führte den Vorsitz, und Talmash befand sich unter den Richtern. Mackay und Lanier waren ebenfalls zu Mitgliedern des Tribunals ernannt worden; aber sie waren nicht mehr, und ihre Plätze wurden daher durch jüngere Offiziere ausgefüllt.
Die Aufgabe des Kriegsgerichts war sehr einfach, denn der Gefangene machte gar keinen Versuch sich zu vertheidigen. Sein Gewissen schien plötzlich erwacht zu sein. Er gab mit Ausdrücken der Reue die Wahrheit aller Beschuldigungen zu, legte ein ausführliches und anscheinend aufrichtiges Geständniß ab und erkannte an, daß er den Tod verdient habe. Er wurde verurtheilt, gehängt, geschleift und geviertheilt zu werden, und erlitt seine Strafe mit großer Standhaftigkeit und einem Anschein von Frömmigkeit. Er hinterließ einige Zeilen, in denen er erklärte, daß er im Begriff stehe sein Leben zu verlieren, weil er den Befehlen Barbesieux’ zu gewissenhaft nachgekommen sei.
Sein Bekenntniß erschien alsbald gedruckt in mehreren СКАЧАТЬ
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London Gazette vom 4., 8., 11. August 1692; Gazette de Paris, 9., 16. Aug.; Voltaire Siècle de Louis XIV.; Burnet II., 97; Mémoires de Berwick; Dykvelt’s Brief an die Generalstaaten vom 4. Aug. 1692. Siehe auch die sehr interessante Debatte, welche am 21. Nov. 1692 im Hause der Gemeinen stattfand. Eine englische Uebersetzung von Luxemburg’s sehr sorgfältig ausgearbeiteter und gewandt geschriebener Depesche findet man im Monthly Mercury vom September 1692. Das Original ist unlängst in der neuen Ausgabe von Dangeau abgedruckt. Ludwig erklärte sie für die beste Depesche, die er je gelesen. Der Herausgeber des Monthly Mercury behauptet, sie sei in Paris fabricirt worden. „Etwas Andres zu glauben,” sagt er, „ist Thorheit; als ob Luxemburg so viel Zeit hätte haben können, einen so langen Brief zu schreiben, mehr wie ein Schulfuchs denn wie ein General, oder vielmehr wie der aufsichtführende Schüler in einer Schule, der seinem Lehrer über das Betragen der anderen Knaben Bericht erstattet.” In dem Monthly Mercury findet man auch die französische officielle Liste der Gefallenen und Verwundeten. Von allen Berichten über die Schlacht scheint mir der beste der in Feuquières’ Memoiren enthaltene. Er ist durch eine Karte erläutert. Feuquières theilt Lob und Tadel sehr unparteiisch zwischen den Generälen. Die Traditionen der englischen Soldatentische hat uns Sterne erhalten, der auf den Knien der alten Soldaten Wilhelm’s aufwuchs. „Die Regimenter Cutts’,” fuhr der Korporal fort, indem er den Zeigefinger der rechten Hand an den Daumen der linken legte und an den Fingern weiter zählte, „die Regimenter Cutts’, Mackay’s, Angus’, Graham’s und Leven’s, Alle wurden in Stücke gehauen, und den englischen Leibgarden wäre es nicht besser ergangen, wenn nicht einige Regimenter von der Rechten muthig zu ihrer Rettung herbeigeeilt wären, welche das Feuer des Feindes gerade ins Gesicht bekamen, noch ehe eines ihrer Pelotons nur einen Schuß abgefeuert hatte. Sie werden dafür in den Himmel kommen,” setzte Trim hinzu.
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Voltaire, Siècle de Louis XIV.
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Langhorne, der vornehmste Laienagent der Jesuiten in England, wählte seine Werkzeuge, wie er Tillotson bekannte, stets nach diesem Prinzip. Burnet I. 230.