Die ganze verbündete Armee stand unter Waffen, als es noch dunkel war. Mit dem Grauen des Morgens wurde Luxemburg durch Kundschafter geweckt, die ihm die Nachricht brachten, daß der Feind in bedeutender Stärke anrücke. Er nahm die Mittheilung anfangs sehr leicht. Sein Correspondent schien, wie gewöhnlich, umsichtig und exact gewesen zu sein. Der Prinz von Oranien hatte ein Detachement zum Schutze seiner Fourageurs entsendet, und der Schrecken hatte dieses Detachement zu einer gewaltigen Armee vergrößert. Doch eine beunruhigende Nachricht folgte der andren auf dem Fuße. Alle Pässe, hieß es, wimmelten von Massen von Infanterie, Cavallerie und Artillerie unter den Bannern England’s, Spanien’s, der Vereinigten Provinzen und des deutschen Reichs, und jede Colonne bewege sich gegen Steenkerke. Jetzt stand der Marschall endlich auf, stieg zu Pferde und ritt aus, um zu sehen was vorging.
Inzwischen war die Vorhut der Alliirten bis dicht an seine Vorposten herangekommen. Etwa eine halbe Meile von seiner Armee lagerte eine Brigade, welche den Namen der Provinz Bourbonnais führte. Diese Truppen hatten den ersten Anprall auszuhalten. Erstaunt und von panischem Schrecken ergriffen, wurden sie in einem Augenblicke geworfen und suchten ihr Heil in der Flucht, ihre Zelte und sieben Kanonen dem Feinde überlassend.
Soweit waren Wilhelm’s Pläne mit vollständigem Erfolge gekrönt worden; jetzt aber begann das Glück sich gegen ihn zu wenden. Er war über die Beschaffenheit des zwischen der Stellung der Brigade Bourbonnais und dem Hauptlager des Feindes liegenden Terrains falsch berichtet worden. Er hatte erwartet, daß er im Stande sein würde, ohne allen Aufenthalt vorwärts zu dringen, daß er die französische Armee in einem Zustande wilder Verwirrung finden und daß sein Sieg leicht und vollständig sein würde. Aber er wurde durch mehrere Hecken und Gräben in seinem Vorrücken gehemmt, es entstand ein kurzer Aufenthalt, und dieser kurze Aufenthalt reichte hin, sein Vorhaben zu vereiteln. Luxemburg war ganz der Mann für einen solchen Fall. Er hatte große Fehler begangen, er hatte sorglose Wacht gehalten, er hatte Nachrichten, die sich als falsch erwiesen, blind geglaubt, er hatte Nachrichten, die sich als wahr erwiesen, nicht beachtet, eine seiner Divisionen war in wilder Flucht begriffen, die anderen Divisionen waren nicht kampfbereit. Eine solche Krisis würde die Geisteskräfte eines gewöhnlichen Feldherrn gelähmt haben; die Geisteskräfte Luxemburg’s wurden dadurch nur gestählt und zu erhöhter Thätigkeit angeregt. Sein Geist, ja auch sein kränklicher und verwachsener Körper schienen aus Mißgeschick und Schrecken Gesundheit und Kraft zu schöpfen. In kurzer Zeit hatte er Alles angeordnet. Die französische Armee stand in Schlachtordnung. Unter dieser großen Armee zeichneten sich besonders die Haustruppen Ludwig’s, das berühmteste Corps streitbarer Männer in Europa aus, und an ihrer Spitze erschien, strahlend von eilig übergeworfenen Tressen und Stickereien, ein Schwarm junger Prinzen und Cavaliere, die eben erst durch die Trompeten von ihren Lagern oder ihren Banketten aufgeschreckt worden waren, und die sich beeilt hatten, dem Tode mit der heiteren und festlichen Unerschrockenheit ins Angesicht zu schauen, welche dem französischen Gentleman eigen ist. Am höchsten im Range unter diesen vornehmen Kriegern stand ein sechzehnjähriger Jüngling, Philipp, Herzog von Chartres, Sohn des Herzogs von Orleans und Neffe des Königs von Frankreich. Nur mit Mühe und durch dringendes Bitten hatte der tapfere Knabe Luxemburg die Erlaubniß entrissen, sich dahin begeben zu dürfen, wo das Feuer am heißesten war. Zwei andere Jünglinge von königlichem Geblüt, Ludwig, Herzog von Bourbon, und Armand, Prinz von Condé, bewiesen einen ihrer Ahnherren würdigen Muth. Neben ihnen kämpfte ein Abkömmling der Bastarde Heinrich’s IV., Ludwig, Herzog von Vendome, ein in Trägheit und in die niedrigsten Laster versunkener Mensch, der aber dennoch fähig war, bei einer großen Gelegenheit die Eigenschaften eines großen Soldaten zu entfalten. Auch Berwick war darunter, der sich einen ehrenvollen Namen in den Waffen zu erwerben begann, und an seiner Seite ritt Sarsfield, der sich durch seinen Muth und sein Talent an diesem Tage die Achtung der ganzen französischen Armee verdiente. Unterdessen hatte Luxemburg einen Eilboten abgesandt, um Boufflers herbeizurufen. Aber die Botschaft war überflüssig. Boufflers hatte das Feuer gehört, und als ein tapferer und intelligenter Heerführer eilte er bereits dem Punkte zu, von woher das Geräusch kam.
Obgleich die Angreifenden den ganzen Vortheil eines Ueberfalles verloren hatten, rückten sie doch beherzt heran. Im Vordertreffen marschirten die Briten unter den Befehlen des Grafen Solms. Mackay’s Division sollte vorangehen, und ihn sollte nach Wilhelm’s Plan ein starkes Corps Infanterie und Cavallerie unterstützen. Obwohl die meisten von Mackay’s Leuten noch nie im Feuer gestanden hatten, versprach ihr Benehmen doch an Blenheim und Ramilies zu erinnern. Sie stießen zuerst auf die Schweizer, welche in der französischen Armee eine ausgezeichnete Stelle einnahmen. Der Kampf war so dicht Mann gegen Mann und so verzweifelt, daß die Mündungen der Gewehre sich kreuzten. Die Schweizer wurden unter einem furchtbaren Blutbade zurückgeworfen. Mehr als achtzehnhundert Mann von ihnen wurden nach den französischen Listen getödtet oder verwundet. Luxemburg äußerte nachher, daß er nie in seinem Leben einen so wüthenden Kampf gesehen habe. Er holte eiligst die Ansichten der ihn umgebenden Generäle ein. Alle waren der Meinung, die Lage der Dinge sei eine solche, gegen die gewöhnliche Mittel nicht ausreichten. Die königlichen Haustruppen mußten die Engländer angreifen. Der Marschall gab die Parole, und die Haustruppen, geführt von den Prinzen von Geblüt, rückten mit geschultertem Gewehr heran. „Das Schwert zur Hand!” erscholl es durch alle Reihen dieser furchtbaren Brigade; „das Schwert zur Hand! kein Feuern! Schlagt sie mit dem kalten Stahl zu Boden!” Nach langer und verzweifelter Gegenwehr wurden die Engländer geworfen. Sie hörten nie auf zu wiederholen, daß, wenn Solms seine Schuldigkeit gegen sie gethan hätte, sie selbst die Haustruppen geschlagen haben würden. Aber Solms gewährte ihnen keine wirksame Unterstützung. Er ließ einige Cavallerie vorgehen, die aber in Folge der Bodenbeschaffenheit wenig oder nichts thun konnte. Seine Infanterie ließ er nicht von der Stelle. Sie könne nichts nützen, sagte er, und er habe nicht Lust, sie zur Schlachtbank zu schicken. Ormond wäre sehr gern zur Unterstützung seiner Landsleute herbeigeeilt, aber er durfte nicht. Mackay sandte einen Eilboten und ließ sagen, daß er und seine Leute dem sicheren Untergange preisgegeben seien; aber es war Alles vergebens. „Nun wohl, Gottes Wille geschehe,” sagte der tapfere Veteran. Er starb wie er gelebt hatte: als ein guter Christ und ein guter Soldat. Mit ihm fielen Douglas und Lanier, zwei unter den Besiegern Irland’s ausgezeichnete Generäle. Auch Mountjoy war unter den Gefallenen. Nachdem er drei Jahre in der Bastille geschmachtet, war er gegen Richard Hamilton ausgewechselt worden, und, durch erfahrene Unbilden, die mächtiger waren als alle Argumente Locke’s und Sidney’s, zum Whiggismus bekehrt, war er unverzüglich als Freiwilliger in Wilhelm’s Lager geeilt. Fünf schöne Regimenter wurden völlig zusammengehauen. Es würde vielleicht kein Mann von dieser opferfreudigen Schaar davongekommen sein ohne den Muth und das Benehmen Auverquerque’s, der im Augenblicke der höchsten Bedrängniß mit zwei frischen Bataillonen zur Hülfe herbeieilte. Noch lange erinnerte man sich an den britischen Wachfeuern mit dankbarer Bewunderung der Tapferkeit, mit der er die Ueberreste von Mackay’s Division befreite. Der Boden, auf dem der Kampf gewüthet, war mit Haufen von Leichen bedeckt, und Die, welche die Erschlagenen begruben, bemerkten, daß fast alle Wunden vom Säbel oder Bajonnet herrührten.
Man erzählte sich, Wilhelm habe seine gewohnte stoische Ruhe soweit vergessen, daß er eine heftige Aeußerung that über die Art und Weise der Hinopferung der englischen Regimenter. Bald jedoch erlangte er seinen Gleichmuth wieder und beschloß den Rückzug anzutreten. Es war hohe Zeit, denn die französische Armee СКАЧАТЬ