Onnen Visser. Sophie Worishoffer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Onnen Visser - Sophie Worishoffer страница 41

Название: Onnen Visser

Автор: Sophie Worishoffer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

Серия:

isbn:

isbn:

СКАЧАТЬ hier ist, sollen sie ihre Bezahlung erhalten!«

      »Ach, aber dann ist alles zu spät! – Und wir waren unserer Sache so gewiß!«

      »Laßt uns doch nur erst einmal hingehen!«

      Onnen lief voraus. Und wenn ihm keiner der übrigen gefolgt wäre, so würde er ganz allein zu den französischen Soldaten geeilt sein, ganz allein und nur beschäftigt mit einem einzigen Gedanken: »Ist mein armer Vater erschossen worden?«

      Aber sie begleiteten ihn alle; wie ein entfesselter Strom wälzte sich die ganze Masse gegen den Weststrand hinab und über die damals unbebaute Strecke der heutigen Marienstraße.

      Kein Franzose begegnete den Männern, kein Wachtposten war ausgestellt, nur jammernde Frauen und Kinder umstanden noch immer den Platz, wo die Boote anlegten; sie deuteten alle auf den Holzschuppen, hinter welchem der Zug der Gefangenen vor kurzer Zeit verschwunden war.

      Uve Mensinga nickte. »Es ist, wie ich dachte; man hat absichtlich die Schanze als Richtstätte bezeichnet, um uns irre zu leiten und ohne Störung von außen die Blutarbeit zu vollenden. Da kommt jede Einmischung zu spät!«

      »Wollen wir denn nicht erst hingehen?« rief Onnen. »O mein Vater, mein armer Vater!«

      »Laßt uns losschlagen«, riet der Baltrumer. »Immer hundert Franzosen für jeden Gemordeten.«

      »Das wäre mehr als Wahnsinn, Abel Voß! Die Soldaten haben das Haus als Schanze, sie besitzen volle Deckung, während wir ihnen die unbeschützten Stirnen darbieten müßten. Sollen ohne allen Zweck die tapfersten Männer reihenweise fallen?«

      »Und sollen unsere Freunde ganz ungestraft ermordet worden sein?« »Keineswegs!« raunte Uve Mensinga, »keineswegs! Aber laßt vorerst den ›Falken‹ wieder angelangt sein, laßt uns den Beistand der Engländer besitzen, dann wird die Sache anders. Nur Tollköpfe ohne alle Überlegung könnten die Franzosen im Badehause angreifen.«

      Georg Wessel ballte die Faust. »Ich sollte die Leiche meines Vaters da in ungeweihter Erde liegen lassen und nicht einmal erfahren, wo man sie verscharrt hat? Nie und nimmer, so wahr mir der Himmel helfe! Komm, Onnen, gehst du mit?«

      »Natürlich!« rief flammenden Blickes der Knabe. »Vielleicht haben ja die Toten nicht einmal Särge bekommen!«

      Abel Voß lachte wild. »Särge ? – Särge ? – Wie sie gingen und standen, ungewaschen und ohne Leinentuch sind sie verscharrt worden.«

      Auf Onnens Wangen kam und ging die Farbe, eiskalte Schauer durchbebten seinen Körper. »Komm, Georg«, drängte er.

      Uve Mensinga nickte. »Ich wollte eben den gleichen Vorschlag machen, Kameraden. Wir können natürlich die Leichen unserer Freunde nicht in irgendeinem Winkel, über den die Hunde dahinlaufen, unbeachtet liegen lassen, aber das ist für den Augenblick alles. Zu Feindseligkeiten darf es heute nicht kommen.«

      »Aber wenn die Halunken auf uns schießen?« rief der Baltrumer.

      Uve Mensinga lächelte. »Dann kann‘s meinetwegen losgehen, Kinder.«

      »Hoffentlich!« murmelte Georg. »Gott gebe es.«

      Und nun ordnete sich der Zug, um gemessenen Schrittes den Strand hinter dem Heuschuppen zu betreten. Kein Soldat wurde sichtbar, nur zwei schaurige Zeichen der vollstreckten Hinrichtung boten sich den Blicken der Männer – eine große Blutlache und ein frisch aufgeworfener breiter Hügel.

      »Da! da!« rief Onnen. »Ach, mein Vater!«

      »Still, Junge, still! Spare deine Kräfte für den Tag der Vergeltung.«

      Sie nahmen unwillkürlich die Hüte vom Kopf; eine gewaltige Erschütterung ging durch die Seelen aller. Die da noch warm, noch blutend unter dem Boden lagen, waren ihre Freunde und Verwandten, ihre langjährigen Genossen – und an einem Haar, einem einzigen Haar hing noch vor einer Stunde ihre Rettung. Jetzt hatte der Tod den Sieg behalten.

      Einer nach dem andern näherte sich dem Grabe; die Draußenstehenden, Frauen und Kinder drängten nach, irgend jemand brachte Schaufeln und die traurige Arbeit begann.

      Im Badehause deutete Oberst Jouffrin mit der Rechten auf den beständig wachsenden Haufen; ein lauernder, hämischer Blick traf den Präfekten.

      »Bemerken Exzellenz, was da unten vorgeht? Man raubt Leichen, wie mir scheint.«

      Monsieur de Jeannesson nickte kalt. »Ich sehe es, Herr Oberst.«

      »Ah! – und auch das soll hingehen, wenn man fragen darf?«

      »Ich denke ja. Es gibt meines Wissens kein Gesetz, das mich zwingt, die armen Leute auch noch ihrer Toten zu berauben. Mögen sie dieselben in Gottes Namen auf den Kirchhof bringen und dort zur ewigen Ruhe bestatten.«

      »Das heißt doch – uns trotzen, sich widersetzen?«

      Der Präfekt suchte den Blick des ergrimmten Offiziers. »Ich glaube, es heißt nur Mensch sein, Herr Oberst. Durch mich sollen die Leute nicht gestört werden.«

      Der Oberst ging mit hallenden Schritten davon. Monsieur de Jeannesson konnte auch gegen den Besiegten noch Milde und Nachsicht walten lassen, er wurde überall geachtet und geschätzt – dafür haßte er ihn.

      Am Watt und etwas später auch im Dorfe entwickelte sich unterdessen eine lebhafte Szene. Sechs oder acht Männer hoben aus dem kaum zugeworfenen Grabe den Sand, während ebensoviele auf dem kleinen Gottesacker die neue gemeinschaftliche Gruft wieder öffneten. Eine fieberhafte Tätigkeit herrschte auf der ganzen kleinen Insel.

      Gärten oder Gebüsche, wie sie jetzt vor den meisten Häusern befindlich sind, gab es damals zwar nirgends, aber auf den Dünen wuchs, gesät von der gütigen Hand der Natur, manch bescheidenes Blümchen, das sich zum Kranze wohl verwenden ließ, die Dünenrose, die Meerstrand-Männertreu, die Bergnelke, das Veilchen u. a. Nebenbei aber zeigt, wo deutsche Frauen wohnen, jedes Fenster seinen Blumenflor, und diesen plünderten die Norderneyerinnen bis auf die letzte Blüte, um damit das Grab der unglücklichen Opfer zu schmücken.

      Kranz nach Kranz wurde im Fluge gebunden, ganze Körbe voll Blumen herbeigetragen, während die Männer anfingen, vorsichtiger zu graben. Eine Hand ragte aus dem Sande hervor – man hatte das Bett der Toten erreicht.

      Weiße saubere Leintücher wurden ausgebreitet, liebevolle Hände wuschen die Gesichter der kaum Erkalteten. Jedes gab, was es zu geben hatte, Wagen, Bahren, Wäsche, Blumen – ihre Tränen, ihre Gebete alle – alle.

      Särge ließen sich nicht beschaffen, das war unmöglich. Noch einmal gingen in langer Reihe die Insulaner vorüber an den Leichen ihrer Freunde und denen der Engländer, noch einmal berührten sie die über der durchschossenen Brust gefalteten Hände zum letzten Abschied, dann wurde das Leintuch zusammengeschlagen und der imposanteste Leichenzug, den die Insel vorher oder nachher gesehen, nahm seinen Anfang.

      Der Weg von der Gegend des heutigen Hotel Bellevue bis zum Gottesacker im Schatten der Kirche ist ziemlich lang, aber dennoch war er bedeckt mit Blumen. Alle Kinder gingen voraus und bestreuten die Straße, welche der Zug passieren mußte; in den Häusern blieben nur die, deren Schmerz zu groß war, zu schrecklich, um ihn den fremden Blicken preiszugeben – Frau Douwe, das junge Weib des Wattführers und Amke Wessel, die ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckte, um nur nicht den Leichenzug sehen zu müssen.

      Auch ein Mann blieb zurück – Peter Witt, der Verräter. Er kauerte im dunklen Winkel seiner Wohnung СКАЧАТЬ