Onnen Visser. Sophie Worishoffer
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Название: Onnen Visser

Автор: Sophie Worishoffer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ schlich eine alte Frau vorüber, eine Jammergestalt mit zerfetzten Kleidern und eisgrauem Haar, Aheltje, die Hexe. Man flüsterte, als sie kam, man zog sich eilends vor ihr zurück, als berge die Nähe der armen Alten eine Pestgefahr.

      Aheltje nahm von keinem Menschen die geringste Notiz. An ihrer Krücke ging sie bis zu jener Stelle, wo die Boote ankerten, und blieb da ganz allein stehen, ein Bild des Elends, des äußersten menschlichen Verfalles.

      Aus der Kombüse des Schiffes wirbelte Rauch empor; man bereitete den Gefangenen das letzte Frühstück. Wie verzweifelt sie sich fühlen mochten, wie sie wohl im innersten Herzen den brutalen Siegern fluchten!

      Monsieur de Jeannesson wandte sich ab. Es war schrecklich, Familienväter, arme unwissende Fischer so um eines kleinen Fehltritts willen erschießen zu lassen.

      Kurz nach fünf wurde ihm ein Offizier gemeldet. Der Adjutant des Obersten Jouffrin bat um Verhaltungsmaßregeln den Eingeborenen gegenüber, er berichtete, daß in den Dünen hinter der Schanze gegen siebenhundert Bewaffnete versteckt lägen.

      Der Präfekt nickte. »Ich weiß es. Kein Soldat betritt das Dorf oder den Strand – es bleibt bei dem, was ich angeordnet habe.«

      Der Offizier entfernte sich mit stummem Gruße und wieder trat Monsieur de Jeannesson an das Fenster.

      Auf dem Schiff erklang die Trommel, Matrosen und Soldaten bildeten Spalier, einer nach dem andern stiegen die Gefangenen an Deck hinauf und dann in zwei bereitgehaltene Boote.

      Die Engländer sahen unwillkürlich nach rechts über das Meer. Ob denn ihre Genossen nichts unternahmen, um sie zu retten?

      Blau und sonnenblitzend flutete das Wasser – von den Kriegsschiffen war keine Spur zu entdecken.

      Der Kapitän ging zwischen zwei Stöcken; sein zerschmetterter Fuß erlaubte ihm kein festes Auftreten. Er war sehr blaß, aber vollkommen ruhig, ebenso Heye Wessel – die beiden alten Seeleute hatten dem Tode zu oft und aus nächster Nähe ins Antlitz gesehen, sie fürchteten ihn nicht mehr.

      Irgendwo läutete ein Glöckchen; man hörte die hellen Klänge weithin durch das Flüstern des Windes und das Geräusch der Wellen. Die Verurteilten gingen des Kapitäns wegen sehr langsam, so daß mehrere Minuten verstrichen, bevor sie den Fußpfad am Ufer (das damals noch keinen Deich besaß) erreicht hatten. In diesem Augenblick trennte sich von der Gruppe des harrenden Volkes ein größerer Knabe und lief, so schnell ihn seine Füße trugen, in der Richtung der Schanze davon.

      Monsieur de Jeanriesson sah es. »Er bringt den Bescheid, daß sie kommen«, dachte der wohlwollende Mann. »Ich täuschte mich nicht!«

      Und wieder sah er hinüber zum Strande. Die alte Aheltje hatte sich den beiden vordersten Gefangenen genähert, sie streckte dem Kapitän die Hand entgegen. »Ich wollt‘ Euch danken für alles Gute, das ihr an mir armem Weibe getan, Klaus Visser, und auch Euch, Heye Wessel! – Der liebe Gott hört ebensowohl das Gebet der Armen und Niedrigen als das der Großen dieser Welt – und ich bitte ihn für Eure ewige Ruhe aus Herzensgrund!«

      »Danke, Aheltje«, antwortete der Kapitän. »Grüßt mein armes Weib, Frau!«

      Sie reichten ihr sämtlich die Hand, ungehindert von den französischen Soldaten – Lars Meinders biß die Zähne hörbar zusammen, als er von fern das Dach seiner Hütte schimmern sah – dann wollten sich alle rechts ab dem Wege zur Schanze zuwenden.

      Der begleitende französische Unteroffizier deutete nach dem Holzschuppen hinüber. »Dort!« sagte er einfach.

      Die Gefangenen gingen nur eine kurze Strecke, dann entschwanden sie den Blicken der erstaunten Menge. Ein Mann lief in fliegender Eile dem früher abgeschickten Knaben nach.

      Als der traurige Zug den offenen Strand hinter dem Schuppen erreicht hatte, bot sich den Verurteilten ein Anblick, der ihnen die unwillkürlich aufgetauchten Zweifel sofort wieder rauben mußte. Etwa fünfzig französische Soldaten standen mit geladenen Gewehren in Reih und Glied – hinter ihnen gähnte ein tiefes, frisch ausgeworfenes Grab, groß genug, um in seinem Schoße sieben Menschen Raum zu gewähren.

      Etwas abseits stand der Prediger in voller Amtstracht. Mit ausgestreckten Armen näherte er sich den einem so schrecklichen Tode geweihten Männern.

      Wo heute der neue Kirchhof weiß und öde im Flugsand liegt, da hoben sich zu jener Zeit weite hohe Dünenketten mit Tälern und Schluchten, Erlengebüschen und Strauchwerk verschiedener Art Kopf an Kopf standen auf dem gleitenden unsicheren Boden die harrenden Männer, alle bewaffnet mit Beilen und Messern, mit Gewehren und Pistolen, alle fest entschlossen, womöglich keinen einzigen Franzosen lebend davonkommen zu lassen.

      Uve Mensinga war als Führer von der ganzen Schar stillschweigend anerkannt; Georg Wessel und Onnen Visser hielten sich dicht an seiner Seite.

      Ein großes Boot der Engländer, ein sogenanntes Langboot, lag hinter der Biegung, welche die Insel an der Stelle der heutigen Schiffsbauerei macht. Etwas weiter hinaus, mitten im tiefen Fahrwasser, sah man das Kriegsschiff, den »Nelson«, unter beigedrehtem Steuer leicht schaukelnd im Sommerwind treiben.

      Die Taschenuhren zeigten auf sechs – eine immer wachsende Unruhe bemächtigte sich der Versammelten. Da nahte ein Knabe, er schwenkte den Hut – das war das verabredete Zeichen.

      »Sie kommen!«

      Onnen zitterte. »Georg, Georg, wenn nun jemand unglücklicherweise die Gefangenen träfe! – Ach, laßt uns lieber nicht schießen!«

      »Sei still, Junge, sei still. Mir ist es, als wolle mein Herz aufhören zu schlagen!«

      Der riesige Baltrumer stand auf einem jener schmalen Grate, die Düne von Düne trennen. »Halloh!« rief er, »es kommt noch ein zweiter Bote.«

      »Was bedeutet das?«

      Sie horchten und spähten sämtlich. Außer Atem übersprang ein Mann die niederen Dünenketten, dann stand er mitten zwischen den Verbündeten. »Leute, sie haben die Verurteilten nach der anderen Seite gebracht – links hinaus!«

      »O Himmel«, rief Onnen, »wenn der Präfekt Gnade verkünden wollte!«

      »Was könnte es anders sein? – Ach, welches Glück!«

      »Ruhig!« rief Uve Mensinga und seine Augen blitzten, seine Stimme klang grollend, als ersticke ihn der Zorn. »Wir sind verraten, sie morden unsere —«

      Er wurde auf furchtbare Weise unterbrochen. Durch die helle Morgenluft klang das Geknatter von Schüssen – drei Salven fielen nacheinander, Pulverdampf wallte auf, dann war alles todesstill.

      Als habe die französische Kugel in jedes einzelne Herz ihren verderbenbringenden Weg gefunden, so schwiegen wie erstarrt die Verbündeten. Das Unerwartete, Entsetzliche lähmte jede Vorstellungskraft, jede Zunge.

      Und leise, leise schlug an ihr Ohr ein anderer Klang – das Armesünderglöcklein. Sie hörten es alle, bis der Schall wie ein Traum zu zerrinnen schien. Nun waren die Verurteilten gestorben – tot – nun war alles zu Ende.

      »Georg!« rief Onnen außer sich, »Georg!«

      »Laßt uns offen hingehen!« schrie der Baltrumer. »Laßt uns das Badehaus in Brand stecken und die Kanaillen mit dem Kolben totschlagen!«

      »Und was würden wir dadurch gewinnen, Leute?«

      »Rache wenigstens!«

      Das СКАЧАТЬ