Onnen Visser. Sophie Worishoffer
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Название: Onnen Visser

Автор: Sophie Worishoffer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ bebenden Lippen sangen das Lutherlied voll gläubiger Zuversicht, die Hände, blutend und verkrümmt, streichelten das graue Fell des toten Tieres. Allein in dem großartigen Schweigen der Dünenwelt, ganz allein mit ihrem bitteren Weh, predigte sich die Alte von jener Gerechtigkeit, die nie erlahmt, jener Vatergüte, auf die kein Lebender vergeblich baut. Sie sang ihr wildschlagendes Herz zur Ruhe – jeder Ton trug eisiges Erschrecken in die Seele des Verräters.

      Er glitt hinab in das Tal und stand dicht vor ihr. »Aheltje!« sagte er mit unsicherer, heiserer Stimme.

      Langsam hob die Alte den Kopf, ein blasses entstelltes Gesicht sah ihn an, die blutende Hand deutete auf den Ausgang der Schlucht.

      »Hinaus!« sagte sie ruhig. »Die Welt ist groß, auch ohne diese Düne; laß sie mir, Kain, geh fort, ehe ich dich verfluche.«

      Er zuckte die Achseln, vergeblich bemüht, sich den Sinn ihrer Rede zu leugnen. »Was habe ich dir getan, Aheltje? Wo – wo ist dein Haus?«

      Sie wiegte den Kopf gleich einer Irrsinnigen. »Frage den Wind, Verräter, frage die Franzosen, deine Freunde. Sie sind zu mir gekommen und verlangten das Rezept des Saftes, der Zauberkräfte gibt, sie haben meine Hütte in Trümmer geschlagen und mich mißhandelt. Sieh da das Blut, die Wunden – nimm‘s auf dein Gewissen, Peter Witt! und mög‘s dich brennen, bis du Buße tust vor Gott.«

      Sie erhob sich mühsam von ihrem Sitz, sie trat, das tote Tier hoch emporhebend, dem erschreckten Mann näher. »Was gilt mir mein verlorenes Haus, du Unseliger, was gelten mir die Säbelhiebe der Franzosen, wenn ich diesen toten Körper ansehe? Weißt du, was mir die Katze war, Peter Witt? – Was glücklichen Menschen ihre Kinder und Geschwister, ihre Verwandten und geliebten Wesen sind! Das letzte lebende Geschöpf, an dem meine Seele hing, das letzte, welches mich liebte! – Du hast mir‘s geraubt!«

      Er ging immer Schritt um Schritt rückwärts, die Hände streckte er vor und die Blicke hielt er fest auf das Gesicht der Alten geheftet.

      »Sei doch nicht gleich so böse, Aheltje, ich habe dir die Franzosen nicht auf den Hals geschickt, und was deine Katze betrifft, lieber Gott, so schenke ich dir dafür zehn andere!«

      Die alte Frau schluchzte. »Zehn andere!« wiederholte sie. »Ach, Peter Witt, du reicher müßiger Mann, du, der du über viele Tausende gebietest – meinen armen Murr kannst du mir nicht wiedergeben. Ich hab‘ ihn neugeboren am Strande gefunden und hab‘ ihn aufgezogen wie ein Kind – womit wolltest du mir seine Liebe ersetzen? Geh, geh, Unglücksmensch, und lasse dich nie wieder hier an dieser Stelle sehen, bis ich tot bin, erlöst!«

      Sie weinte bitterlich, ihr graues Haar flatterte im Wind, ihre Hände bebten. »Fort!« rief sie. »Fort! Was willst du von mir, Peter Witt?«

      »Aheltje«, schmeichelte er, »liebe beste Aheltje, du sollst mir die Karten legen! Wenn gute Nachrichten darin stehen, lasse ich dir auch dein Haus wieder aufbauen!«

      Die »Hexe« schauderte. »Auch meine Karten«, murmelte sie, »auch meine Karten, nun erst fällt mir‘s ein. Die Kinder hatten damit gespielt, meine Knaben, ich liebte die alten Blätter so innig! – Alles dahin, alles zerstört, es sollten ja Zauberkräfte darin verborgen sein!«

      Peter Witt erschrak. »Du hast keine Karten mehr, Aheltje? – Ich will andere holen, ich komme rasch zurück.«

      Aber sie schüttelte den Kopf. »Ich mag nichts mit dir zu schaffen haben, Kain, nichts, nichts. Geh, laß mich in Ruhe mein armes Tier verscharren.«

      Sie begann, ohne die Gegenwart des Verräters weiter zu beachten, den losen Sand mit ihren Händen aufzugraben. Ob er bat und flehte, ob er Geld anbot, oder Drohungen hervorstieß, sie schenkte ihm keinen Blick, bis er endlich davonging, böse und unruhig, das Herz voll schlimmer Ahnungen.

      Nicht nach Hause – ihm graute davor.

      Und so schlich er umher, ziellos, zwecklos, bald bis zur Reede, dann an den Herrenstrand, hinauf zum schwarzen Kap. Zur Ewigkeit dehnte sich der Tag; erst gegen Abend kam das ausgeschickte Kanonenboot zurück und brachte den Präfekten nach Norderney – jetzt wurde Peter Witt ruhiger.

      Ob wohl ein neuer Orden für ihn schon in Bereitschaft lag?

      Sicherlich erhielt er doch noch heute abend eine Einladung zu Seiner Exzellenz, Herrn Jeannesson – ja, und da mußte er schleunigst an einen andern Anzug denken.

      Schnelle Schritte brachten ihn nach Hause, wo sein Sohn vor der Tür saß und einen Schwarm gleichaltriger Knaben um sich versammelt hatte. Sobald er kam, traten alle zur Seite, stumm, ohne Gruß, ohne ein einziges Zeichen des Hasses oder der Teilnahme, nur sein eigener Knabe griff nachlässig an die Mütze.

      »Jetzt sitzen die Schmuggler in der Falle«, sagte er hämisch. »Onnen Visser liegt sterbenskrank – sie haben schon aus Norden für ihn einen Doktor verschrieben.«

      Sein Vater erschrak. »Ich verbiete dir, mit irgendeinem Menschen Streit anzufangen, hörst du, Adam! Komm her und bürste meine Stiefel.«

      Der Junge reckte sich. »Das kann Frau Olters tun«, brummte er. »Wohin willst du denn schon wieder, Vater?«

      »Komm her und bürste meine Stiefel!«

      »Ich mag nicht!« gähnte der hoffnungsvolle Sohn, darauf versenkte er beide Hände in die Taschen und schlenderte davon, unbekümmert um den Vater, der ihm noch einige Male vergeblich nachrief und dann, da Frau Olters, die Wirtschafterin, nicht zu Hause war, notgedrungen seinen eigenen Kammerdiener spielte.

      Er wurde aus dieser emsigen Beschäftigung sehr unangenehm aufgeschreckt. Ein Stein flog durch die Scheiben und fiel dicht vor ihm auf den Fußboden – ein zweiter und dritter, ein ganzer Hagel von Wurfgeschossen folgte dem ersten.

      Peter Witt taumelte vor Schreck. Er sprang an das Fenster und suchte dann instinktmäßig Schutz hinter einer halbgeöffneten Tür. Auf der Straße stand Kopf an Kopf eine dichtgedrängte Menge, unaufhaltsam flogen Steine gegen das Haus, unaufhaltsam tönten Flüche und Verwünschungen. Ganz im Vordergrunde sah er Heye Wessels ältesten Sohn – ein Grauen ohnegleichen überfiel ihn, mit einem einzigen Satz war er durch die Küche und zur Hoftür hinaus.

      Der Präfekt sollte ihm helfen. Ein siedendes Donnerwetter mußte den Meuterern auf die Köpfe fallen. Atem schöpfend stand er still. Es klirrte und prasselte, es polterte, wie wenn Mauerwerk stürzt und Dachsparren brechen. Weiberstimmen riefen, Hunde bellten – die Justiz des erbitterten Volkes vollzog sich unaufhaltsam.

      Peter Witt lief, so schnell er konnte, bis zum Badehause. Dort wohnte für die nächsten Tage der Präfekt aus Emden und eben diesen wollte er zur Hilfe rufen.

      Sechs Mann Einquartierung für jedes Haus mußte es geben, Peitschenhiebe – Peter Witt bebte vor Wut. Wer ersetzte ihm sein Eigentum? Wer bezahlte den Schimpf?

      Er stürmte weiter, bis ihn ein Wachtposten anhielt. Es kostete außerordentliche Mühe, in das Zimmer des Präfekten einzudringen, vieles Bitten und Warten – Peter Witt fing an, seine persönliche Wichtigkeit für weniger bedeutend zu halten, er sah sich geradezu wie einen überlästigen Bittsteller empfangen.

      Der Präfekt sprach mit den Offizieren von der »Hortense«, auch Oberst Jouffrin war zugegen. Er sah den Verräter an. »Wer ist dieser Mann? Was will er?«

      Einer der Offiziere sprach einige französische Worte, worauf sich der Blick des Präfekten bemerklich verfinsterte. »Was wünschen Sie?« fragte er kalt. »Meine Zeit ist sehr in Anspruch genommen.«

      »Exzellenz«, stammelte СКАЧАТЬ