Onnen Visser. Sophie Worishoffer
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Название: Onnen Visser

Автор: Sophie Worishoffer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Unglücklichen. Eine rauschende Woge kam daher, höher als alle vorigen; auch sie sank noch einmal zurück, aber als sich der Schaum verlaufen hatte, da war die Stelle, wo der Franzose gelegen, leer.

      Tief unten auf dem Grunde der Gate umfingen ihn die Wasser mit feuchten Armen, das unruhig schlagende Herz stand still, das Hämmern hinter der heißen Stirn hätte aufgehört für immer.

      Allmählich begann die Nacht der Morgendämmerung zu weichen. Es legte sich wie ein weißer Schimmer über das Watt, erste rosige Sonnenblitze tauchten in den Nebel und verdrängten ihn immer mehr und mehr.

      Uve Mensinga zügelte das Pferd und beide Reiter saßen ab.

      »Wir müssen uns hier trennen, mein Junge; kämen wir vereint nach Neßmersiel, so könnte das Aufsehen erregen. Geh voran, Onnen!«

      Der Knabe bot ihm seufzend die Hand. »Ich danke Euch, Mensinga! – O lieber Gott, was soll ich meiner armen Mutter sagen, wenn sie mich fragt, weshalb ich allein komme?«

      Der Wattführer drückte ihm traurig die Rechte. »Ich spreche heute noch vor, Kind – hüte dich, irgendwie den Verdacht der Franzosen zu erregen. Du weißt von nichts, warst in Norden, um Verwandte zu besuchen, vergiß das nicht. Adjes!«

      Und dann ging er seitab, um den Deich an einer anderen Stelle zu überschreiten.

      Onnen blieb allein; jetzt mußte er sich zusammennehmen, mußte ein ruhiges Gesicht zeigen, obwohl ihm das Herz zum Zerspringen klopfte. Gemäßigten Schrittes näherte er sich der Treppe.

      Ein junger Zollbeamter sah ihm entgegen, ebenso blaß wie er selbst, er redete ihn an, sobald Onnen den Kamm des Deiches erreicht hatte.

      »Kommst du von Baltrum, mon ami?«

      »Ja«, antwortete der Knabe.

      »Ah, c‘est bien! Aben du gesehen monsieur Brahms? Er ist gehen gestern hinüber und nicht kommen retour!«

      Onnen sah ihn an, kaum fähig zu sprechen. »Sind Sie Herr Bertrand?« fragte er.

      »Oui! Oui!«

      »Nun, dann kann ich‘s Ihnen sagen. Jakob Brahms ist tot!«

      »Ciel! – Er sind ertrunken?«

      »Nein, Herr Bertrand. Er ist im Kampfe mit Ihren Landsleuten erstochen worden. Es ist für uns alles verloren!« Und Onnen ging weiter, so schnell er konnte. Er mußte Gewißheit erlangen über das Schicksal seines Vaters; die Unruhe tötete ihn fast.

      Der Franzose stand und sah ihm nach. Im Wirtshause waren die Töne der Musik längst verstummt; ein ödes Grau lag zwischen den Häusern.

      Tot, tot der Mann, dessen Hand noch vor wenigen Stunden so lebenswarm die seinige gedrückt, dessen Stimme so schmeichelnd zu überreden wußte. Tot – wie gräßlich!

      Scheuen Blickes sah der junge Mensch nach allen Seiten. Er hatte das gesetzwidrige Unternehmen begünstigt, er hatte für ein strafbares Schweigen Geld erhalten.

      Eine schnelle Bewegung brachte die Hand in die Tasche. Im Morgenlicht blitzte es auf, dann plätscherte unten das Meer, als sei ein schwerer Gegenstand hineingefallen – nochmals und nochmals. Der Franzose atmete tief!

      »Soll nicht aben alte Mutter das Sündengeld. Non, non, pardonnez-nous nos offenses! – Ach, arme monsieur Brahms, gute Mann, gute Vater – nun tot!«

      Und erschüttert im innersten Herzen nahm der junge Mann die Wanderung wieder auf. Diese Nacht hatte ihm mit ihren Ereignissen eine furchtbar ernste Lehre gegeben.

      Onnen eilte unterdessen vorwärts, so schnell er konnte. Ein Bauernwagen, der von Neßmersiel nach Norddeich fuhr, nahm ihn bis dahin mit, dann ging er in einer der anwesenden Schaluppen hinüber nach Norderney.

      Wie schlug ihm das Herz, wie schwer wurde es, nirgends zu fragen, sich durch keine Miene zu verraten. Er fühlte, daß seine Kräfte zur Neige gingen.

      Der Weg von der Landungsstelle bis zum elterlichen Hause war nicht weit, er legte ihn in Sprüngen zurück und öffnete die Tür, um mit einem einzigen Blick die Sachlage zu beurteilen.

      Seine alte Mutter und Folke Eils sahen ihm fragend entgegen, der Raum war leer, beide Frauen hatten geweint – sie wußten offenbar von dem Hausherrn so wenig wie er selbst. Ihn schwindelte, bunte Farben erfüllten die Luft, ohne ein einziges Wort gesprochen zu haben, brach er in tiefer Ohnmacht auf der Schwelle der elterlichen Wohnung wie leblos zusammen. Die böse Botschaft hat Flügel, sie durchmißt in eilendem Laufe die größten Entfernungen, sie dringt hinter die verschlossenen Türen und findet Wege, wo immer es sei.

      Das Kanonenboot lag an seiner gewohnten Stelle, auf dem Verdeck gingen die Ereignisse ihren alltäglichen Gang und nichts Besonderes wäre zu bemerken gewesen; aber dennoch wußte binnen wenigen Stunden die ganze Bevölkerung der Insel, was während der verwichenen Nacht auf dem Watt zwischen Baltrum und Neßmersiel geschehen war.

      Unten im Raume des Kanonenbootes lagen gefesselt an Händen und Füßen die Gefangenen des heißen Kampfes, Klaus Visser, Heye Wessel, Lars Meinders und Andreas Fokke, neben ihnen zwei englische Marinesoldaten mit einem Unteroffizier – jedermann auf Norderney wußte es und jeder kannte den Verräter, dessen niederträchtige Treulosigkeit die Schmuggler ihren Feinden in die Hände lieferte.

      Peter Witt sah aus, als habe er bereits im Grabe gelegen. Er schien nur zagend das Kanonenboot zu verlassen, er bebte heimlich, wenn ihm auf dem Wege in das Dorf irgendein Mensch begegnete.

      Einen Augenblick hatte er daran gedacht, abzureisen, aber war dann nicht alle seine Mühe umsonst? Jetzt mußten sich die Franzosen seiner Ansicht nach dankbar beweisen, mußten ihn mit Ehren und Auszeichnungen überschütten. Wenn das die Norderneyer nicht mit ansahen, ihn nicht im Herzen auf das äußerste beneideten, welch einen Wert hatte dann noch die Sache?

      Nein, bleiben wollte er doch um jeden Preis. Gleich nach dem Ereignis war ein Kanonenboot hinübergegangen nach Norddeich und hatte von dort aus einen reitenden Boten nach Emden geschickt. Der Präfekt Jeannesson mußte gegen Abend eintreffen – dann gewannen für ihn die Dinge ein anderes Ansehen.

      Er konnte sich nicht entschließen, sein Haus aufzusuchen, sondern bog rechts ab und wanderte ziellos an den im Bau fast vollendeten Schanzen vorüber bis zur verfallenen Hütte der alten Aheltje. Vielleicht würde ihm die Hexe den Schleier der verhüllten Zukunft ein wenig lüften, ihm sagen, welche Ehren und Freuden seiner warteten.

      Sonderbar – er hatte monatelang mit allen Kräften, allen Mitteln danach gestrebt, die Schmuggler zu entlarven, und jetzt, da es geschehen war, schlug ihm das Herz bis in die Kehle hinauf. Er glaubte immer, es stehe jemand hinter ihm – er fühlte sich mehr als nur unbehaglich.

      Und dann öffneten sich seine Augen vor Erstaunen so weit als möglich. Über Nacht war die Hütte der Alten wie vom Boden verschwunden; ein paar Trümmer lagen umher, Splitter und Fetzen, das war alles.

      »Aheltje!« rief er stillstehend, »Aheltje, wo bist du?«

      Niemand antwortete ihm, aber er hörte aus den Dünen eine schwache zitternde Stimme, eine bekannte Melodie, deren Klänge ihn vom Kopf bis zu den Füßen eisig durchschauerten.

      »Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen.«

      Leise schlich er näher. Im tiefen Tal einer Düne, unter dem Schatten dichter Erlen saß Aheltje und sang. Das graue Haar hing wirr um den Kopf, eine breite Wunde klaffte an der СКАЧАТЬ