Am Jenseits. Karl May
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Название: Am Jenseits

Автор: Karl May

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ so genau zu der gegenwärtigen Situation und den durch sie hervorgerufenen Gefühlen, daß ich von ihnen nicht nur oberflächlich ergriffen wurde, zumal die Art und Weise, in der sie erklangen, eine so ungewöhnliche war.

      Wir standen stumm im Kreise um den Münedschi und warteten, was e nun tun werde. Er lag einige Zeit bewegungslos, langsam und regelmäßig Atem holend. Dann richtete er sich wieder, ohne der Hilfe zu bedürfen, in sitzende Stellung auf, behielt aber die Augen noch geschlossen und sage, mit der Hand neben sich deutend:

      »Setz dich zu mir!«

      Wir wußten nicht, wen er meinte, aber es schien nicht nur mir, sondern auch allen andern ganz selbstverständlich zu sein, daß ich es war, der dieser Aufforderung folgte.

      »Hast du genau gehört, was ich vorhin sagte?« fragte er jetzt.

      »Ja«, antwortete ich.

      »Kennst du die Worte?«

      »Es war der zweite von den hundert Sprüchen des Kalifen Ali Ben Abi Taleb.«

      Er neigte den Kopf leicht nach meiner Seite, als ob er, nachdem ich schon gesprochen hatte, noch auf den Ton meiner Stimme lauschte. Dann sagte er, die Augen immer noch geschlossen:

      »Der zweite? Das sagst du? Es stimmt! Ich weiß, daß du mehrere dieser Sprüche kennst, aber nicht ihre Reihenfolge. Wie kommt es, daß du jetzt so genau die Nummer Zwei angibst? Das wundert mich. Auch klingt deine Stimme anders als bisher. Die Erklärungen dieses Spruches aber kennst du nicht?«

      »Ich kenne sie.«

      Er neigte den Kopf noch weiter herzu mir und sein Gesicht nahm während der folgenden Fragen und Antworten den Ausdruck immer größer werdenden Erstaunens an.

      »Alle beide?«

      »Die arabische und die persische.

      »Wer hat sie gegeben?«

      »Der persische Dichter Reschid ed Din Abd el Dschelil, welcher den Beinamen Watwat bekommen hat.«

      »Wie? Du kennst ihn so ausführlich!«

      »Er lebte an den Höfen dreier Herrscher und starb im Jahre 578 (1182 n. Chr.) der Hedschra (Juni 622 n. Chr.).

      »Maschalfah! Wie lautet die arabische Erklärung dieses zweiten Spruches des vierten der Kalifen?«

      »So lange die Menschen in dieser Welt leben, sind sie ohne Sorge. Sie scheinen in einem so tiefen Schlummer zu liegen, daß sie darüber die Wonnen des Paradieses und die Flammenpein der Hölle vergessen. Aber wenn sie sterben, dann wachen sie auf von diesem Schlummer der Sorglosigkeit und bereuen ihre Saumseligkeit im Dienste dessen, der sie geschaffen hat, und machen sich selbst Vorwürfe über ihre Nachlässigkeit im Danke gegen den, der ihnen alles gespendet hat, aber erst dann, wenn die Reue zu spät kommt und die Selbstvorwürfe nutzlos sind!«

      »Und die persische Erklärung?«

      »Die Menschen sind während ihres Aufenthaltes auf dieser Erde unbekümmert uni die Angelegenheiten der andern Weit. Erst wenn sie sterben, erwachen sie aus dem Schlafe der Gleichgültigkeit, dann erkennen sie, daß sie den Wert des Lebens nicht beachtet haben und nicht den rechten Weg gegangen sind, und bereuen ihre schlimmen Reden und verwerflichen Taten; aber dann hilft und nützt ihnen dies nichts mehr!

      Jetzt war seine ganze Körperhaltung und jeder Zug seines Gesichtes zum sprechendsten Ausdrucke aufmerksamen Lauschens geworden. Er wartete eine Weile und fragte dann:

      »Bist du El Ghani, mein Wohltäter, von dem ich dachte, daß er jetzt bei mir säße?«

      »Nein.«

      »So sag, o sag, ob du mit diesen beiden Erklärungen einverstanden bist!«

      »Sie haben meinen Beifall nicht, denn sie sind zu oberflächlich. Den tiefen Sinn des Spruches lassen sie unberührt liegen. »

      »Und welches ist dieser Sinn?«

      »Die Menschen schlafen; wenn sie aber sterben, dann wachen sie auf. Das heißt: Die Menschen leben wie Schlafende, mit geschlossenen Augen, sie sehen nicht die Beweise eines ewigen Lebens, und wenn sie die Stimmen Allahs und seiner Boten hören, so glauben sie, zu träumen, und folgen ihnen nicht. Aber dann, wenn der Tod sie aus diesem Schlafe rüttelt und sie die Augen öffnen müssen, dann sehen sie sich unvorbereitet jenseits der großen Grenze, über welche sie nicht zurückkönnen, um das Versäumte nachzuholen. Dann wird ihr Erwachen ein Beben und ihr Sehen ein Erschrecken sein.«

      »Allah, Allah!« rief er da aus. »Ich glaubte, auf die Erde zurückgekehrt zu sein, und befinde mich doch noch bei dir, der du mich geleitet hast! Nein, du bist nicht Ei Ghani, der niemals solche Worte hat. Nimm mich wieder bei der Hand, und sage mir, ob ich auch zu denen gehöre, die mit geschlossenen Augen leben und deren Erwachen so schrecklich sein wird!«

      »Hast du die Liebe?

      Warum tat ich grad diese Frage? Wohl weil ich kurz vorher mit den Haddedihn von der Liebe gesprochen hatte. Das Verhalten und die Worte des Arabers waren mir nicht klar. Ich wußte nicht eigentlich, wen er mit ihnen meinte. Die Szene war überhaupt eine ganz eigenartige. Rings um uns die verbrannte, unbegrenzte Wüste, über weicher auch noch jetzt die Geier hungrig schwebten, die während der Nacht wohl in unserer Nähe gesessen hatten, die grotesken Formen der hochbeinigen, höckerigen Kamele, der andächtige Kreis der phantastisch gekleideten Beduinen, der rätselhafte, fremde Mann hier neben dem offenen Grabe mit seinen mir unerklärlichen Reden, unser vorhergehendes, religiöses Gespräch und die Stimmung, in weicher ich mich infolgedessen befand, dazu die Bedeutung des wie mit aus dem Grabe auferstandenen Ali-Spruches, das alles zusammen mochte als Ursache wirken, daß ich nichts anderes als nur diese Frage brachte.

      »Die Liebe?« antwortete er. »Wird grad sie so wichtig für den Augenblick des Erwachens aus dem Schlafe sein?«

      »Nur sie allein ist wichtig. Sie ist das Öl der Lampe, ohne welche du den rechten Weg nicht finden kannst.«

      »Das Öl? Der Lampe?« fuhr er aus seiner noch immer wie lauschenden Haltung empor. »Das klingt ja wie der Gang der Jungfrauen zur Nikiah (Hochzeit)!«

      »Ja«, fiel ich unter dem Eindrucke dieses Wortes, ohne zu bedenken daß ich einen Moslem vor mir hatte, der nicht wissen durfte, daß ich Christ war, schnell ein. »Das Himmelreich wird gleich sein zehn Jungfrauen, weiche ihre Lampen nahmen, um auszugehen, dem Hochzeitszuge entgegen. Fünf von ihnen waren töricht und fünf aber klug; die fünf Törichten nahmen zwar ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit sich; die Klugen hingegen aber nahmen samt den Lampen auch Öl in ihren Gefäßen mit. Als nun der Bräutigam verzog, wurden alle müde und entschliefen. Um Mitternacht aber erhob sich ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; gehet heraus, ihm entgegen! Da standen alle diese Jungfrauen auf und richteten ihre Lampen zu. Die Törichten aber sprachen zu den Klugen: Gebt uns von eurem Öle, denn unsere Lampen verlöschen! Da antworteten die Klugen und – — – —

      Bis hierher war ich gekommen, doch weiter kam ich nicht. Während ich erzählte, ging mit dem Münedschi eine ungewöhnliche Veränderung vor, ungewöhnlich wenigstens in Beziehung auf seinen Schwächezustand. Es war, als ob seine Adern sich mit neuem Blute füllten und seine Nerven neuen Lebensreiz bekämen. Er richtete seinen Oberkörper auf, höher und immer höher. Seine Augen öffneten sich und richteten ihren strahlenden, unbeschreiblichen Blick auf mich, die Falten seines Gesichtes schienen sich zu füllen, und das Spiel der Mienen wurde von Satz zu Satz, den ich sprach, immer lebhafter, bis er, beide Hände gegen mich ausstreckend, mich mit dem ängstlich abwehrenden Rufe unterbrach:

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