Название: Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas
Автор: Balduin Mollhausen
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Wenn ich jetzt den Colorado so vor mir sehe, dabei der Flüsse gedenke, die ich zwischen dem Mississippi und den Rocky Mountains kennengelernt habe, dann fällt mir immer mehr die Verschiedenheit des Charakters auf, der die Ströme östlich und westlich der ungeheuren Wasserscheide auszeichnet. Natürlich wird diese Verschiedenheit durch das Land bestimmt, das diese durchschneiden, und ich würde mich vielleicht richtiger ausdrücken, wenn ich von dem Charakter der Ländereien diesseits und jenseits der Rocky Mountains spräche. Sowenig Ähnlichkeit auch immer die endlosen Grasfluren zwischen den Quellen des Missouri und den texanischen Küstenstrichen mit den Wüsten und nackten Felsenketten, von denen wir hier umgeben sind, haben mögen, so gibt es doch in beiden Regionen Punkte, bei deren Anblick man lebhaft an Stellen erinnert wird, von denen man durch Tausende von Meilen und durch das majestätische Rückgrat des nordamerikanischen Kontinents, die Rocky Mountains, getrennt wird. Ich beziehe mich hier auf die Dom-Berge und den Chimney Peak, die in so hohem Grad unsere Bewunderung erregt haben.
Über 1500 Meilen von hier, am östlichen Abhang der Rocky Mountains, liegt Fort Laramie (42° 12’ 38” n. Br., 104° 31’ 26” w. L.). Wenn man diesen Militärposten verläßt und auf vielbefahrener Emigrantenstraße die Richtung am nördlichen Arm des Platte River oder Nebraska hinunter einschlägt, so gelangt man nach einem tüchtigen Marsch durch eine weite Ebene in eine niedrige Bergkette, wo dem Reisenden die Aussicht auf die in Nebel verschwimmenden Kuppen der Felsengebirge entzogen wird. Nach einem zweiten Marsch erreicht man die Ostseite dieser Bergkette, die den Namen Scott Bluffs führt. Dort nun befindet man sich angesichts eines Chimney Peak, eines Courthouse RockChimney Peak und Courthouse Rock, diese beiden herausragenden Felsen, die dem Reisenden, der sich auf der Laramiestraße nach dem großen Salzsee den Scott Bluffs von Osten nähert, schon auf mehrere Tagereisen weit sichtbar sind, verdanken ihre phantastischen Formen den äußeren Einflüssen der Atmosphäre und sind augenscheinlich Überreste des übereinandergeschichteten Hochlands, das sich jetzt in Form von einer Reihe schroffer Hügel westlich von denselben erhebt. Der Chimney Peak hat als Unterlage einen konischen Hügel von ungefähr 100 Fuß Höhe, dessen Abhänge einen Winkel von 45° mit dem Horizont bilden. Auf dem Gipfel dieses Kegels nun erhebt sich die 40 Fuß hohe Säule, die zu dem bezeichnenden Namen »Schornsteinfelsen« Anlaß gegeben hat. Der Schaft hat eine runde Form und zeigt vertikale Seiten. Nach dem Zeugnis vieler noch lebender »Voyageurs« (kanadische Trapper und Pelzjäger) ist er früher bedeutend höher gewesen und vor etwa 25 Jahren durch einen Blitz oder eine Erderschütterung teilweise hinabgestürzt worden. Gutes Gras und mehrere klare Quellen haben die Nachbarschaft des Chimney Peak zu einem beliebten Lagerplatz der Kalifornienemigranten gemacht. und zahlreicher merkwürdiger Felsgebilde, die an phantastischen Formen unseren Dom-Bergen hier nichts nachgeben, ja ich möchte fast behaupten, daß der Chimney Peak an der Laramiestraße mehr Ähnlichkeit mit einem hohen Schornstein hat als der hiesige. So ähnlich in ihrer äußeren Erscheinung Teile der beiden Felsregionen einander sein mögen, so verschieden voneinander ist wieder ihre Formation. Die Scott Bluffs mit ihrer ganzen Reihe wunderlicher Gebilde bestehen nämlich aus festem Lehm und Schichten von Sand- und Kalkstein und verdanken ihre äußeren Formen der Einwirkung des Wassers und der Atmosphäre, während die hiesigen Bergketten rein vulkanischen Ursprungs sind und fast unempfindlich gegen alles außer gegen die Erdbeben bleiben.
Viele Jahre sind nun schon verflossen, seit ich die nördlichen Felsengebirge zum letzten Male sah; es geschah, als ich den geistreichen und unternehmenden Herzog Paul Wilhelm von Württemberg auf seinen Reisen begleitete und mich mit ihm auf der Heimkehr von Fort Laramie befand. Schnell und ungestört hatten wir den langen Weg vom Missouri nach den Rocky Mountains zurückgelegt; auf der Heimfahrt waren wir dagegen weniger begünstigt, denn diese glich im vollen Sinn des Wortes nur einer Reihe von Abenteuern und Unglücksfällen. Ich will hier eine kleine Probe davon geben — eine Probe, die in der Erzählung komisch genug klingen mag, die aber damals der bitterste Ernst für uns war. Versetzen wir uns also im Geist noch drei Tagereisen weiter östlich von den Scott Bluffs an die Stelle, wo die Straße den Nordarm des Nebraska verläßt, in einer wilden Schlucht, Ash Hollow, aufwärts auf die hochgelegene Ebene hinauf und über diese hinweg an den südlichen Arm des eben genannten Flusses führt.
Es war im Spätherbst; der Herzog, der auf solchen Reisen mit an Tollheit grenzender Kühnheit selten mehr als zwei Begleiter bei sich hat, zählte in seinem Gefolge nur meine Wenigkeit, indem wir unseren dritten Gefährten, einen ebenso unerfahrenen Präriewanderer, wie auch ich damals noch war, auf unbegreifliche Weise auf der Hinreise schon verloren hatten. Welche Stütze ich für den Herzog bildete, läßt sich daraus entnehmen, wenn ich anführe, daß dies mein erster Besuch in den Grassteppen war und ich also mit vollem Recht die bei alten Reisenden gebräuchliche Bezeichnung eines »Grünen« verdiente. Trotzdem ein heftiges Fieber mich täglich schüttelte, verlor ich doch keineswegs meinen guten Mut, der durch das Benehmen des gegen Gefahren und Entbehrungen gleichgültigen Herzogs noch gesteigert wurde.
Wir hatten also vor der Mündung der Ash Hollow die Nacht zugebracht, kamen aber mit unserem beabsichtigten frühen Aufbruch nicht zu Rande; einesteils, weil wir noch einen Besuch von dem in unserer Nähe lagernden Fitzpatrick und mehreren Oglala-Indianern erhielten, dann aber auch, weil uns die kunstgerechte Verpackung einiger Stücke frischen Büffelfleisches etwas Zeit raubte. Es war mithin schon spät, als wir in die Ash Hollow einlenkten, wo wir abermals Zeit verloren, indem wir angesichts einiger grasender Büffel unsere Jagdlust nicht zu zügeln vermochten. Auf diese Weise erreichten wir also gegen Mittag erst die Hochebene, und dann blieben uns noch ungefähr fünfzehn Meilen bis zum nächsten Wasser, dem südlichen Arm des Flusses, zurückzulegen. Der Herzog fuhr in einem leichten, mit zwei Pferden bespannten Wagen, während ich ein sehr kräftig gewesenes Pferd ritt und meine Aufmerksamkeit zugleich einem Maulesel zuwandte, den wir zur Aushilfe mitgenommen hatten. Trotz der großen Eile, mit der wir gereist waren, stellte sich die Dämmerung schon ein, als wir uns dem Fluß näherten. Meinen Vorschlag, auf dem linken Ufer zu übernachten, verwarf der Herzog aus dem natürlichen Grund, weil sich kein Gras für die Tiere dort befand; ich mußte also vor dem Wagen hinab in den Fluß reiten, um die Richtung der Furt zu halten, was bei der sich schnell einstellenden Dunkelheit keine geringe Mühe kostete.
Alles ging gut, bis wir in die Mitte des Stroms gelangten; verfehlte ich nun hier die Richtung, oder standen die Pferde einen Augenblick still — ich weiß es nicht; kurz, ich sah nur, daß die Räder so tief in den losen Treibsand sanken, daß nur der Kasten des Wagens noch über der Oberfläche des Wassers blieb und die Pferde mit Aufbietung ihrer ganzen Kräfte ihre Last nicht mehr zu bewegen vermochten. Wir steckten in einer schlimmen Lage, denn zu der Finsternis gesellte sich noch ein feiner Regen, der gewiß nicht dazu diente, das Unglück erträglicher zu machen. Wir verloren indessen keine Zeit mit nutzlosen Versuchen; von meinem Pferd herab spannte ich die Wagenpferde aus, der Herzog reichte mir aus dem Wagen das Leder eines indianischen Zeltes und ein Beil, worauf ich mit den Tieren meinen Weg ans Ufer suchte. Er selbst beabsichtigte, trotz der Gefahr, vollständig zu versinken oder fortgewaschen zu werden, die Nacht im Wagen zuzubringen.
Ich erreichte ohne weiteren Unfall das Ufer, entledigte die Pferde sogleich ihrer Geschirre, überließ sie der Freiheit und schaute dann zurück nach dem Herzog und seinem Wagen. Pechschwarze Nacht lagerte auf dem Fluß, der Regen fiel in feinen Tropfen, aber sehr dicht; die Verbindung zwischen uns war abgeschnitten, ja wir konnten einander nicht einmal zurufen. Die durch die Nässe verursachte Kälte weckte mich aus meinem Sinnen, ich wickelte mich in das Zeltleder, warf mich auf den nassen Boden, umklammerte mit der rechten Hand den Griff meiner einzigen Waffe, des Beils, und schlief ungeachtet des Regens, der Kälte und des Hungers bald ein.
Es begann schon zu tagen, als ich erwachte; meinen ersten Blick sandte ich hinüber zum Fluß, und zu meiner größten Freude stand der Wagen noch so da, wie ich ihn am Abend verlassen hatte; mein zweiter Blick galt den Pferden — auch diese waren noch vorhanden, sie weideten ruhig in der Entfernung einer halben Meile; ich faßte dann meinen eigenen Zustand ins Auge und fand, daß mich furchtbar fror; es regnete zwar nicht mehr, dafür sauste aber ein kalter Nordwind über die Ebene, der mich bis ins Mark erbeben machte. Um mich daher zu erwärmen, zog ich СКАЧАТЬ