Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Bernd Heinrich
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811456655
isbn:
69
Scheidet die Bildung von Bewertungseinheiten aus, betrifft also das prozessuale Tatgeschehen mehrere Rauschgiftgeschäfte und somit auch unterschiedliche Güterumsätze, muss dies nicht zwingend zur Annahme von Tatmehrheit führen. Überschneiden sich schließlich unterschiedliche „Deals“, kann es – gerade wegen der extensiven Auslegung des Handeltreibens – oftmals zu einer Teilidentität der Ausführungshandlungen kommen (etwa in Form der Anfahrt oder des Zahlungsvorgangs), die unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung zu einer Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB führt. In einer neueren Entscheidung hat der Große Senat – wiederum auf eine Anfrage des Dritten Senats hin[164] – auch im Rahmen der konkurrenzrechtlichen Betrachtung an der extensiven Auslegung und damit auch an einer denkbar häufigen Überschneidung der Ausführungsakte festgehalten: Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten verbindet somit als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne.[165] Darüber hinaus kommt im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung eine natürliche Handlungseinheit zwischen zwei Umsatzgeschäften in Betracht, wenn die Bezahlung einer zuvor „auf Kommission“ erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge erfolgt.[166] Die konkurrenzrechtliche Einordnung durch den Großen Senat wurde im Anschluss sowohl im Hinblick auf ihre dogmatische Stringenz[167] als auch wegen ihrer praktischen Konsequenzen kritisiert,[168] insbesondere wurde eine Rückkehr zur fortgesetzten Handlung ins Spiel gebracht.[169] Ohne Zweifel ist – was sich auch in der hohen Entscheidungsdichte im Anschluss an den Großen Senatsbeschluss zeigt – noch Einiges im Fluss, was aber in Anbetracht des Konkretisierungsbedarfs auch nicht erstaunen darf.[170]
2. Transitdelikte (Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr)
70
Eine praktisch bedeutsame Rolle nehmen auch die Transitdelikte der Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr ein. Die umfangreiche Rechtsprechung, insbesondere zum Tatbestand der Einfuhr dürfte zunächst erstaunen, da dieser im Regelfall umsatzbezogen erfolgt und damit im weiten Begriff des Handeltreibens aufgehen müsste. Doch hat der Gesetzgeber den Teilakt der Einfuhr in § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG „herausgestanzt“, indem er die Einfuhr nicht geringer Mengen mit einem besonderen Strafrahmen versah. Dies hat zu einer verhältnismäßig häufigen, „isolierten“ Befassung des BGH mit der Modalität der Einfuhr geführt.
a) Definition und Erscheinungsformen
71
Einführen bedeutet das Verbringen (§ 2 Abs. 2 BtMG) eines Betäubungsmittels aus dem Ausland über die Grenze in das Hoheitsgebiet (§ 3 StGB) der Bundesrepublik Deutschland.[171] Es handelt sich nach ganz h.M. um ein Erfolgsdelikt, sodass die formelle Tatbestandsvollendung eintritt, wenn das Betäubungsmittel die Grenze passiert. Es handelt sich nicht um ein eigenhändiges Delikt; soweit dem Täter der Grenzübertritt nach tatherrschaftlichen Gesichtspunkten zugerechnet werden kann, kommt eine Verwirklichung in Form eines Verbringenlassens (also einer Einfuhr in mittelbarer Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB) in Betracht. Spiegelbildlich hierzu wird unter Ausfuhr das Verbringen eines Betäubungsmittels aus dem Geltungsbereich des BtMG über die Grenze ins Ausland verstanden (ihre Bedeutung ist nicht nur phänomenologisch ungleich geringer: Die Ausfuhr ist in § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG nicht genannt, und taucht isoliert nur im § 30a Abs. 1 BtMG auf, der freilich an weitere Voraussetzungen knüpft).
b) Deliktsverwirklichungsstufen und Abgrenzung der Beteiligungsformen
72
Da die Einfuhr im Gegensatz zum Handeltreiben als Erfolgsdelikt verstanden wird, hat man auch in der Rechtsprechung weniger Schwierigkeiten, die Abgrenzung der Deliktsverwirklichungsstufen nach vertrauten Kriterien der Tatherrschaft, Zwischenakts- und Sphärentheorie zu bestimmen. Tatsächlich greift der BGH bei allen Formen des Transports auf die Grundformel des unmittelbaren Ansetzens (§ 22 StGB) zurück, um den Bereich strafloser Vorbereitung, strafbaren Versuchs und formeller Tatbestandsvollendung zu bestimmen. Entsprechend hat sich die „Grenze“ bei der Einfuhr auf dem Landweg als Abgrenzungskriterium herausgebildet: ein unmittelbares Ansetzen kann damit noch nicht angenommen werden, wenn die Täter noch mehrere Kilometer fahren müssen, um sich der Grenze anzunähern[172] oder wenn das Fahrzeug wenige Kilometer vor der Grenze noch präpariert werden muss.[173] Umgekehrt lässt sich der Eintritt in das Versuchsstadium bejahen, wenn die letzte Ausfahrt passiert worden ist, so dass man unter normalen Umständen die Grenze überschreiten muss.[174]
73
Bei Transportmitteln, die von anderen gesteuert werden, verschiebt sich der Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens regelmäßig nach vorne, da der Täter das Geschehen viel früher aus der Hand geben muss (Schiffsfracht, Flug, Versendung per Post). Unter Zugrundelegung der allgemeinen Lehren zum unmittelbaren Ansetzen bei mittelbarer Täterschaft (dies ist möglich, wenn die Transportierenden vorsatzlos agieren[175]) ist der Versuchsbereich dann schon im Regelfall mit der Platzierung der Drogenfracht im entsprechenden Vehikel, spätestens mit dem Besteigen des Gefährts anzunehmen; ggf. kann ein Zwischenstopp im Ausland einem unmittelbaren Ansetzen entgegenstehen. Stark vereinfacht lässt sich die transportart-akzessorische Kasuistik[176] folgendermaßen skizzieren:
Transportart Stadium | Fußgänger, PKW | Bahn, Flugzeug, Schiff | Post, Frachtgepäck |
---|---|---|---|
straflose Vorbereitung | Übernachtung vor der Grenze; Verpacken/Verladen der Drogen; Beantragen von Transitvisum; Ausspähen der Grenze; Montieren der Betäubungsmittel im Wagen | Kauf der Tickets, Aufenthalt am Bahnhof, Flughafen | Verpacken, Verstecken der Betäubungsmittel im Karton, Paket, Gepäck |
Versuch | erst „kurz“ vor der maßgeblichen Grenze; kein unmittelbares Ansetzen, wenn längere Wegstrecke/mehrere Kilometer zu fahren/zu laufen[177]; dagegen (+), wenn letzte Ausfahrt passiert[178] | СКАЧАТЬ