Название: Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1
Автор: Reinhart Maurach
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811492561
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Die eigentlichen Probleme des § 229 liegen in der in den Allgemeinen Teil gehörigen Dogmatik der Fahrlässigkeit[63]. War ein Todeserfolg nicht voraussehbar, kann eine fahrlässige Körperverletzung übrigbleiben (OLG Köln NJW 56, 1848). Das Problem des unvermeidlichen Erfolgseintritts auch bei nichtfahrlässigem Verhalten (s.o. § 3 Rn. 5) erfährt bei § 229 die zusätzliche Komplikation, dass bei nicht fahrlässigem Verhalten eine geringere Verletzung eingetreten wäre (z.B. wäre der unvorsichtige Passant auch bei Vorbeifahrt an einem haltenden Omnibus mit Schrittgeschwindigkeit unter das Auto geraten, hätte jedoch geringere Verletzungen erlitten). Hier greift § 229 ein, da er (s.o. Rn. 5) auch die relative Verschlechterung eines Zustandes umfasst[64].
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Häufig sind die Fälle der fahrlässigen Körperverletzung durch unechte Unterlassung (OLG Bremen NJW 57, 72: Haftung des Ehemannes für Verletzungen durch den eingebrachten Hund seiner Ehefrau; BGH NJW 64, 412 u. KG VRS 11, 357: Haftung des Gastwirts; BGH VRS 13, 470: Haftung des nicht einschreitenden Autohalters für Verkehrsdelikte seines Fahrers; OLG Karlsruhe NJW 81, 1054: Haftung beim Handel mit Kfz.-Reifen). Ein Arzt kann aufgrund des mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages zu Hausbesuchen verpflichtet sein (BGH NJW 61, 2068).
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2. Strafe: Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe. Antragsbedingtheit bzw. Antragsgelöstheit gemäß § 230 unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der einfachen vorsätzlichen Körperverletzung (vgl. o. Rn. 8; zur Praxis bei Verkehrsunfällen Kellner MDR 77, 626).
Anmerkungen
Hinsichtlich der wichtigsten Elemente s. die Ausführungen zur fahrlässigen Tötung o. § 3, im Übrigen s. AT §§ 42–44.
Schröder NJW 71, 1143; Blei JA 71, 378; Klußmann NJW 73, 1079. A.A. OLG Oldenburg NJW 71, 631.
§ 10 Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225)
Schrifttum:
Hoppe, Strafrechtlich nicht verfolgbare Kindesmißhandlungen, UJ 67, 123; Jacobsen, Der gesetzliche Schutz des Kindes gegen körperliche Mißhandlungen, StrAbh. 160; W. Meurer, Probleme des Tatbestandes der Mißhandlung Schutzbefohlener (§ 223b StGB), Diss. Köln 1997; Pollack, Der strafrechtliche Schutz des Kindes, StrAbh. 267; Schleich, Der neue strafrechtliche Schutz der Pflegebefohlenen, JW 34, 15; R. Schmidt, Verbrechen am Seelenleben des Menschen, GS 42, 57; U. Schneider, Körperliche Gewaltanwendung in der Familie, 1987; Ullrich, Die Kindesmißhandlung in strafrechtlicher, kriminologischer und gerichtsmedizinischer Sicht, 1964.
I. Wesen der Tat
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Eine besondere Strafdrohung gegen die Misshandlung Schutzbefohlener, die Kehrseite des früheren Züchtigungsrechts (s.o. § 8 Rn. 19), wurde erstmals 1912 geschaffen (§ 223a Abs. 2 a.F.) und 1933 zu § 223b verselbstständigt, wobei die Tathandlungen sinnigerweise dem kurz zuvor erlassenen Tierschutzgesetz entnommen wurden. Durch das 6. StrRG 1998 erhielt er die jetzige Paragrafennummer und wurde verschärft (Strafbarkeit des Versuchs, Aufstufung der Regelbeispiele zu Qualifikationen und damit zu Verbrechen). Pro Jahr werden ca. 3000 Fälle polizeilich registriert. Die allgemeine Publizistik hat sich des Themas lebhaft angenommen und sieht in der Kindesmisshandlung die Kompensation von Frustrationen im beruflichen und gesellschaftlichen Leben[1].
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§ 225 bestraft das Quälen oder rohe Misshandeln bestimmter Gruppen wehrloser Personen, die dem Täter anvertraut und von ihm abhängig sind. Ob § 225 überhaupt in den Rahmen der Körperverletzung gehört, mag dahingestellt bleiben (vgl. o. § 8 Rn. 3 ff.) – jedenfalls ist er keine bloße Abwandlung des Grundtatbestandes, sondern reines Sonderdelikt. Dies folgt einmal daraus, dass § 225 rechtsgutsmäßig aus dem Rahmen der Körperverletzung herausragt: Objekt der Handlung kann zwar auch die Körperintegrität sein, ebenso aber auch die seelische Verfassung, sodass sich als Rechtsgut des § 225 die konstitutionelle Ganzheit des Menschen darstellt, die – im Gegensatz zur allgemeinen injuria (s.o. § 8 Rn. 2) – vom Täter nicht nur missachtet, sondern in ihrer Gesamtfunktion verletzt wird. Damit ist auch der konstruktive Unterschied des § 225 gegenüber § 223 klargestellt. Er ist ihm gegenüber nur teilweise ein Plus (insofern als die „Misshandlung“ des § 223 durch die „Rohheit“ der Gesinnung verschärft wird), im Übrigen etwas substantiell anderes: das „Quälen“ ist diejenige Tatform, die sich primär gegen die Seele des Opfers richtet und dessen leibliche Funktionen ganz außer Betracht lassen kann (RG DR 45, 22).
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Die hier vertretene Auffassung wird historisch dadurch gerechtfertigt, dass „Verbrechen am Seelenleben des Menschen“ mindestens seit Feuerbach (Kaspar Hauser 1831) als neuer selbstständiger Deliktstyp verlangt wurden[2]. De lege ferenda wurden sie vor 1933 insbes. von Kahl gefordert. Das Gesetz vom 26.5.33 ordnete den § 223b zwar innerhalb der Körperverletzungen ein, vermied aber peinlich jede sonst naheliegende Bezugnahme auf die Körperverletzung (vgl. dagegen § 224–§ 228)[3]. Das RG sah § 223b dagegen als Qualifikation des § 223 an, wobei es den weiteren Anwendungsbereich mit dem Hinweis auf seine Geringfügigkeit abtun zu können glaubte[4], während die heute h.M. § 225 in eine unselbstständige und eine selbstständige Abwandlung aufspaltet[5].
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Die Folgen der Sonderdeliktsnatur sind weittragend: § 228 scheidet aus, da die Sittenwidrigkeit der Tat hier infolge des Gesinnungsmomentes zwangsweise bestehen bleibt; als Grundlage der §§ 226 und 227 kann § 225 nicht dienen (Ersatzbestimmung: Strafschärfung des Abs. 3); Außenseiter haften ohne Rücksicht auf eigene Qualifikationsverhältnisse nach § 225 (freilich mit der Strafmilderung nach § 28 Abs. 1); bei seelischer Misshandlung ist Idealkonkurrenz mit Körperverletzung möglich.
Anmerkungen
S. z.B. Vorgänge 1973 H. 5. Zur Kriminologie und Kriminalistik Trube-Becker, Gewalt gegen das Kind (1982); Haesler (Hrsg.), Kindesmisshandlung СКАЧАТЬ