Название: Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1
Автор: Reinhart Maurach
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811492561
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d) Eine Rechtfertigung der Tat kann sich aus der Einwilligung des Opfers ergeben, sofern dieses volljährig und einwilligungsfähig ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a TPG analog). Die Auffassung des Gesetzgebers, dass eine solche Einwilligung stets nach § 228 unwirksam bleiben muss (BT-Dr 17/13707, 6), ist selbst dann unzutreffend, wenn die Verstümmelung zu einem Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit i.S.d. § 226 führt (Lackner Rn. 6). Die bloße Einwilligung des Personensorgeberechtigten in eine Verstümmelung des minderjährigen Opfers genügt allerdings nicht, um ihretwegen die Tat nicht mehr als sittenwidrig i.S.d. § 228 erscheinen zu lassen (Wolters SK Rn. 16). Dies gilt auch für Auslandstaten, seit und soweit § 226a gem. § 5 Nr. 9a lit. b auch für diese räumlich gilt (vgl. Hoyer SK § 5 Rn. 28 f.)
e) Aus dem Strafrahmen von § 226a Abs. 1 (Freiheitsstrafe von einem bis 15 Jahren) ergibt sich, dass es sich bei der Tat um ein Verbrechen handelt. Die Strafrahmenuntergrenze liegt aber unterhalb der zwei Jahre Freiheitsstrafe, die das öffentliche Interesse an einer Ausweisung tatbeteiligter Eltern gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besonders schwerwiegend erscheinen ließen, um die Anzeigebereitschaft der betroffenen Töchter dadurch nicht zu dämpfen. Droht den Eltern aufgrund ihrer Tatbeteiligung dennoch eine Ausweisung gem. § 53 Abs. 1 AufenthG, so kann dies zur Annahme eines minder schweren Falles i.S.d. § 226a Abs. 2 (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) beitragen (Lackner Rn. 7). Dasselbe gilt, wenn die Tat im Stadium eines (strafbaren) Versuchs steckengeblieben ist. Aufgrund von Spezialität tritt § 223, aufgrund von Konsumtion § 224 Abs. 1 Nr. 2 (a.A. Fischer Rn. 22; Lackner Rn. 8) hinter § 226a zurück. Die §§ 225; 226 bleiben dagegen in Idealkonkurrenz neben § 226a bestehen.
4. Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227)
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a) Auch diese Tat ist eine unselbstständige Qualifikation des Grundtatbestandes, die unter Übergehung der §§ 224 und 226 unmittelbar auf § 223 aufbaut. Ihre Konstruktion ist die gleiche wie die der schweren Körperverletzung mit dem Unterschied, dass als Tatfolge der Tod des Verletzten eingetreten sein muss. Wie § 226 ist auch § 227 ein erfolgsqualifiziertes Delikt. Nicht jeder folgenreiche Schlag oder Stoß ist eine Körperverletzung mit Todesfolge (BGH StV 01, 680). § 227 kommt infolge der Betrachtung des ärztlichen Eingriffs als Körperverletzung (s.o. § 8 Rn. 24 ff.) insbesondere auch bei ärztlichen Kunstfehlern in Betracht (BGH NStZ 08, 150: „Turboentzug“ von Drogen; 08, 278). Im Übrigen wird auch dieser Tatbestand mithilfe des § 18 auf ein der Gerechtigkeit entsprechendes Maß beschränkt, wobei die Wissenschaft in der Regel täterfreundlicher eingestellt ist als die Praxis (instruktiv Dallinger MDR 66, 198). Allerdings braucht auch hier dem Täter nicht der konkrete Kausalverlauf, sondern nur der Erfolg im Endergebnis erkennbar zu sein (BGH NStZ 01, 478: tödlicher Sturz mit dem Kopf gegen eine Wand nach Anspringen von hinten).
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b) Da die Rechtsprechung aber die Fahrlässigkeit viel zu weit auslegt und auch zusätzliche erfolgsverursachende Handlungen des Verletzten oder Dritter für vorhersehbar hält, hat sie ein zusätzliches Kriterium entwickelt, um derartige Fälle aus § 227 herauszunehmen: zwischen der Körperverletzung und dem Todeserfolg muss ein „unmittelbarer Zusammenhang“ bestehen; in dem Todeserfolg muss sich die spezifische Todesgefahr der Körperverletzung niedergeschlagen haben. Mit dieser Begründung wurde § 227 abgelehnt von BGH NJW 71, 152 („Rötzel“-Fall: Hausgehilfin stirbt durch Sturz auf der Flucht vor prügelndem Arbeitgebersohn), BGH 32, 25 (Tod durch Tritt eines anderen gegen das gestürzte Opfer) und BGH StV 98, 203 (Täter warfen das nach Zusammenschlagen für tot gehaltene Opfer in einen Fluss). S.a. BGH NStZ 09, 92: Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch ärztliche Kunstfehler oder Untätigkeit der Verletzten. Diese Einschränkung wird vom BGH jedoch wieder abgeschwächt, indem er den Zusammenhang nicht auf die tatsächlich eingetretene Körperverletzung, sondern auf die Körperverletzungshandlung bezieht und außerdem jeden nicht außerhalb aller Lebenserfahrung liegenden Erfolg genügen lässt (BGH 31, 96[47]: Neffe stürzt alten Onkel vom Hochsitz; Onkel erleidet Knöchelbruch und stirbt mangels ausreichender Nachbehandlung an Lungenembolie; BGH NJW 02, 1708 = NStZ 92, 335[48]: Verletzung führt zu Benommenheit und dadurch zu Sturz aus dem Fenster in Panik; BGH NStZ 97, 344: Verprügeln führt bei einem Herzvorgeschädigten nach einem Monat zum tödlichen Herzinfarkt; BGH 48, 34: Gubener Ausländerjagd, Opfer verletzt sich tödlich bei Flucht vor vermeintlich fortdauernder Verfolgung[49]). Zu eng ist es, wenn manche eine Letalität der Wunde verlangen[50].
BGH NStZ 92, 333 hat den unmittelbaren Zusammenhang auch für einen Täter bejaht, der das Opfer tödlich verletzt hatte, obwohl der Tod durch einen Verwandten fahrlässig zur Verdeckung der Tat herbeigeführt wurde. Dencker will dieses Ergebnis mit einer Vorverlagerung des Todesbegriffs retten (JuS 92, 311), was jedoch verheerende Folgen für Euthanasie und Transplantation hätte (s.o. § 1 Rn. 12 f., 30 ff.)[51]. Es handelt sich um eine Art culpa generalis mit Aufgabenteilung (Vogel LK12 § 18 39 ff.).
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c) Da bei jeder Tötung eine Körperverletzung als Durchgangsstadium vorliegt (BGH 16, 122; s.o. § 8 Rn. 42), greift § 227 StGB auch dann ein, wenn der Tod sofort eintritt; dies gilt auch dann, wenn eine andere Körperverletzung beabsichtigt war, sofern die Abweichung des Kausalverlaufs unwesentlich war[52]. Die Tat ist auch durch Unterlassen begehbar (BGH MDR/H 82, 624: Kind stirbt infolge mangelnder Ernährung). Allerdings muss erst das Unterlassen die Todesgefahr geschaffen oder erheblich erhöht haben (BGH NStZ 06, 686)[53].
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d) Die Fassung des § 18, nach der die schwere Folge (hier: der Tod) „wenigstens“ fahrlässig herbeigeführt werden muss, verführt insbesondere bei § 227 zu Fehldeutungen: bei § 227 ist Fahrlässigkeit nicht nur die unterste, sondern zugleich auch die oberste Grenze. Wer bei Zufügung einer vorsätzlichen Misshandlung den Tod des Opfers auch nur billigend in Kauf nimmt, handelt mit bedingtem Vorsatz, der den § 227 zugunsten der §§ 211, 212 zurücktreten lässt.
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e) Mittäter kann auch sein, wer die Körperverletzung nicht eigenhändig ausführt, aber die Tatherrschaft mitträgt (BGH NStZ 94, 339). Zur Haftung des Anstifters im Falle der Begehung des § 227 durch den Haupttäter s. BGH 2, 223 und AT § 51 Rn. 40. Nach der Rechtsprechung kann auch der Exzess des Mittäters voraussehbar sein[54].
f) Im Gegensatz zu § 224 (s.o. Rn. 24 ff.) gibt es hier, da die versuchte Erfolgsqualifizierung zu §§ 211, 212, 22 führt, nur den erfolgsqualifizierten Versuch. Auf das Unmittelbarkeitskriterium verzichtet dabei weitgehend BGH 48, 34 (Gubener Ausländerjagd, s.o. bei Rn. 32).
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g) Strafe: Freiheitsstrafe nicht unter 3 Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von 1–10 Jahren. Ein minder schwerer Fall ist zwingend gegeben bei einer Reizung zum Zorn entsprechend § 213[55]. Die Tat ist nach § 12 Verbrechen. Eine Körperverletzung mit versuchter Herbeiführung der Todesfolge ist allerdings ausgeschlossen: hat der Täter den Todeserfolg in seinen Vorsatz aufgenommen, so haftet er bei Erfolg nach §§ 211, 212, bei Misserfolg nach §§ 211, 212, 22[56]. СКАЧАТЬ