Название: Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1
Автор: Reinhart Maurach
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811492561
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2. Die objektiven Merkmale (Begehungsweise)
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a) Das Merkmal „heimtückisch“ kennzeichnet eine besondere Gefährlichkeit des Angriffs; der Täter überrascht das Opfer in einer hilflosen Lage und hindert es dadurch daran, dem Anschlag zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGH 33, 365; 39, 368; kritisch Otto JR 91, 382). Heimtückisch handelt der Täter, wenn er in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt (BGH 9, 385; 32, 382). Herbeiführung oder Bestärkung der Arg- und Wehrlosigkeit wird nicht vorausgesetzt (BGH 18, 88; NStZ 06, 338).
aa) Arglos ist, wer bei Beginn der Tötungshandlung nicht mit einem Angriff auf sein Leben oder einem erheblichen Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit rechnet (BGH NStZ 93, 341). Nähert sich der Täter dem Opfer in offen feindseliger Haltung, liegt keine Arglosigkeit vor, auch wenn das Opfer keinen Angriff auf sein Leben erwartet (BGH 20, 301)[104]. Entscheidend ist dabei der Beginn des Versuchs (BGH 32, 382 m. Anm. M.K. Meyer JR 86, 133; BGH NJW 91, 1963). Andererseits wird die Arglosigkeit des Opfers noch nicht stets dadurch ausgeschlossen, dass es nur mit einem tätlichen Angriff rechnen muss (BGH GA 67, 244).
Die die Arglosigkeit noch weiter einschränkende Rechtsprechung (BGH 27, 322; zust. Rengier MDR 79, 974) ist von BGH – Gr. Sen. – 30, 113 und BGH 33, 363 zurückgewiesen worden[105]. Nach Beendigung der offenen feindseligen Auseinandersetzung tritt die Arglosigkeit wieder ein (BGH 28, 210; 39, 368: Erschießung eines bereits gestellten Flüchtlings an der Mauer). Andererseits bejaht der BGH in der letzten Zeit einen „Dauerargwohn“ (NJW 06, 1008 m. Anm. Küper JZ 06, 609; NStZ 08, 273).
BGH 48, 207 hat bei der Tötung eines drohenden Erpressers in „normativ orientierter einschränkender Auslegung“ wegen der „Wertungsgleichheit mit dem Notwehrrecht“ eine „Tücke“ und damit eine Arglosigkeit abgelehnt[106]. Das Urteil enthält jedoch in Wahrheit eine Fiktion der Arglosigkeit oder eine Verwirkung des Schutzes durch die Mordvorschrift[107].
bb) Erforderlich ist eine Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit (BGH 19, 321); doch wird die Wehrlosigkeit von der Rechtsprechung auf die starke Einschränkung der natürlichen Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit infolge der Arglosigkeit eingeschränkt (BGH GA 71, 113). Daher ist eine allgemeine Vorsicht und der Schutz durch eine Waffe und Leibwächter unbeachtlich (BGH 18, 87). Hat umgekehrt das Opfer aus Argwohn eine Waffe bei sich, so scheidet selbst bei Unzulänglichkeit Wehrlosigkeit aus (BGH GA 67, 244). Treuherzig erscheint die Ablehnung der Wehrlosigkeit bei „nicht gänzlich aussichtsloser Möglichkeit, auf den Täter verbal einzuwirken“ (BGH NStZ 09, 29 m. abl. Anm. Puppe 208).
cc) Es reicht, dass die Heimtücke in den Vorkehrungen liegt, die der Täter zur Herbeiführung einer günstigen Tötungsmöglichkeit ergreift; lockt der Täter sein Opfer nach einem wohlüberlegten Plan mit Tötungsvorsatz in einen Hinterhalt und tritt er ihm daraus in offen feindlicher Haltung gegenüber, so ist Heimtücke zu bejahen[108], ebenso wenn das Opfer die Gefahr erst so spät erkennt, dass ihm keine Abwehrmöglichkeit bleibt[109]. Das Erfordernis der „Ausnutzung“ der Arg- und Wehrlosigkeit wird von BGH NStZ 84, 507; 85, 216; 87, 173 praktisch aufgegeben. Das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses ist nicht erforderlich (BGH 7, 218), jedoch in der Regel Indiz heimtückischer Begehung[110].
Für Beschränkung der Heimtücke auf „tückisches“ Verhalten i.S. des Missbrauchs sozialpositiver Verhaltensmuster M.-K. Meyer JR 79, 485; Lackner NStZ 81, 349; Spendel JR 83, 272; s.a. BGH 23, 121; 48, 211; NStZ 06, 339. Veh aaO 171 definiert die Heimtücke als Ausdruck der Verschlagenheit, Schmoller ZStW 99, 389 als dem Opfer nicht erkennbare Tatvorbereitung. Eingehend zu alternativen Heimtückekonzeptionen Schneider MK 150 ff.
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dd) Problematisch ist die Heimtücke gegenüber Personen, die konstitutionell arg- und wehrlos sind, nämlich Kleinkinder, Bewusstlose, Schlafende. Die grundsätzliche Bestimmung der Heimtücke als Ausnutzung der Wehr- und Arglosigkeit müsste hier stets zur Bejahung des § 211 führen (so Dreher MDR 70, 248). Der BGH verlangt dagegen mit Recht eine Argwohn- und Verteidigungsfähigkeit des Opfers und verneint sie bei Kleinkindern (BGH 4, 11) und Bewusstlosen[111]. Diese Grundauffassung schränkt der BGH allerdings wieder erheblich ein. Eine Heimtücke durch Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit von schutzbereiten Dritten bleibt möglich (BGH 4, 11; NStZ 08, 93). Ferner soll bereits bei einem drei Wochen alten Kind, wenn ihm ein Schlafmittel zur Vermeidung des Ausspeiens unter die Nahrung gemischt wird, eine „Ausschaltung des natürlichen Abwehrinstinkts“ gegeben sein (BGH 8, 216; krit. auch BVerfGE 45, 266). Ein Schlafender „nimmt die Arglosigkeit in der Regel mit in den Schlaf“ (BGH 23, 121; StV 81, 253; NStZ 07, 524). Mit Recht lehnt der BGH jedoch die Einbeziehung der Ausnutzung der Arglosigkeit schutzbereiter Dritter in Fällen bloßer Hilflosigkeit, z.B. bei Kriegsgefangenen, ab (BGH 18, 38).
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ee) Bei heimtückischer Begehungsweise liegen gelegentlich schuldmindernde Beweggründe vor. Handelt „heimtückisch“ der Vater, der seinen geistig schwerbehinderten 20jährigen Sohn im Schlaf umbringt, um ihn von seinem unglücklichen Leben zu befreien? Kann von Heimtücke die Rede sein, wenn der Ehemann seine schlafende Frau mit in den Tod nimmt, um ihr Not und Schande zu ersparen? Für die in der Wissenschaft h.L. (o. Rn. 25) sind diese Fälle unproblematisch, da die Heimtücke als Indiz einer unwertigen Täterpersönlichkeit hier entfällt. Nach der von der Rechtsprechung und dem Text vertretenen Auffassung ist dieser Weg ungangbar. Eine Lösung bietet die von BGH (Gr.Sen.) 9, 385 gegebene Auslegung des Heimtückebegriffes: Heimtücke verlangt eine dem Opfer feindliche Willensrichtung des Täters, die bei achtenswerten Motiven regelmäßig fehlen wird[112], jedoch – anders als der niedrige Beweggrund (s.o. Rn. 41) – nicht dominant zu sein braucht (BGH NStZ 06, 338). BGH 37, 376 (Tötung von todkranken Patienten auf der Intensivstation aus Mitleid) verlangt eine normative Wertung der Willensrichtung, eine objektive Nachvollziehbarkeit der Wertung des Täters[113]. Sie fehlt bei entgegenstehendem Willen des Opfers (BGH NStZ-RR 00, 327). Bei Fehlen einer feindseligen Willensrichtung führt eine objektiv heimtückische Begehung wegen der Schonung des Opfers sogar zu einem minder schweren Fall nach § 213 (BGH StV 81, 124).
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Schließlich hat die Rechtsprechung bei außergewöhnlichen Umständen, aufgrund derer eine lebenslange Freiheitsstrafe unverhältnismäßig erscheint, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB analog angewendet (BGH 30, 105; s. schon o. Rn. 27). In Betracht kommen Taten, die durch eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motiviert, in großer Verzweiflung, aus tiefem Mitleid oder in gerechtem Zorn aufgrund einer schweren Provokation verübt sind, sowie Taten, die durch einen vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder schwere Kränkungen durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, verursacht sind. Anerkannt wurden: Tötung des Onkels nach Vergewaltigung der Ehefrau mit der Folge eines Scheidungsversuchs und mehrerer Selbstmordversuche, weiteren Beleidigungen und Todesdrohung (BGH СКАЧАТЬ