Название: Eine Reise ins Nichts
Автор: null Rahek
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738025408
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Gustav schloss die Tür und schaute Ramona mahnend an.
„Würdest du bitteschön deinen liebreizenden Körper verhüllen, wenn die netten Nachbarn uns einen Besuch abstatten? Und mache endlich deinen Mund zu, mein kleiner Hasenpups.“
Er reichte ihr den Wein und setzte sich zu ihr ins aufgewühlte Bett, nahm sie von hinten in seine Arme und streichelte ihren warmen Bauch.
„Es war nur ein Brite, der neidvoll seiner Neugier nachging. Wahrscheinlich pflanzen sich die Briten anders fort. Ich meine, die vermehren sich bekanntermaßen ohne Sex und ohne jeden Spaß.“, sagte er lächelnd.
Ramona drehte sich zu ihm um und fragte sehr ungläubig:
„Habe ich etwa laut gestöhnt? Wie konnten die das nebenan hören? Stehen die am Schlüsselloch vor unserer Tür, oder was?“
„Nun, ich würde das auch nicht
stöhnen
nennen, Schatz, aber du hast eine kräftige und durchdringende Stimme, wenn du schreist. Sehr wohlklingend, eigentlich nicht störend. …Manche Menschen stören sich sogar an den Glöckchen zum Weihnachtsabend und andere Menschen stören sich an dem lieblichen Gesang der Engel. Ich hätte gesagt, dass es nicht mehr als ein leises Säuseln war, eine berauschende Sinfonie aus einer weiten Ferne, ans Ohr getragen von süßer Frühlingsluft…“, verkündete er.
„Also habe ich gebrüllt! Warum sagst du es mir nicht? Sinfonie aus weiter Ferne, du Spinner! Als Mann ist es deine Aufgabe mir zu sagen, wenn ich ausnahmsweise mal schreie. Und sage es mir, bevor die Nachbarn aufwachen!“, schimpfte Ramona.
„Jawohl, mein Weihnachtsglöckchen!“
Zeitig standen sie auf und versuchten mit der heißen Dusche die Müdigkeit zu vertreiben. Sie hatten zu wenig geschlafen. Ramona trieb Gustav zur Eile an, denn sie befürchtete ein Zusammentreffen mit ihren Zimmernachbarn.
Um 8 Uhr saßen sie bereits im Auto und fuhren los. Ihre Vertrautheit war in der letzten Nacht gewachsen. Waren sie doch füreinander bestimmt? Egal, denn jetzt waren sie gemeinsam auf der Suche nach einem Geheimnis. Abenteuerlust!
Sie fuhren ohne Pause durch die Alpen. Die grandiose Landschaft zog an ihnen vorbei, ohne eine Beachtung zu finden.
Ramona überkam Müdigkeit. Die Berge, Täler und Straßen verschwanden und machten Platz für Bilder vom vergangenen Abend. Sie sah Gustav, wie er ihren Körper fast kultisch eroberte. Zelebrierte Erotik. Es war ein schöner Traum. Sie sah, wie er plötzlich hoch schreckte und zur Tür rannte, sie öffnete und ein alter Mann ins Zimmer trat.
Gustav verschwand. Sie lag nackt im Bett, unfähig sich zu bekleiden oder wenigstens zu bedecken. Schweigend trat der Alte an ihr Bett und sah sie aufmerksam an. Ängstlich versuchte sie nach Gustav zu rufen, doch kein Laut drang aus ihrer Kehle. Panik und Ohnmacht.
Gustav fuhr sicher das Auto über die Pässe des Gebirges. Neben ihm war Ramona eingenickt. Er lächelte. Was für eine wundervolle Frau sie war. Er hätte sie streicheln wollen, sie in die Arme nehmen und ihren Schlaf bewachen. Doch er lenkte das Fahrzeug und wollte zeitig in Dresden ankommen. Seine Gedanken blieben am letzten Abend hängen. Konnte sein Glück noch größer sein?
Dann entdeckte er im Rückspiegel ein Gesicht. Zuerst nur schwach und schimmernd, doch dann ganz deutlich. Nur eine Täuschung?
Es war das Gesicht eines alten Mannes. Gustav hatte diese traurigen Augen schon gesehen, ... in Florenz. Er hatte den Alten barfüßig durch viele Straßen verfolgt und dann doch verloren.
Ganz sicher saß er in diesem Moment nicht auf dem Rücksitz seines Autos! Er schaute erneut in den Rückspiegel. Gustav konnte plötzlich seinen Blick nicht mehr von diesen traurigen Augen abwenden. Etwas erfasste sein Gemüt. Ein sonderbares Gefühl. Er hatte Mitleid mit der Person, dem diese Augen gehörten.
„Wach auf! Jetzt!“, rief eine Mädchenstimme in seinem Kopf.
Panisch riss er das Lenkrad herum und trat mit aller Kraft auf die Bremsen. Das Auto schleuderte gegen die Leitplanke, ließ Funken sprühen und Reifen quietschen. Ramona erwachte und schrie.
Ihr Fahrzeug war längst von der Fahrbahn geflogen und rutschte vor einem Abgrund an einem knorrigen Baum.
Benommen stiegen beide aus dem zerbeulten Auto, torkelten kurz und ließen sich zu Boden sacken.
„Gustav, bist du eingeschlafen?“, röchelte Ramona.
Vor ihnen lag ein Abhang, steil und schwindelerregend und führte senkrecht hinab ins Tal. Es wäre ein wundervoller Ausblick gewesen.
„Verdammt! Das war knapp!“, sagte Gustav.
„Knapp?“, schimpfe Ramona, „Einen Meter weiter und wir wären noch immer im Flug. Gustav, verdammt, das war nicht knapp, sondern großer Mist!“
Gustav nickte. Sie hatte absolut Recht. Wie konnte er so leichtsinnig sein?
Nachdem sie verschnauft hatten, begutachtete Gustav das zerbeulte Auto. Scheinbar war es noch fahrbereit. Behutsam fuhr er den Wagen rückwärts die Böschung hoch, bis endlich die sichere Straße erreicht war.
Ramona wischte sich die blutige Nase ab. Sie öffnete ihre Bluse und suchte ihren Körper nach Verletzungen ab. Ein roter Bluterguss verriet, wo der Gurt gesessen hatte.
„Scheiße! Tut mir leid!“, hörte sie Gustav wimmern, der dicht neben ihr stand, „Wir machen jetzt regelmäßige Pausen, stündlich!“
Erst am Abend erreichten sie die barocke Stadt Dresden.
„Man nennt diese Stadt auch
Elbflorenz
. Sollte es ein Wink des Schicksals sein?“, bemerkte Gustav. Seit ihrem Unfall waren es seine ersten Worte.
„Bemühe nicht das Schicksal! Es war pures Glück, dass wir nicht in die Tiefe gestürzt sind und noch leben. Hast du eine Idee, wo wir übernachten?“, sagte Ramona erschöpft.
Sie war immer noch unter Schock und ihre Schulter schmerzte.
„Ich kennen einige Leute in Dresden.“, antwortete Gustav, „Wir sollten anfangs versuchen bei meinem Freund Johannes unterzukommen. Er lebt allein, hat eine großräumige Wohnung im Zentrum und er arbeitet, was wirklich Zufall ist, als Restaurator im Schloss Moritzburg.“
Ramona schaute ihn ungläubig an. Er lächelte.
„Stimmt wirklich! Wir haben uns vor vielen Jahren kennengelernt, bei einer Veranstaltung zum Thema:
Öffentlicher Umgang mit Privatsammlungen historischer Kunstwerke
.“, erklärte er. „Johannes ist auch Sammler alter Bücher und er half mir bei der fachgerechten Konservierung einiger Exemplare aus meiner Bibliothek. Er ist nett, hilfsbereit und er wird dir gefallen.“, fügte er hinzu.
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