Das Geld. Emile Zola
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Название: Das Geld

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Rougon-Macquart

isbn: 9783754188484

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СКАЧАТЬ Das ist wie eine andere Welt auf einem anderen Planeten ... Und dann müssen wir wohl auch zugeben, daß die Neugestaltung noch nicht fertig ist, wir suchen noch. Ich finde kaum noch Zeit zum Schlafen und verbringe meine Nächte über diesem Problem. Zum Beispiel steht fest, daß man uns sagen kann: ›Wenn die Dinge sind, wie sie sind, so hat die Logik der menschlichen Handlungen sie dazu gemacht.‹ Was für eine Mühsal bereitet es folglich, den Strom zu seiner Quelle zurückzubringen und in ein anderes Tal umzuleiten! ... Gewiß verdankt die gegenwärtige Gesellschaftsordnung ihre hundert Jahre währende Prosperität dem individualistischen Prinzip, das aus dem Wettbewerb und dem persönlichen Interesse durch eine unaufhörlich erneuerte Fruchtbarkeit der Produktion entsteht. Wird der Kollektivismus je zu dieser Fruchtbarkeit gelangen, und wodurch soll man die Produktivität des Arbeiters anregen, wenn der Gedanke an den Gewinn zerstört ist? Da besteht für mich der Zweifel, die Angst, der schwache Punkt, wo wir uns schlagen müssen, wenn wir wollen, daß der Sozialismus eines Tages den Sieg davonträgt ... Aber wir werden siegen, weil die Gerechtigkeit mit uns ist. Da! Sehen Sie dieses Gebäude vor uns ... Sehen Sie es?«

      »Die Börse?« fragte Saccard. »Ja, natürlich sehe ich sie!«

      »Nun gut! Es wäre dumm, sie in die Luft zu sprengen, weil man sie woanders wieder aufbauen würde ... Allein ich sage Ihnen voraus, daß sie von selber in die Luft fliegen wird, wenn der Staat sie enteignet hat, wenn sie logischerweise die einzige, universale Bank der Nation geworden ist, und dann dient sie vielleicht – wer kann es wissen? – als öffentlicher Speicher für unsere zu großen Reichtümer, als eine jener Kornkammern, in denen unsere Enkel die üppige Fülle für ihre Festtage finden werden!«

      Mit einer weit ausholenden Gebärde erschloß Sigismond diese Zukunft eines allgemeinen Glücks für alle. Und er hatte sich derart in Begeisterung geredet, daß ihn ein neuerlicher Hustenanfall schüttelte. Er war an seinen Tisch zurückgekehrt, stemmte die Ellbogen zwischen seine Papiere und stützte den Kopf in die Hände, um das peinigende Röcheln aus seiner Brust zu ersticken. Aber diesmal gelang es ihm nicht. Plötzlich öffnete sich die Tür, und Busch, der die Méchain verabschiedet hatte, eilte mit bestürzter Miene herbei, als litte er selbst an diesem abscheulichen Husten. Sogleich beugte er sich über seinen Bruder, nahm ihn in seine großen Arme wie ein Kind, dessen Schmerz man einlullt.

      »Aber, aber, mein Kleiner, was hast du bloß, daß du bald erstickst? Du weißt, ich will, daß du einen Arzt kommen läßt. Das ist doch unvernünftig ... Du hast bestimmt zuviel geschwatzt.«

      Und er warf einen schiefen Blick auf Saccard, der mitten im Zimmer stehengeblieben war, sichtlich aufgewühlt von dem, was er soeben aus dem Munde dieses leidenschaftlichen, kranken großen Teufels vernommen hatte, welcher hier oben von seinem Fenster aus mit seinem Gerede, alles hinwegzufegen, um alles wieder aufzubauen, einen Zauberspruch über die Börse murmelte.

      »Danke, ich lasse Sie nun allein«, sagte der Besucher und hatte es eilig, nach draußen zu kommen. »Schicken Sie mir meinen Brief mit den zehn Zeilen der Übersetzung ... Ich erwarte noch mehr, wir regeln dann das Ganze zusammen.«

      Aber da der Anfall vorüber war, hielt ihn Busch noch einen Augenblick zurück.

      »Ach ja, was ich noch sagen wollte, die Dame, die eben hier war, kennt Sie von früher. Oh, es ist schon lange her.«

      »Ach! Woher denn?«

      »Rue de la Harpe, 1852.«

      Sosehr Saccard auch Herr seiner selbst war, er wurde doch blaß. Ein nervöses Zucken verzog ihm den Mund. Zwar erinnerte er sich in dieser Minute keineswegs an das junge Ding, das er auf der Treppe umgelegt hatte. Er wußte nicht einmal, daß sie schwanger geworden war, und er wußte auch nichts von der Existenz des Kindes. Aber die Erinnerung an die elenden Jahre seines Anfangs war ihm immer noch sehr unangenehm.

      »Rue de la Harpe. Oh, dort habe ich nach meiner Ankunft in Paris bloß acht Tage gewohnt, gerade die Zeit, um eine Wohnung zu suchen ... Auf Wiedersehen!«

      »Auf Wiedersehen!« sagte Busch mit Nachdruck; er sah in dieser Verwirrung irrtümlicherweise ein Geständnis und grübelte schon, wie er das Abenteuer am besten ausschlachten könnte.

      Wieder auf der Straße, kehrte Saccard mechanisch auf den Platz vor der Börse zurück. Er zitterte noch am ganzen Leib, und er schaute nicht einmal auf die kleine Frau Conin, deren hübscher Blondkopf lächelnd in der Tür der Papierwarenhandlung zu sehen war. Auf dem Platz hatte die Unruhe zugenommen, der Aufruhr des Börsenspiels tobte mit der entfesselten Gewalt einer Sturmflut gegen die Bürgersteige, die von Leuten wimmelten. Das war das Gebrüll von Viertel vor drei, die Schlacht der letzten Kurse, das rasende Verlangen, zu erfahren, wer mit vollen Händen nach Hause gehen würde. Als er gegenüber der Vorhalle an der Ecke der Rue de la Bourse stand, glaubte er in dem wirren Gedränge unter den Säulen den Baissier38 Moser und den Haussier Pillerault zu erkennen, die sich beide in den Haaren lagen. Und er vermeinte auch, aus dem Hintergrund des großen Saales die helle Stimme des Wechselmaklers Mazaud zu vernehmen, die für Augenblicke die gellenden Rufe Nathansohns übertönte, der unter der Uhr bei der Kulisse saß. Aber ein Wagen, der scharf am Rinnstein entlangfuhr, hätte ihn beinahe bespritzt. Massias sprang heraus, noch ehe der Kutscher angehalten hatte, war mit einem Satz die Stufen hinauf und brachte atemlos die letzte Order eines Kunden.

      Saccard stand immer noch reglos, die Augen auf das Durcheinander da oben geheftet, und käute sein Leben wieder; die Erinnerung an seinen Anfang, die Buschs Frage wieder wachgerufen hatte, peinigte ihn. Er entsann sich der Rue de la Harpe, dann der Rue Saint-Jacques, durch die er auf seinen Eroberungszügen eines Glücksritters seine schiefgelaufenen Stiefel geschleift hatte, er erinnerte sich des Tages, da er in Paris gelandet war, um es sich zu unterwerfen, und von neuem packte ihn die Wut bei dem Gedanken, daß er es sich immer noch nicht unterworfen hatte, daß er erneut auf der Straße lag, unbefriedigt dem Glück auflauerte; ein solcher Hunger nach Genuß quälte ihn, und noch nie hatte er so darunter gelitten. Dieser Narr von Sigismond sagte ganz richtig: Von der Arbeit kann man nicht leben, allein die Elenden und die Dummköpfe arbeiten, um die anderen zu mästen. Es gab nur das Börsenspiel, das Spiel, durch das man auf einen Schlag von heute auf morgen zu Wohlstand, zu Luxus, zum großen Leben, zum Leben überhaupt kommt. Wenn diese alte Gesellschaft eines Tages aus den Fugen ging, sollte ein Mann wie er nicht noch die Zeit und den Platz finden, seine Begierden vor dem Zusammenbruch zu befriedigen?

      Aber da stieß ihn ein Fußgänger an, der sich nicht einmal umdrehte, um sich zu entschuldigen. Er erkannte Gundermann, der seinen kleinen Gesundheitsspaziergang machte; Saccard sah ihn bei einem Konditor eintreten, von dem dieser König des Goldes seinen Enkelinnen manchmal eine Schachtel Bonbons für einen Franc mitbrachte. Und in dieser Minute, bei dem Fieber, das in ihm brannte, seitdem er so die Börse umkreiste, wirkte dieser Stoß mit dem Ellbogen wie ein Peitschenhieb, war er der letzte Anstoß, der seinen Entschluß festigte. Er hatte den Platz eingekreist, nun würde er zum Sturmangriff übergehen. Das war der Schwur eines gnadenlosen Kampfes: er würde Frankreich nicht verlassen, er würde seinem Bruder die Stirn bieten und das Spiel mit dem höchsten Einsatz, eine Schlacht von schrecklicher Kühnheit wagen, bei der er Paris die Fersen auf den Nacken setzen würde oder mit gebrochenem Hals in der Gosse liegen bliebe.

      Bis Börsenschluß blieb Saccard hartnäckig auf seinem Droh- und Beobachtungsposten stehen. Er sah zu, wie sich die Vorhalle leerte, wie sich die Stufen mit all diesen langsam davongehenden, erhitzten und müden Leuten bedeckten. Um ihn herum dauerte das Verkehrschaos auf dem Pflaster und den Bürgersteigen an, riß der Strom der Leute nicht ab, der ewigen Menge, die es auszubeuten galt, der Aktionäre von morgen, die an dieser großen Lotterie der Spekulation nicht vorbeigehen konnten, ohne den Kopf zu wenden aus Furcht vor dem, was hier geschah, und zugleich in dem Verlangen, in das Geheimnis dieser Finanzoperationen einzudringen, das um so verlockender für die französischen Geister war, als nur sehr wenige von ihnen es zu ergründen vermochten.

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