3000 Plattenkritiken. Matthias Wagner
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу 3000 Plattenkritiken - Matthias Wagner страница 40

Название: 3000 Plattenkritiken

Автор: Matthias Wagner

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783741869433

isbn:

СКАЧАТЬ Gitarrenstil war spröde wie der eingetrocknete Rest am Boden eines Tequilaglases und sein Ton so wehmütig, wie es nun mal sein muss bei einem Ungarn, der im amerikanischen Exil leben musste war mit der Puszta im Herzen. Später hieß eins seiner Alben „My Country“: ein trauriger Blick zurück. „The Sorcerer“ aber stand 1967 am Beginn einer Karriere, die ihn zum Jazzstar gemacht hätte, wäre die Welt eine andere und Gabor weniger schüchtern gewesen. Er starb Anfang der 80er als kaum noch Bekannter; wer aber diese lockere Session im Bostoner Jazz Workshop hört, wird verzaubert sein von diesem spröden Zauberer, dessen orientalisch wirkende Harmonik andockt an den psychedelischen Zeitgeist jener Ära. Mit Jimmy Stewart brilliert er gitarristisch, Louis Kabok (b), Marty Morrell (dr) und Hal Gordon (perc) legen das Flair einer leicht futuristischen 60er-Bar kurz vorm Kehraus darunter. Magisch.

      Genesis

      „Calling all Stations” (1997)

      Mike Rutherford und Tony Banks sind höfliche alte Herren. Deshalb ist das Kücken der Band, Ray Wilson (Ex-Stiltskin), auf den Bandfotos groß im Vordergrund. Mit Phil Collins’ Weggang hat sich die Band aus ihrer Erstarrung im gesichtslosen Popmainstream befreit. Nicht, dass sie das Progressive neu definiert, doch sie orientiert sich neu an den glorreichen Jahren mit Peter Gabriel (bis 1975). Auch Wilson hat Gabriel studiert, die Songs haben Länge, Midtempowucht und Pathos. Dennoch klingen die Briten eher nach späten Floyd als nach frühen Genesis, nämlich ziemlich unzeitgemäß. Ganz klar, Progrock ist die am schwierigsten zu reanimierende Leiche auf dem Friedhof toter Genres. Da hilft auch kein Kücken wie Wilson.

      Genf

      „Import/Export” (1997)

      Und es erschien der Geist von Can und sprach: Kreuzet Elektronik und Gitarren und vergesset den Groove nicht, so ist euch die Zukunft des Rock gewiss. Die Kölner Oliver Brand (dr, keyb), Olaf Karnik (g) und Jens Massel (keyb) hörten die Botschaft wohl und taten, wie ihnen geheißen, fügten noch einen anthrazit schimmernden Bass bei, wilderten in Ambient und Indierock – und hier ist er, der verführerische instrumentale Fluss aus analogen und digitalen Quellen, der uns eine Ahnung gibt von der Zukunft. Oder ist sie es schon? Musik wie ein Strudel, und ehe man sich versieht, ist die Nacht um, und niemand weiß, wie sie verging. Ganz klar, das Genre heißt Krautgroove. Und Genf liegen in Führung, noch vor Kreidler.

      Greg Garing

      „Alone” (1997)

      Mit der Stimme einer Countrychanteuse singen zu einer multiplen Rootsmelange, die man alleine anrührte, nachdem man die US-Musikgeschichte verdaut hat wie Quentin Tarantino die Filmhistorie: Das würde ja schon reichen. Aber der New Yorker Greg Garing hat das alles auch noch – mit Fuzz, Fiedeln, Flöten und mehr – fast allein instrumentiert; ein Universalgenie, dem Hank Williams und Roy Orbison im Kopf herumspuken, der irgendwo zwischen Robert Johnson, Prince und Tricky einen einsamen Hobbykeller bezogen hat. „Let me in, let me in“, fordert er im Titelsong, „bring this pain to an end.“ Gut, Greg: Willkommen im Gewusel der Postmoderne; wir brauchen einen wie dich. Und Alben wie dieses, aus denen mehr herausfließt als in sie einging.

      Jerry Alfred & The Medicine Beat

      „Nendää” (1997)

      In der Weltmusik tummeln sich viele Romantiker, die das Edle im Wilden feiern. Alfred ist Indianer, lässt sich vom rosaroten Ethnogetue aber nicht vereinnahmen. Allerdings wagt der Yukon aus Kanada auf seiner zweiten Platte kaum noch das Puristische, nämlich die sonore Klage zur Solotrommel. Doch wenn er E-Gitarren, Akkordeon und Keyboards einbaut, dann folgt das stets seiner musikalischen Vision, und die ist hymnisch und optimistisch. Ein souveräner Künstler, der Westliches nutzt, wenn es seiner Kunst nützt. Auf dem neuen Genresampler „Shaman“ ist er natürlich auch drauf, gemeinsam mit indiophilen Acts wie Tulku oder Raindance, alle allerdings vom Labelchef Oliver Shanti für unsere Ohren harmonisiert.

      Jhana

      „Sentient Being” (1997)

      Sittenspiegel Pop: In den 60ern saßen Pärchen mit Westerngitarre im Gras und sangen von Blümchen im Haar. Ganz anders die 90er und somit auch Stephanie Soma (sic!) alias Jhana: Sie sind so unverblümt, als könne ein „fuck“ im Zeitalter der „Hausfrauen betreiben SM“-Talkshows noch Tabus brechen. Aber wie das so ist: Hinter der Vulgärschnauze (parental guidance!) verbirgt sich eine verletzliche Seele auf der Suche nach Zärtlichkeit statt rüder Rammelei: „Say something sexy he said/and make it dirty it’s better/He closed his eyes instead/watch the pornography inside his head“. So ist das Album nur auf den ersten Blick so, wie sich manche Zeitgeistmagazine den Sex der 90er vorstellen, nämlich schräg, tabulos, konfus, kalt. Also eher unbefriedigend? Kommt ganz auf Ihre Neigung an.

      Jocelyn B. Smith

      „Live in Berlin” (1997)

      Die New Yorker Soulsängerin ist in Berlin weltberühmt, vor allem im Quasimodo-Club, wo diese Live-CD entstand. In der Restrepublik kennt man ihre Stimme: Sie sang im Film „König der Löwen“ den Titelsong vom „Ewigen Kreis“. Smith röhrt sich im Beisein von Chor und Schweineorgel durch Eigenes und Fremdes, versenkt sich episch in „Have you ever seen the Rain“ und lässt, als Köder für die Massen, dem Pop im Soul viel Raum. Manchmal will sie zu viel, und dann geht es schief. Die Schnulze „When I need you“ missrät ihr zum Vibratopomp im Whitney-Houston-Stil. Macht nichts: Sie wird trotzdem ihren Weg machen.

      Laika

      „Sounds of the Satellites” (1997)

      Die Musik der britischen Programmierer und Komponisten Guy Fixsen und Margaret Fiedler gleitet wie eine Schlange durch metallische Ödnis. Laikas Songs sind von solch flinker sequenzieller Monotonie, dass sie uns ihre innere Wandlung gleichsam subkutan verabreichen. Mitten im kalten Rhythmusfluss kauert die Stimme von Margaret Fiedler, eine Verkörperung von Restwärme und jenen fernen Tagen, als Menschen noch im Mondlicht anbandelten, ohne von den Argusaugen der Satelliten fixiert zu werden. Fiedler ist für Laika, was Martina für Tricky ist: menschliche Komponente in unmenschlicher Umgebung. Wie die Hündin Laika, das erste irdische Wesen im Orbit: geborgen im Kokon des Sputniks und doch rettungslos verloren ans Weltall. Das Album verklingt mit Laikas Herzschlägen, die damals zur Erde gefunkt wurden. Es sind die erschütterndsten Klänge, die man sich denken kann.

      Leo Kottke

      „Standing in my Shoes” (1997)

      Manche Stücke folgen einem Komponisten ein Künstlerleben lang. Für Leo Kottke, den Gitarristen mit den magischen Fingern und der Stimme „wie ein Gänsefurz“ (John Fahey), ist „Vaseline Machine Gun“ so eins. Das Wunder seiner Hände, ihre Geschwindigkeit, ihr messerscharfes Picking: Nirgendwo in seinem Werk findet es sich reiner, atemberaubender als in den drei Minuten dieses Songs, der nun, mit voller Berechtigung, auf seinem 24. Album zurückkehrt – aber langsamer, bedächtiger. Wie eh und je dauert das Album keine 40 Minuten, Kottke pfeift auf die Aufgeblasenheit der CD-Ära, duettiert dagegen mit dem Meister der Nashville-Gitarre, Chet Atkins. Eine grundsolide CD, die die Welt nicht ändern wird, aber sie ein klein wenig reicher macht.

      Manuel Göttsching

      „Dream & Desire” (1997)

      Das СКАЧАТЬ