Bunte Zeiten - 1980 etc.. Stefan Koenig
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Название: Bunte Zeiten - 1980 etc.

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783750213982

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СКАЧАТЬ und sich an ihren Vergnügungen beteiligte. „Diese Jugend! Diese amerikanische Großstadtjugend!“, dachte ich und fühlte mich mit einem Mal so schrecklich erwachsen. Dann dämmerte es mir – denn hieß »erwachsen« nicht »Mangel an Offenheit für die Unbefangenheit der jungen Jahre«? Plötzlich spürte ich eine zarte Flosse auf meinem Schenkel. Es war Mary. „Join me in the sauna.“

      Wir stiegen aus dem Wasser und ich folgte ihr brav und bedenkenlos in die 60-Grad-Sauna. Kaum waren wir alleine, fiel sie mir um den Hals und knutschte mich von oben bis unten ab. Sie war fast unten, hatte mit ihrer Zunge meinen Bauchnabel gerade hinter sich gelassen, als ich wieder an Siu denken musste. In meinem verwirrten Zustand haute ich in Erinnerung eines Beatle-Songs einen verrückten Satz raus: „Let it be!“ – was in meinem spontanen Lübke-Englisch eigentlich „Lass es sein!“ heißen sollte. Tatsächlich aber bedeutete es eher »Toleriere es« oder »Nimm es hin« oder wie im besagten Song: »Nimm es dir nicht so zu Herzen«.

      Sie sah kurz zu mir auf, erster Augenaufschlag, verführerisches Lächeln, zweiter Augenaufschlag, dann kniete sie sich neben mir hin, reckte mir ihren Po entgegen, spreizte ihre Beine, feuchtete ihre Hand mit der Zunge an, steckte sie zwischen ihre Beine und forderte mich auf: „Come on, German. It’s your turn. Do it. I would like it. It’s time for love.“

      „I’m very sorry. It’s too hot. You are very hot. The sauna is very hot, but I‘m not able to be hot. My heart belongs to Siu. I hope you are not … you are not … äh …”

      “You mean disappointed?”

      “Yes, disappointed.” Genau, das war das Wort für »enttäuscht«.

      “I’m so disappointed. But I hope you’ll change your mind in the foreseeable future.”

      Ich war für’s Erste gerettet. Ihre Enttäuschung hielt sich offenbar in Grenzen. Sie hoffte auf eine »absehbare Zeit«. Aber was meinte Mary mit ihrer Hoffnung auf eine Meinungsänderung? Das war doch eine Sache des Gefühls, eine Sache des Herzens und nicht Sache irgendeiner Meinung. Dachte sie, man könne mehreren Göttinnen dienen? Das erinnerte mich an unsere frühe Jugendphase mit der einhergehenden sexuellen Revolution – damals, in den Jahren zwischen 1967 und 1970, jener angestrebten Freizügigkeit ohne Eifersucht. Es erinnerte an unsere Ideen von freier Liebe, von abwechslungsreichen und doch intensiven Partnerschaften. Was war uns Treue damals wert? Und was war sie mir heute wert? Siu war so präsent. Ich würde sie noch heute Abend anrufen.

      Als nächstes, während mir der Saunaschweiß in kleinen einzelnen Bächen durch die Brustbehaarung rann, um sich im Nabel zu vereinigen, dachte ich an Tommis Witzelei, als er uns in der Clausewitz-WG über seine Jura-Prüfung berichtet hatte:

      „Beim Examen wird der angehende Jurist gefragt: »Was ist die Höchststrafe für Bigamie?«

      Erwidert der Prüfling: »Zwei Schwiegermütter!«

      Ja, deshalb also hatte wohl Karl Marx sich nur auf seine einzigartige Jenny konzentriert!“

      Wir hatten gelacht, natürlich auf Kosten aller Schwiegermütter, weltweit. Und Tommis Freundin Rosi hatte gemeint: „Schwiegermütter aller Länder, vereinigt euch!“

      Tommi, unser guter Ex-Postler und jetzt nur noch Gelegenheits-Postmensch, der mit seinen fortschrittlichen Attitüden die Postgewerkschaft in Westberlin auf Vordermann gebracht hatte, war auf dem Weg zu einem sehr brauchbaren Advokaten.

      Er hatte mir versprochen, mich per Briefpost über die politische Entwicklung in good old Germany auf dem Laufenden zu halten. So erreichte mich Ende August die Nachricht, dass sich erstmals die beiden evangelischen Kirchen der BRD und der DDR mit einem »Wort zum Frieden« in einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt hatten. „Anlass ist der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor 40 Jahren am 1. September 1939“, schrieb Tommi.

       (Noch einmal 40 Jahre später las ich in der Biografie über die Kanzlerin »Das erste Leben der Angela M.«, ihr Vater, Horst Kasner, habe am »Wort zum Frieden« an führender Stelle als Vertreter der Christlichen Friedenskonferenz mitgewirkt. Er verstand sich als Christ, der zwischen den christlichen und den sozialistischen Wertvorstellungen keine gravierenden Unterschiede sah.)

      An jenem Abend, nachdem ich diesen außergewöhnlich heißen Saunagang hinter mich gebracht hatte, hatte ich das dringende Bedürfnis, mit Siu zu sprechen. Ich rief sie an. Sie nahm sofort das Gespräch an, was ich erleichtert aufnahm, da ich bereits – wie in der Woche zuvor – mit einem ergebnislosen Klingelmarathon gerechnet hatte. Sie hatte sich so verdächtig rar gemacht.

      Jetzt aber fiel sie mit der Tür ins Haus.

      „Ich glaube, du kannst nicht treu sein. Du bist ein Filou. Hast du eine andere Freundin?“

      Einen kurzen Moment war ich baff. Hatte jemand aus dem Saunakreis meine Siu angerufen und eine Falschmeldung platziert? Das konnte nicht sein. Niemand außer mir hatte Sius Telefonnummer.

      „Wie kommst du darauf?“, fragte ich entrüstet.

      „Du bist ein Filou.“

      „Was meinst du damit?“ Ich ahnte, dass sie – aus welchem Grund auch immer – gerade in Eifersucht gefangen war. Sie konnte sich gut in diese Sucht hineinsteigern. Die nichtigsten Anlässe waren ihr recht, um ihr Suchtpotenzial auszutoben. Aber nun wollte ich schon ganz gerne wissen, was der Anlass war.

      „Was ich meine? Dass du immer untreu sein wirst“, sagte sie.

      Ich war sprachlos.

      „Ja“, fuhr sie fort, „du kannst dazu nichts. Du bist halt wie alle Europäer.“ Ihre Stimme klang plötzlich nicht mehr lieblich und weich, und ich hörte kein Kichern und Lächeln heraus. Es klang kalt und abweisend. „Ihr denkt immer nur an andere Frauen. Ich glaube aus uns beiden wird nichts. Es ist besser, wenn wir Schluss machen. Gehe deinen Weg. Tschüss. Mach‘s gut.“

      Siu legte auf. Ein Knacken in der Leitung. Das abrupte Ende einer facettenreichen Beziehung.

      Ich war derart aufgekratzt, dass mir nichts anderes einfiel, als bei meinen Nachbarn zu klingeln.

      Vicky öffnete.

      „Did someone of you call Siu this evening or in the last days?”

      “I didn’t”, sagte Vicky und ging mir voran in den Wohnraum, wo Mary, Sam und James saßen. Keiner von ihnen hatte jemals mit Siu telefoniert; niemand kannte ihre Telefonnummer. Wie sie mir versicherten, hätte auch niemand hinter meinem Rücken je so gehandelt. Sie wollten wissen, was vorgefallen sei. Ich erzählte den eben in drei schäbigen Telefon-Minuten erlebten Beziehungsschluss.

      Vicky schaute zu Mary. Beide schauten zu Sam und als er nickte, brach es aus Vicky heraus. Sie und Mary hatten Siu mit einem braunhäutigen athletischen Schönling Arm in Arm als verliebtes Pärchen in Sausalito, jenseits der Golden Gate Bridge, gesehen, als sie in einem Café saßen und Siu mit ihrem neuen Lover dort vorbeispazierte.

      „Are you sure it was Siu?“, fragte ich mit gewissem Entsetzen in der Stimme.

      Sie sahen mich ernst an.

      „Ganz, ganz sicher“, antwortete Vicky. „Wir sahen sie sogar ein zweites Mal, als beide vor der Tür standen und überlegten, ob sie das Café betreten sollten.“

      „Warum habt ihr mir das nicht erzählt?“ Ich ahnte jetzt, weshalb Mary zuvor so draufgängerisch СКАЧАТЬ