Название: Der Pferdestricker
Автор: Thomas Hölscher
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783750219397
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1.3.2000
Das mit Berlin hat hier nirgendwo in der Zeitung gestanden. Ich weiß nicht so recht, ob ich darüber froh oder enttäuscht sein soll. Das mit der Nutte muss ich unbedingt noch einmal machen. Im Augenblick bin ich dabei, mich nach geeigneten Gelegenheiten hier im Ruhrgebiet umzusehen. Ich kann dafür schließlich nicht jedes Mal nach Berlin fahren.
14.5.2000
Heute ist etwas Seltsames passiert. Ich bin völlig ziellos durch die Gegend gefahren. In Kirchhellen bin ich, ohne es zu wollen, plötzlich auf dem Parkplatz von Warner Brothers’ Movie World gelandet. Die Parkplätze waren völlig überfüllt, und ich habe die Leute verachtet, die ganz offensichtlich nur noch die Bilder im Kopf haben, die Hollywood ihnen präsentiert. Neben diesem perversen Vergnügungspark (schon dieses Wort!) liegt Schloss Beck, ein kleinerer Park mit ein paar Kinderkarussells und Buden. Vom Zaun aus habe ich hineingeschaut. Da war eine Ponyreitbahn, ein Rund, durch das zwei Mädchen die Pferde mit den Kindern geführt haben. Dann kam ein Junge, er war vielleicht 16 oder 17 Jahre alt, und sofort habe ich gemerkt, dass er etwas von den Mädchen wollte. Für sein Alter sah der Kerl ganz gut aus, er hatte fast gar keine Pickel und wegen der Hitze trug er nur ein T-Shirt und eine Turnhose. Als der Rummel einmal etwas nachließ, setzte sich der Typ plötzlich auf das hinterste und kleinste der Ponys. Die dummen Gänse protestierten zwar, aber irgendwie hatte man sofort das Gefühl, dass sie gar nicht meinten, was sie sagten, sondern hätten genau auf das gewartet, was der Junge tat. Außerdem war das ein Kerl, der sich ganz offensichtlich durchsetzen konnte und sich um das Geschnatter dieser blöden Gänse ohnehin nicht scherte. (Das Wort „durchsetzen“ ist seltsam in diesem Zusammenhang.)
Es war wirklich ein sehr kleines Pony, und der lange Kerl saß darauf wie auf einem Schemel: die Füße auf dem Boden, die Beine angewinkelt, und das Gewicht seines Körpers auf dem Tierrücken. Irgendwie geht mir dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf.
10.6.2000
Schon mehrfach habe ich von dem Jungen aus dem Vergnügungspark geträumt. Wenn ich dann wach wurde, musste ich onanieren. Ich habe den Kerl schräg von hinten gesehen, und deutlich waren die Konturen seiner Arschbacken auf dem Tier zu sehen. Einmal hat er sich auf dem Hals des Tieres abgestützt, die Beine ganz angewinkelt, und sein gesamtes Gewicht von dem Tier tragen lassen. Ich weiß auch nicht warum, aber einen solchen Arsch kann niemand ficken. Natürlich habe ich den Kerl noch einmal sehen wollen und bin noch mehrfach nach Kirchhellen gefahren; aber wochentags ist dort gar nichts los, und an den beiden letzten Sonntagen war er nicht da. Ich möchte den Kerl fragen, ob es ihm Spaß gemacht hat. (Leider habe ich ihn nicht von vorn gesehen; dann hätte sich die Frage vielleicht erübrigt!)
Ich habe mittlerweile stundenlang neben dem Zaun gestanden und habe Angst, dort aufzufallen. Das will ich auf gar keinen Fall. In meinen Träumen hat es dem Kerl auf jeden Fall Spaß gemacht. Wenn ich ihm im Traum zwischen die Oberschenkel schaue, kann man nämlich sehen, dass es ihm Spaß macht.
11.6.2000
Warum hat der Junge einen Ständer, wenn er auf dem Tier sitzt? Er empfindet das gleiche, was ich empfinde, wenn Klaus oder die Nutte vor mir auf dem Boden knien. Es muss einfach geil sein, auf so einem Tier zu sitzen. (Ob der Junge auch zu den Nutten in Berlin gehen würde? Ich gehe immer mehr davon aus, dass er seine Sache dort sehr gut machen würde. Besser auf jeden Fall als ich. Den BH habe ich weggeworfen. Dass sich dieser Kerl mit jemandem wie Klaus abgibt, ist einfach unvorstellbar. Es sei denn, er hätte auch Bock, diesen Kerl umzulegen.)
15.6.2000
Pferde sind wirklich die unterwürfigsten Wesen, die diese Erde hervorgebracht hat. Seit Tagen schon beschäftige ich mich nur noch mit Pferden.
Grauenhaft finde ich diese überzüchteten Wesen, die halbe Elefanten sind und ganze Wagen durch die Gegend ziehen. Noch schlimmer sind die perversen Viecher, die mit einer Mücke von Mensch auf dem Rücken auf ein Signal hin durch die Gegend rennen, als sei der Teufel hinter ihnen her, und alles das nur, weil ein paar Verrückte eine Menge Geld auf ihren Sieg oder ihre Niederlage gesetzt haben. Auf all diesen Biestern hätte der Kerl aus dem Vergnügungspark ausgesehen wie ein Floh.
Der war aber kein Floh.
Am schlimmsten sind die Biester, auf denen irgendein dummes Arschloch seine soziale Position durch die Gegend tragen lässt. Die findet man auch hier zuhauf, vor allem am Wochenende. Dann kommen sie mit ihren Pferdeanhängern und lassen sich im teuren Reiterdress durch die Gegend tragen. Widerlich!
Mich interessieren nur die Tiere, die uns erlauben, die Zeit zurückzudrehen bis zu dem Zeitpunkt, als zum ersten Mal ein Mensch auf die naheliegende Idee kam, dieses unterwürfige Wesen für sich arbeiten zu lassen, es für seinen Spaß zu gebrauchen und sich auf dessen Rücken setzte. Das war kein Arbeitstier und auch kein Rennpferd: Das war ein zu friedliches und zu gutmütiges Wesen, wenig größer als wir, das ganz einfach die Schlechtigkeit des Menschen nicht erkannt hatte. Also ein dummes Wesen, das selber die Schuld trägt für das, was dann mit ihm passierte. (Der Ausdruck „die Schuld tragen“ passt in diesem Zusammenhang wirklich sehr gut!)
Zunächst hat es mich gestört, dass diese Tiere ganz offensichtlich eine Art Lieblingsbeschäftigung für kleine Mädchen sind. Aber das habe ich schon überwunden. Die kleinen Gänse sehen in diesen Tieren lediglich Wesen, die sie streicheln, verwöhnen und lieb haben können. Ich habe damit etwas anderes vor. Etwas ganz anderes. Etwas, das nur Männer tun können. (Schwule auch? Interessante Frage. Ich weiß es wirklich nicht. Aber eigentlich glaube ich es nicht. Nein, Schwule können es nicht! Schwule können das definitiv nicht. Schwule sind gar keine Männer. Schwule sind eher wie die Pferde: Dumm und blauäugig und damit selber Schuld an dem, was man mit ihnen macht.)
2.7.2000
Endlich habe ich gefunden, was ich suche. Es ist schon verrückt: Manchmal fährt man tagelang suchend durch die Gegend und findet nichts, und plötzlich erledigt sich alles wie von selbst. Dieser reiche Sack hat vor seinem Haus ein Tier stehen, das genau meinen Vorstellungen entspricht. Ich kann jetzt nicht weiterschreiben. Ilona heiratet übermorgen, und heute Abend spielen sie unten Polterabend. Ich muss nach unten gehen, sonst kommen sie gleich noch und holen mich.
Ich hasse diese spießbürgerlichen Rituale, aber noch mehr hasse ich den Ärger, den man sich einhandelt, wenn man sich ihnen entziehen will. Das ist einfach Verschwendung von Energie. Und ich habe nun Wichtigeres zu tun.
Gregor hat mich heute an der Uni gefragt, ob ich das Wort Pollack eigentlich noch als Beleidigung empfinde. Natürlich hat er das nur getan, um mich zu ärgern; aber ich weiß mich dann nie zu wehren. Ich war nie ein Pollack und werde nie einer sein!
9.7.2000
In den letzten Tagen habe ich stundenlang im Gebüsch gesessen und das Tier beobachtet. Das alles ist sehr mühsam, weil ich nicht wage, mit dem Auto dorthin zu fahren. Das wäre viel zu gefährlich. Ich gehe zu Fuß und muss das letzte Stück querfeldein laufen. Die permanenten Fragen gehen mir gegen die Natur. Wo willst du denn jetzt noch hingehen? Wo bist du eigentlich jeden Abend? Was soll man darauf schon sagen?
Dieses Tier ist wirklich perfekt. Es ist schneeweiß, sein Fell ist so kurz, dass man auf die Haut des Tieres sehen kann, und von der Größe und Statur entspricht es genau meinen Vorstellungen. Es ist feingliedrig, fast grazil (seltsames Wort, aber es trifft zu). Außerdem hat es etwas geradezu Laszives, als wolle es auch noch herausfordern, was ich mit ihm vorhabe. СКАЧАТЬ