Название: Nächster Halt: Darjeeling-Hauptbahnhof
Автор: Christoph Kessel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783745004892
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In Guerero Negro, mitten in der Wüste, machte ich Halt für die Nacht. Guerero Negro war ein typisches mexikanisches Straßenkaff. Ich brauchte absolut keinen Stadtplan. Alles Wichtige für den Reisenden wie Taquerias, Hotels, Busstation und Internetcafé war in Reih und Glied an der Straße entlang zu finden. Was mich auf der Baja verwunderte, war die Tatsache, dass ich überall auf einen Campingplatz stieß. Allerdings waren diese für die amerikanischen Touristen ausgelegt. Da in Amerika alles groß ist, sind auch die Wohnmobile, mit denen die Amerikaner auf der Baja einrücken und in ihrer Heimat quer durch die Nation fahren, überdimensioniert. Die Bezeichnung »RV« steht eigentlich für »Recreational Vehicle«. Ich würde es eher als »Richtig Verrückt« bezeichnen, schließlich haben diese Dinger die folgenden Maximalmaße: Höhe 4,10 Meter, Breite 2,60 Meter und in den drei Dimensionen Länge mal Breite mal Höhe bis zu 21 Meter. Meist war an das »RV« noch ein Auto drangehängt, das in den Maßen nicht inbegriffen ist. So durfte ich für ein paar Dollar zwischen diesen Monstren die Nacht verbringen.
Natürlich wollte ich die Baja nicht nur mit dem Bus durchreisen, sondern auch einmal »pur« erleben. So war ich wieder mit einem Fahrrad, dieses Mal der Marke Trek unterwegs. Das Rad würde ich einmal mehr in »Dreck« umtaufen, da sich die Schaltung in einem äußerst desolaten Zustand befand. So sah ich schon die nächste Panne auf mich zukommen, nachdem mir letzte Woche in San Francisco mitten in der unberührten Natur ein Reifen geplatzt war. Die Verleiher gaben mir wie in San Francisco einen Ersatzschlauch mit auf die Fahrt. Wahrscheinlich hatten sie Mitleid mit mir und wollten mich nicht mit einer Reifenpanne in der Wüste verrecken lassen. Der Zustand des Rads war am Ende noch das geringste Problem. Die Piste hatte den Namen Piste überhaupt nicht verdient, war es doch einfach ein breiter Trampelpfad durch tiefen Sand, über Felsen und durch Kies mit Steigungen von bis zu 15 Prozent. So gab ich mein Tagesziel, ein Kloster in den Bergen, ziemlich schnell auf. Dummerweise hatte ich aber damit gerechnet, dass ich leicht dorthin käme und hatte daher kein Essen dabei. Wenigstens besaß ich vier Liter Wasser. Das konnte ich auch gut gebrauchen, schließlich war es sehr heiß. Das Wasser, das ich beim Trinken verschüttete, verdampfte beim Aufkommen auf den Steinen. Nach vier Stunden Rad fahren hatte ich vielleicht 35 Kilometer zurückgelegt und feststellen müssen, dass es in der Wüste keine Taquerias gab. Da half nur noch Kaugummi essen. Diesen hatte ich in Neufundland als Geschenk beim Kauf eines Kaffees und eines Muffins bekommen. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Kaugummi mir einmal so aus der Patsche helfen würde. Er war das Letzte, was ich bei mir hatte, und er stopfte den Magen. So hatte ich wenigstens kein Hungergefühl mehr. Die Geier kreisten bereits über mir, aber die Situation war halb so schlimm, weil ich ja wusste, dass ich vier Stunden später wieder etwas zu essen bekommen, und ein Taco-Verkäufer sehr reich werden würde. Wenigstens musste ich mir um einen Sonnenbrand keine Sorgen machen. Es war so staubig und sandig, dass ich gut paniert nach Hause kam und sich keine Stelle auf der Haut gerötet hatte. So konnte ich die Kakteenwüste und die Oase mit ihren Palmen und blühenden Blumen mitten in der Einöde doch genießen.
Aber auch an der Küste gab es einiges zu bestaunen. Die Pelikane auf der Baja machten es den Klippen-Springern von Accapulco nach. Vor dem kamerabehängten Touristen posierend kamen sie in den Hafen geflogen und stürzten sich vor mir plötzlich kopfüber ins Wasser, um fischen zu gehen. Einige dieser Vögel waren wirklich verrückt. Sie tauchten zwischen den Booten ins Wasser und manchmal stießen sie auch mit dem Nachbarvogel zusammen. Es gibt halt nicht nur bescheuerte Menschen. Aber bescheuerte Menschen gibt es anscheinend dafür überall. Bei der Fahrt an den südöstlichsten Zipfel der Baja California war ich doch tatsächlich im Touristenhauptquartier gelandet. Der Ort Cabo San Lucas steht El Arenal auf Mallorca sicher in Sachen Betten-Burgen und Alkoholkonsum in nichts nach, mit dem kleinen Unterschied, dass die Amerikaner wahrscheinlich weniger vertragen als ihre deutschen Genossen auf Mallorca. Schließlich sind die Amerikaner das »Flavoured Water« von zu Hause gewöhnt. Ein Amerikaner, den ich in San Diego traf, zog folgenden banalen, aber sicherlich nicht völlig falschen Vergleich. Die Amerikaner, die auf die Baja fliegen, haben nur das Saufen im Sinn. Die Deutschen, die hierher kommen, sind eher an der Kultur oder der Natur des Landes interessiert. Die Deutschen, die nach Mallorca fliegen, sind nur am Saufen interessiert. Die Amerikaner, die nach Spanien reisen, sind eher an der Kultur oder an der Natur des Landes interessiert.
In Mexiko bekam ich wie in den USA auch noch etwas vom Wahlkampf mit. Es existierten wieder keine Wahlplakate. Die Werbung lief anders ab. Ganze Häuserwände bekamen einen neuen Glanz mit gemalten Wahlslogans. Diese bleiben später als Anstrich auch nach der Wahl sichtbar. Die Wahl in Mexiko fand im Februar 2002 statt, also vor neun Monaten. Aber auch für Corona und die berühmte klebrige amerikanische Brause werden ganze Häuserzeilen frisch bemalt. Wenn ein Fest ansteht, muss wieder eine Häuserwand gefunden werden, die einen neuen Anstrich gebrauchen kann. Dadurch sahen viele Dörfer wie ein kunterbuntes Mosaik aus. Da es in Mexiko früher anscheinend auch wenig Straßenschilder gab, fand ich in manchen Städtchen doch tatsächlich Sponsoren. In Todos Santos beispielsweise waren alle Straßennamen von Corona gesponsert. Dem üblichen Straßennamen folgte im Schild noch der Zusatz Corona und das dazugehörige Logo der Biermarke.
Schließlich hieß es »¡Adios Baja California y bienvenidos Sinaloa!« Sinaloa war für mich der erste Bundesstaat auf dem mexikanischen Festland, den ich mit dem Katamaran von La Paz aus erreichte. Die Überfahrt war angenehm unspektakulär. Das Gepäck wurde wie bei einem Flug eingecheckt, in Container verladen und mittels Kran aufs Schiff verfrachtet. So weit so gut. Da ich noch nicht genau weiß, wie meine Reise nun weitergeht, werde ich mich jetzt daran machen, zu schauen, was so möglich ist.
Tequila und Wendekreise
Etappe: Von Los Mochis, México 26° Nord 109° West (GMT-7) nach Taxco, México 19° Nord 100° West (GMT-6): 2.600 km – Total 29.836 km
Taxco, 14. November 2002
Mittlerweile hatte ich mich in Mexiko richtig eingelebt. Das Land hat seit meinem ersten Besuch 1995 eine rasante Entwicklung hinter sich. Manchmal habe ich das Gefühl, Mexiko verbindet eine Art »Hassliebe« mit den USA. Eigentlich mag man seine meist nur englisch sprechenden Bewohner nicht, andererseits ist man auf den »American Way of Life« neidisch und versucht diesen zu kopieren, was meist mehr schlecht als recht funktioniert. Glücklicherweise verebbte dieser Eindruck langsam bei mir, je weiter ich nach Süden unterwegs war, und Mexiko bleibt an vielen Stellen doch noch Mexiko.
Die Überfahrt von der Baja California nach Topolobampo führte durch die Cortés See, einem Teil des Pazifiks. Der Name Cortés steht in der Weltgeschichte für eines der größten und fatalsten Missverständnisse. Nachdem Christoph Kolumbus 1492 die Insel Hispaniola entdeckt hatte, versuchten die Spanier erneut den Seeweg nach Indien weiter westlich zu entdecken. 1519 landete der spanische Kolonialist Hernan Cortés im heutigen Mexiko, genauer gesagt an der Karibik-Küste im Bundesstaat Tabasco. Dem damaligen Azteken-König Montezuma II. wurde berichtet, dass Türme auf dem Wasser an die Küste heranschwammen. Gemäß dem Azteken-Kalender erwartete man im Aztekenreich 1519 die Rückkehr des Gottkönigs Quetzalcoatl aus dem Osten. Daher nahm Montezuma fälschlicherweise an, Cortés sei Quetzalcoatl und lud ihn nach Tenochtitlan, in die alte Azteken-Hauptstadt, ein. Die 400 Spanier um Cortés siedelten in Tenochtitlan, doch leider blieb es nicht beim friedlichen Zusammenleben. Die Spanier hatten Angst, von den Azteken umgebracht zu werden und töteten daher selbst ca. 200 Adlige. Das nun sicher zu erwartende Gemetzel sollte auf Druck von Cortés durch Einreden Montezumas auf die Azteken vermieden werden. Doch Montezuma selbst wurde entweder von Azteken oder Spaniern umgebracht, und die Spanier flohen am 30. Juni 1520. Sie kamen allerdings später mit etwa 100.000 alliierten Indianern zurück, die von den Azteken damals unterdrückt СКАЧАТЬ