Название: Fremd- oder Selbstbestimmung?
Автор: Frank Föder
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9783742719133
isbn:
Doch von Anbeginn an verstanden es die Befürworter der neuen Einrichtung, die Überzeugung wachzurufen, als sei allein dieses Gebilde imstande, das Verlangen nach Frieden, nach Sicherheit vor Krieg zu befriedigen. Die Methode, einen Verdruß zu erzeugen und zugleich auf dessen Beseitigung das Monopol zu erwirken, ist offensichtlich schon früh erfunden worden.
Dennoch konnte diese Einrichtung Jahrhunderte überdauern. Die Unstimmigkeit wurde ihr nicht und wird ihr noch heute nicht verargt, wo Schild und Schwert zu Killerdrohnen sich gemausert haben. Das erinnert unwillkürlich an Platons Höhlengleichnis. Der Mensch weigert sich, Realitäten wahrzunehmen, die dem widersprechen, an das er – absichtsvoll – gewöhnt worden ist.
Nach Heraklit ist Krieg aller Dinge Vater, aller Dinge König.
Unverkennbar schaffen Waffengänge Veränderungen. Nachdem sich der Pulverdampf verzogen hat, sieht die Welt anders aus. Unter den Umgestaltungen, das läßt sich nicht bestreiten, waren ehemals auch solche, die für den Sieger und dessen Untertanen einen Vorteil erbrachten - wenn man denn sozialen oder ökonomischen Nutzen gegen Tod und Verderben aufwiegen kann. Und er regt den Geist an: Hat der Krieg das Rad erfunden? Vom Heldentum ganz zu schweigen. Heraklit: „Die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien“.
Die Gegenwart aber läßt davon nichts mehr übrig. Was seinen Nutzen anbelangt, kann kein moderner Krieg ihn gegen den Schaden aufwiegen, den er verursacht. Überdies hat die Sache eine Wendung ins Irrwitzige genommen. Militärischer Erfolg nämlich hängt neuerdings nicht mehr von der Genialität der Generäle ab oder der Tapferkeit der Truppe, sondern von technischen Gegebenheiten. Das Kriegsgeschehen ist völlig aus den Fugen geraten. Es begann mit der Kernspaltung und explodiert jetzt mit der Digitalisierung. Das Menschliche ist aus dem Krieg völlig entschwunden.
Die Hochrüstung der großen Staaten ist so weit gediehen, daß Krieg unter ihnen seine Denkbarkeit verloren hat. Zum einen ist die Explosionskraft der Sprengköpfe so gewaltig geworden, daß, sollte der Inhalt der Arsenale in Gebrauch kommen, auf der Erde kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Zum anderen sind die Einsatzmittel neuerdings von einer Art, die sie der menschlichen Einflußnahme weitgehend entzieht. Nachdem der Krieg eröffnet worden ist, können die Generäle Golf spielen gehen. Was auf dem Feld geschieht, bestimmt allein das Instrumentarium. Da gehen nur noch Automaten auf einander los, bis auch ihnen der Input ausgeht. Der Krieg hinterläßt nicht mehr nur noch Verlierer. Es bleibt überhaupt niemand und nichts mehr übrig.
Krieg deshalb darf nicht mehr stattfinden. Das macht die Frage relevant, ob erwartet werden darf, daß die Staatsoberhäupter das, was sie bisher nie haben einhalten wollen oder haben einhalten können, fürderhin gewährleisten werden. Sind die Regierungen in Anbetracht der neuen Lage dahin zu bringen, daß sie bei Vorliegen einer Veranlassung entgegen ihrer bisherigen Gewohnheit darauf verzichten werden, eine militärische Lösung zu suchen? Werden sie sich zur Selbstgenügsamkeit verpflichten? Werden sie neuerdings dauerhaft der Verlockung widerstehen, den Vorteil ihres Staates gewaltsam im Außenbereich zu decken?
Friede ist nötig. Krieg war ohnehin selten jemals die bessere Lösung. Jetzt scheidet er als solche vollends aus. Friede ist unabdingbar geworden, weil Krieg, wenn er die Großen erfaßt, das höhere Leben auf der Erde beendet.
Das versetzt die Menschheit in eine conditio sine qua non, in eine Lage, aus der es nur einen Ausweg gibt: Die Menschheit muß die Anlässe beseitigen, die die Anwendung von Gewalt heraufbeschwören. Gefordert ist, die Zerwürfnisse, die zwischen ihren Gemeinschaften anstehen, dauerhaft aus dem Weg zu räumen. Denn solange Kriegsgründe auftreten, auftreten können, ist an Entwaffnung nicht zu denken, bleibt der Orlog die latent lastende Existenzbedrohung der Menschheit.
Es gibt sicher selten einen Sachverhalt, der eindeutiger nur eine Konsequenz zuläßt. Indes, so utopisch die Anforderung anmutet, bleibt sie unerfüllt, wird es still werden auf diesem Globus.
Die Politiker freilich verdrängen diese Unabdingbarkeit. Das machen NATO-Entscheidungen deutlich. Selbst strategische Überlegungen der Deutschen Bundesregierung laufen ihr zuwider (Siehe dazu das Positionspapier Rußland der CDU/CSU- Fraktion im Deutschen Bundestag vom 29.11.2016). Und die USA rüsten gewaltig auf und lassen ihre Dickschiffe vor allen Küsten kreuzen.
Nun ist ja der Gedanke, den Krieg zu verhindern, nicht neu. Er kam schon zu Zeiten des dunklen Deuters aus Ephesos auf. Dem seinigen Urteil entgegen, meinten schon damals mehrere seiner Zeitgenossen, daß es eigentlich nicht im Interesse des Bauern, Handwerkers und Händlers liegen könne, fortgesetzt seine Felder, Werkstatt oder Laden verlassen zu sollen, um anderwärts irgendwelchen Mitmenschen den Schädel einzuschlagen. Zumal das Kampfgeschehen schon damals – Heraklit widersprechend – sich auch für die siegreich Überlebenden nur selten als nutzbringend erwies.
Seine damaligen Auchdenker Solon, Kleistenes, Perikles schlossen daraus, daß, wenn man das gegenseitige Abschlachten unterbinden wolle, man dem Bürger das Sagen geben müsse. Ihnen war klar, daß nicht der Mensch als einzelner maßgebend ist für das Gewaltgeschehen, sondern daß dies in der Natur der Ordnungsform liegt, die er sich gegeben hat.
Der Staat ermöglicht es, Massen zu manipulieren und sie gegen andere ins Feld zu führen, und er verleitet dazu - es sei denn, so der neue Gedanke, nicht ein Herrscher schwingt das Zepter, sondern das Volk hat das Sagen.
Die Erfindung der Demokratie war dem Frieden gewidmet. Was hier Gestalt gewann, war die Überzeugung, dem Bürger wohne eine natürliche Abneigung gegen gewaltsame Auseinandersetzungen inne. Wo er bestimme, was geschehen soll, käme Friedfertigkeit zum Zug. Krieg stehe im Widerspruch zum Wünschen und Wollen des Souveräns dieser Staatsform.
Diese Vorstellung trat mit den Begründern der Vereinigten Staaten von Amerika in die Neuzeit. Die Verfassung der USA ist die erste, die sie widerspiegelt. Folgerichtig verpflichtete einer ihrer ersten Präsidenten, James Monroe, das junge Gebilde, sich aus allen Konflikten herauszuhalten, die in der Welt (außerhalb der neuen!) stattfänden.
Doch die USA wurden ein Staat, ein großer, ein mächtiger Staat. Und große Staaten, das liegt offenbar in ihrer Natur, kommen nicht umhin, in der Kakophonie der Konflikte den ihnen entsprechenden Part zu spielen.
Nach den beiden Weltkriegen traf die neue Supermacht auf den Kommunismus. Der hatte es darauf angelegt, an die Stelle der wohlmeinenden Demokratie die Diktatur des Proletariats zu setzen. Nicht ohne Blessuren gelang es der neuen Weltmacht, die hiffen Heilsbringer in die Schranken zu weisen.
Inzwischen treten „Schurkenstaaten“ auf den Plan (wenn man der Diktion des Altpräsidenten George W. Bush folgen will). Dabei handelt es sich um Länder, deren Lenker bewußt die Mehrheitsmeinung ignorieren (die auch nicht immer von Lauterkeit geprägt ist), und sich erlauben, Recht oder Vorteil auf eigene Weise zu suchen. Dabei berühren sie naturgemäß die Belange ihrer Nachbarn, zumeist nicht nur dieser.
Überwiegend ist es so, daß diejenigen Staaten, auf die jene Aussage zutrifft, keine Demokratien sind, oder, wenn doch, noch recht unfertige. Das festigt die Überzeugung, es gelte, überall die Demokratie durchzusetzen. Wenn alle Staaten zu Demokratien gewandelt seien, wenn überall der Bürger das Sagen habe, so die einleuchtende Erwartung, gerate der Friede nicht mehr in Gefahr.
Die Außenpolitik aller Rechtmeinenden ist diesem Ziel gewidmet.
Entsprechend stellt sich das Modell Zukunft wie folgt dar: Die Staatsgebilde, die die neuere Geschichte hat entstehen lassen, der „status quo“, ist von allen Staaten anzuerkennen. Jeder von ihnen hat СКАЧАТЬ