Название: Weihnacht von Karl May
Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742752215
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mehr molestieren!«
Er hielt Wort; ich schlief ein, wurde aber nach ungefähr einer halben Stunde wieder
aufgeweckt, denn ich hörte ihn ängstlich rufen:
»Sappho, Sappho, wach auf! Wach auf, und nimm mich herunter! Schnell, schnell!«
Die Stimme kam nicht von seinem Bette, sondern aus einer andern Gegend her; es klang wie
von oben herab.
»Wo bist du denn?« fragte ich.
»Ich hänge hier oben!«
»Wo denn?«
»An der Wurst. Mach nur Licht! So lange kann ich mich schon noch halten. Der Stuhl ist
umgestürzt.«
Er hing an einer Wurst! Ich sagte lachend:
»Aber, Mensch, wenn man das Leben auch noch so überdrüssig hat, braucht man sich doch
nicht grad an eine Wurst zu hängen!«
»Mach keine dummen Witze, sondern beeile dich, sonst reißt die Schnur; obgleich sie
vierfach ist!«
»Was?« fragte ich. »Die Wurst hängt gar an einer vierfachen Schnur?«
»Die Wurst nicht, sondern ich!«
»Ist sie noch oben?«
»Ja, beide sind wir noch da! Hilf mir herunter!«
Jetzt brannte das Licht, und ich konnte die Situation überblicken. Er hing wirklich an einer
Wurst, oder vielmehr nicht an, sondern neben derselben. Unter ihm lag das ausgebreitete
Deckbette und auf diesem der umgefallene Stuhl.
Es muß bemerkt werden, daß das Zimmer höher als gewöhnliche Bauernstuben war und daß
die meisten der eingeschraubten Haken die Stärke von Lampenhaken hatten. An einem dieser
starken Haken hing die dicke Magenwurst, auf welche Carpio es abgesehen gehabt hatte; er
trug zu gleicher Zeit die vierfach zusammengelegte Schnur, welche Carpio in beiden Händen
hielt, während er das andere Ende sich unter der Achselhöhle durchgezogen hatte. Er hing an
ihr höher, als der umgefallene Stuhl gewesen war, was ich zunächst nicht begreifen konnte. Er
war übrigens kein schlechter Turner, sonst hätte er es nicht so lange, bis ich ihm zu Hilfe kam,
aushalten können.
Ich nahm Kniebeuge und ließ ihn auf meiner Schulter Halt fassen, von wo er dann auf das
Bett heruntersprang. Die mit herabgezogene Schnur in den Händen, warf er einen
bedauernden Blick nach oben und sagte in wehmütigem Tone:
»Sie war die größte und verlockendste von allen; nun stehe ich wieder hier unten, und sie, sie
hängt noch oben!«
»Dieb! Wurstspitzbube! Schinkenräuber! Ich habe dich gewarnt. Du konntest Hals und Beine
brechen!« fuhr ich ihn sehr ernst an, obgleich ich, wie ich zu meiner Schande gestehe,
innerlich lachen mußte.
»Was geht es mich an, ob mein Hals und meine Beine ganz bleiben oder nicht, da ich die
traurige Gewißheit habe, daß ich diese Nacht nicht überleben werde!«
»So groß ist dein Hunger?«
»Schauderhaft! Du hast mir grad das Bett geraubt, worüber der Himmel das Aussehen einer
vollgestopften Räucherkammer hatte, während über dem meinigen alles leer ist. Auf dein Bett
konnte ich nicht treten, weil dich das aufgeweckt hätte; darum suchte ich mir da vorn, ehe du
das Licht auslöschtest, diejenige Wurst aus, welche in Beziehung auf ihre Größe und
Wohlgestalt meinem heimlichen Zwecke zu entsprechen schien. Um jedes, auch das leiseste
Geräusch zu dämpfen, legte ich meine Zudecke unter, auf welche ich den Stuhl stellte. Aber
das reichte, wie ich bald bemerkte, leider nicht aus, denn ich durfte die Wurst nicht
abschneiden, sondern ich mußte sie empor- weil aus dem Haken heben. Eine Unterlage auf
den Stuhl konnte ich im Dunkeln nicht finden, und so – – –«
»Hättest du doch ein paar Käsekuchen von dort untergelegt!« fiel ich ihm in die Rede.
»Schweig, gefühlloser Mongolenhäuptling!« antwortete er. »Durch diesen hochverräterischen
Vorschlag, den ich mir übrigens merken werde, verrätst du, daß du von tungusischen oder
ostjakischen Urahnen abstammst! Also – – ich konnte nicht hoch genug steigen; darum nahm
ich mir vor, mich hoch genug zu ziehen. Du weißt doch, daß ich stets eine Anzahl
Reiseschnuren bei mir führe?«
»Reiseschnuren! Dieser Ausdruck ist gut, sehr gut!«
»Wieso? Spottest du?«
»Nein. Ich denke dabei an ungarische, russische und andere Pferdediebe, welche auf ihre
Reisen Halfter mitzunehmen pflegen, in denen dann, ehe man die Hand umdrehe, fremde
Pferde zu stecken pflegen. Also wie war es mit deinen Reiseschnuren, die eigentlich
heimliche oder verkappte Wurstschnuren zu sein scheinen?«
»Ich legte sie, damit sie mich halten könnten, vierfach zusammen, band mir das Ende unter
der Achsel fest, weil man da am wenigsten empfindlich ist, wie z.B. das Turnen an den
Schwingen beweist. Dann stieg ich wieder auf den Stuhl und warf die vierfache Schnur so in
die Höhe, daß sie sich in den Haken fing.«
»Ein Kunststück ohne Licht!«
»Es gelang freilich nur nach wiederholtem Versuche. Ich hing also an der Achsel, und die
Schnuren liefen oben über den Haken. Indem ich sie um die eine Hand wickelte und mit der
andern weiter- und höhergriff, konnte ich mich emporziehen und dann die Wurst aus dem
Haken heben. Ich zog und zog; СКАЧАТЬ