Название: Weihnacht von Karl May
Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742752215
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zumal nach unserer persönlichen Ansicht, eine gute Stube im wahrsten Sinne des Wortes. Es
standen da zwei breite Betten, so breit, daß jedes von ihnen drei Personen genügend Platz
geboten hätte, der schon erwähnte Glasschrank, ein Tisch, ein Kanapee und zwei Stühle.
Mehr als diese Möbel aber interessierte uns ein dreibeiniger hölzerner Schragen, welcher
wohl ein Dutzend Äpfel-, Käse-, Quark- und andere Kuchen trug. Noch entzückender war der
Anblick des Himmels über uns. In diesen, nämlich in die hölzerne Zimmerdecke, waren
zahlreiche Haken eingeschraubt, an denen Schinken, Räucherspeck, sonstiges Fleisch und alle
möglichen Sorten von Würsten hingen. Diese Herrlichkeiten erfüllten die gute Stube mit
einem kräftigen Dufte, dessen Wirkung sich nicht nur auf die Geruchs-, sondern auch auf alle
übrigen Nerven zu erstrecken schien, denn Carpio, der eben noch so hinfällige, richtete sich
zu seiner vollen Länge empor, sog den Geruch mit Wohlbehagen ein und sagte:
»Freund Sappho, ein gütiges Geschick hat uns in das Elysium geführt; Franzl ist das
Geschick, und wo sich das Elysium befindet, das brauche ich dir wohl nicht zu sagen. Es weht
ein Odem überirdischen Behagens hier, dem jede Krankheit weichen muß. Ich werde die
letzten zwei Stunden in meinem ganzen Leben nicht vergessen; es war mir unbeschreiblich
schauderhaft zu Mute. Ich fühlte mich nicht mehr als Mensch, sondern ich kam mir wie ein
großer, dicker Sack voll Jammer und Elend vor. Ich habe alle zehntausend
Niederträchtigkeiten des Erdenlebens in diesen beiden Stunden durchgemacht und bin davon
so vollständig befriedigt worden, daß ich satt genug für immer bin. Das Nikotin ist ein
Drache, der mich niemals wieder in seine Krallen bekommen soll, und das Alkohol eine
Schlange, die ich zähmen werde, weil man doch nicht für immer von ihr loskommen kann,
denn sie taucht in hunderterlei Arten auf, die oft gefährlich, zuweilen aber auch nützlich sind.
In meiner höchsten Qual und Not nahm ich mir vor, dir, meinem Freunde, an Eides statt ein
heiliges Versprechen abzulegen, nur wußte ich noch nicht in welcher Form. Nun ich aber hier
in dieser guten Stube die verloren gegangene Lebensfreude wieder finde und auch fast wieder
logisch denken kann, verspreche ich dir bei diesen Schinken und Würsten, welche die
erlaubten, die wahren Genüsse des Lebens repräsentieren, daß ich mich niemals wieder von
einem heuchlerischen, hinterlistigen Genusse verlocken lassen werde, auf meine
Menschenwürde, wenn auch nur für eine Stunde, zu verzichten. Es ist nicht Scherz, sondern
mein vollster, wahrster Ernst. Nie wieder soll der Tabak meine Lippen berühren, und jedes
Getränk, welches Alkohol enthält, sei mir fortan nur als Arznei erlaubt. Ich habe mein
Versprechen bei diesen ehrlichen Schinken und hochachtbaren Würsten abgelegt; du bist
dessen Zeuge und sollst mich vor jedermann für einen ehrlosen Menschen erklären, wenn du
mich jemals rauchend oder gar berauscht zu sehen bekommst. Hier, meine rechte Hand
darauf!«
Der sonst so wortkarge Freund pflegte nur gegen mich, zumal während unsrer Wanderungen,
aus seiner Schweigsamkeit herauszutreten; jetzt hatte er gar eine Rede gehalten, was mir als
unumstößlicher Beweis dafür diente, daß es ihm völliger Ernst mit seinem Versprechen war.
Ich will übrigens gleich jetzt und im voraus bemerken, daß, wie meine lieben Leser später
auch selbst noch sehen werden, er dieses Versprechen stets gehalten hat.
Ich nahm die mir dargereichte Hand, schüttelte sie ihm herzlich und sagte:
»Es freut mich, daß du die Lehre, welche du erhalten hast, beherzigen willst. Die Virginias
wachsen nicht für Knaben, sondern nur für erwachsene Männer auf den Tabaksbäumen
Österreichs.«
»Du nennst mich, deinen Busenfreund, einen Knaben?!«
»Ja.«
»Und denkst wohl aber, du selbst seist ein Mann?«
»Ja.«
»Wohl etwa nur darum, weil die Cigarren dich nicht elend gemacht haben wie mich?«
»Ja, denn es war eine höchst männliche Selbstbeherrschung von mir, daß ich dieses Kraut des
Teufels mäßig genossen habe, während du grad wie ein kölner Funke geräuchert und
gestopfholzt hast.«
»Dafür hast du aber mehr Wein getrunken als ich!«
»Weil ich merkte, daß ich ihn vertragen konnte!«
»Ja, leider bist du in dem glücklichen Besitze eines Magens, dem es ganz gleichgültig ist, ob
er jetzt drei volle Tage hungern und gleich darauf einen ganzen Berg voll Kieselsteine,
Beißzangen und Ofengabeln verdauen muß! Das ist aber gar kein Beweis der Männlichkeit,
mit welcher du dich brüstest. Wer einen Knaben seinen Busenfreund nennt, ist selbst noch ein
Knabe; das merke dir. Nicht du selbst bist mir über, sondern nur dein Magen ist besser als der
meinige; das ist die ganze, bevorzugte Stellung, welche du in der heutigen Weltgeschichte
einnimmst.«
»Mein Sohn, ich habe dich vor den Folgen des Tabaks gewarnt, und wer einen andern
Menschen warnt, der beweist damit, daß er ihm über ist. Ich habe sogar jetzt wieder eine
Warnung, eine sehr ernste, eindringliche und berechtigte Warnung auf den Lippen.«
»Welche?«
»Bist du bereit, sie zu vernehmen?«
»Ja.«
»Und wird deine Moralität auch kräftig genug sein, sie zu beherzigen?«
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