Weihnacht von Karl May. Karl May
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Название: Weihnacht von Karl May

Автор: Karl May

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742752215

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СКАЧАТЬ hellsten Tageslichte nicht zu sehen gewesen, daß ich bei nachtschlafender Zeit allhier die

       Fütterung meines Löwen vorgenommen habe. Leider ist nichts daraus geworden, und es bleibt

       ihm nichts anderes übrig, als weiterzuhungern!«

       »Es ist schon drei Uhr nachts; du wirst es bis zum Kaffee aushalten müssen und wohl auch

       können. Hättest du es Franzl noch vor dem Schlafengehen gesagt, so lägst du jetzt als

       gesättigter und zufriedener Bürger in den Armen des Schlafes der Gerechten. So aber wirst du

       unter den Geißelhieben der Furien nicht einschlafen können bis zum Grauen des Morgens,

       welche Bezeichnung heute doppelt richtig ist, weil es ihm vor dir graut!«

       »Ich wollte, diese Hiebe bekämst du! Ich verzichte auf deine Furien, denn ich habe an

       meinem Hunger genug. Komm, wollen uns wieder niederlegen!«

       »Ja, stecke deine berühmten Reiseschnuren ein; laß den Stuhl auf seinen eigenen Füßen

       stehen, und leg das Bett dahin, wohin es gehört. Und das sage ich dir noch: Wenn du mich

       wieder wecken solltest, um dich vom Haken herunterzuholen, so lasse ich dich hängen und

       gehe an meinem Wanderstabe ohne deine hungrige Begleitung weiter!«

       Ich blies das Licht wieder aus und kehrte zu Morpheus zurück, dem mich der Busenfreund so

       rücksichtslos entrissen hatte. Als ich erwachte, war es zehn Uhr vormittags. Carpio lag mit

       offenen Augen im Bette; er stöhnte leise vor sich hin und war vor Hunger bleich wie

       Konzeptpapier.

       »Aber, Carpio, was liegst du noch?« fragte ich erstaunt. »Du scheinst schon längst wach zu

       sein? Warum bist du bei deinem Hunger nicht aufgestanden und hinuntergegangen, um zu

       essen?«

       Er holte tief, tief Atem und seufzte:

       »Ich – – ich – – habe keinen Appetit!«

       Diese ganz und gar unerwartete Antwort veranlaßte mich, sofort aufzuspringen, um sämtliche

       Räuchersachen einer gründlichen Ocular-Inspektion zu unterwerfen. Ich fand nichts, was

       meinen Verdacht bestätigte.

       »Du denkst wohl, ich bin noch einmal aufgestanden und habe mich mit den Sachen da oben

       beschäftigt?« fragte er mich in müdem Tone. »Ist mir nicht eingefallen! Ich sage dir, Sappho,

       der Geruch dieser Würste und Schinken ist mir jetzt zuwider!«

       »Wirklich?« fragte ich erstaunt.

       »Ja. Auf Ehrenwort, ich könnte keinen einzigen Bissen davon essen!«

       »Das begreife ich nicht.«

       »Weil du meine Konstitution nicht kennst. Weißt du denn nicht, daß es Menschen giebt,

       welche, wenn sie den Hunger einmal übergangen haben, dann für lange Zeit nicht imstande

       sind, auch nur die geringste Kleinigkeit zu genießen? Sie sind ganz satt, wie vollgestopft.«

       »Mit Bettfedern?«

       »Mach keinen dummen Witz! Zu diesen Vollgestopften gehöre ich auch. Daß ich heute nacht

       den Hunger übergehen mußte, wird mir gar nicht gut bekommen; glaube mir, ich bin innerlich

       wie zugeleimt! Wer weiß, welche lange Zeit vergehen wird, bis ich etwas essen kann. Mein

       Leib ist ganz hart; ich kann kaum Atem holen!«

       »Das sind aber doch Symptome des strikten Gegenteiles vom Hunger!«

       »Das verstehst du nicht. Es sind die Symptome eines sehr stark übergangenen Hungers!«

       »Aber ich habe doch schon ziemlich oft gehungert, doch davon nie einen solchen Leib und

       Atembeschwerden gehabt wie du!«

       »Das kommt davon, daß deine Konstitution eine ganz andere Struktur hat als die meinige.

       Mein Hunger ist ein Löwe, der deinige ein Rhinoceros, also zwei Tiere, welche zu ganz

       verschiedenen Klassen gehören. Ich habe jetzt – –«

       Er wurde unterbrochen, denn Franzl klopfte an die Thür und forderte uns auf, nun endlich

       doch hinunterzukommen, sonst werde der Kaffee so dick wie Pflaumenmus.

       »Ich bliebe am liebsten liegen,« seufzte mein Busenfreund. »Es liegt mir wie Blei in den

       Gliedern. Komm, zieh mich in die Höhe!«

       Ich that das. Er sah wirklich ganz elend aus. Seine Wangen waren jetzt aschfahl und

       eingefallen; die Augen hatten einen stieren, wie abwesenden Blick.

       »Du, Carpio, wollen doch zu einem Arzt gehen,« schlug ich vor. »Das kann unmöglich vom

       übergangenen Hunger sein; das sieht vielmehr ganz so aus, als ob eine Krankheit im Anzuge

       sei!«

       »Unsinn!« lächelte er matt. »Den Anzug zieh ich selber an; da lasse ich keine Krankheit

       hinein.«

       »Na, wenn du noch imstande bist, solche lebensgefährliche Witze loszulassen, dann darf man

       ja alle Hoffnung haben, daß du noch nicht ganz tot bist!«

       »Es wird schon wieder werden; ich kenne mich. Hilf mir nur, ich kann mich nicht gut

       bücken!«

       Ich war schnell mit mir fertig; bei ihm aber ging es außerordentlich langsam; es war, als ob er

       sich gar nicht mehr drehen und wenden könne. So schwerfällig und apathisch wie heute hatte

       ich ihn noch nie gesehen. Auch die Treppe hinunter ging es so langsam mit ihm, als ob ihm

       die Kniegelenke eingefroren seien.

       Unser Franzl saß mit der Wirtin im Gastzimmer beim zweiten Frühstücke. Sie blühte wie eine

       Rose und begrüßte uns mit einer Freundlichkeit, welche bewies, daß ihr die uns bewiesene

       Gastfreundschaft aus dem Herzen kam. Von Abreise durften wir gar nicht sprechen. Wir

       erfuhren, daß Franzl per Schlitten nach Maria Kulm müsse, und beide hielten es für ganz

       selbstverständlich, daß wir mitzufahren СКАЧАТЬ