Der Ruf aus Kanada. Rudolf Obrea
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Название: Der Ruf aus Kanada

Автор: Rudolf Obrea

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

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isbn: 9783847620402

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СКАЧАТЬ länger er überlegte, desto mehr musste er sich eingestehen, dass er nicht mehr hierher gehörte und seine Erfahrungen der letzten Zeit nicht zu diesem althergebrachten Umfeld passten. Ihn störten nicht nur die Möbel sondern auch die Denkweise der Bewohner. Selbst der enge Kontakt zur Mutter litt, weil sie mit der Verteidigungsrede für den Bruder ihre Verwurzelung in den festen Werten der Tradition bekundete, aber Svens in der Fremde geschultem Blick auf die Wirklichkeit nicht stand hielt. Ihm blieb ein Erholungsurlaub, den er als Abschied von der andersartigen Vergangenheit so angenehm wie möglich verbringen wollte.

      2.4

      Das Durchblättern seiner Reiseunterlagen brachte Sven unverhofft eine Wende seiner traurigen Abschiedsstimmung. Er fand den Umschlag , den Max Weber ihm bei seinem Treffen in Toronto zum Überbringen an seine Frau mitgegeben hatte. Er rief die angegebene Telefonnummer an und hörte eine Frauenstimme, die sich mit Niehaus meldete. Er fragte nach Frau Weber, worauf sie antwortete: „Frau Weber ist meine Tochter, die gerade Besorgungen macht, aber bald zurück sein wird.“ Da er nicht wusste, wie sie bei der Erwähnung ihres Schwiegersohnes reagieren würde, versprach er ihr, sich später noch einmal zu melden.

      Beim zweiten Versuch merkte er bereits an dem verbindlichen Ton, daß er dieses Mal mit Frau Weber sprach. Guten Tag! Hier spricht Frau Weber. Was kann ich für sie tun?“ „Mein Name ist Sven Fahrenholz. Ich komme aus Kanada und besuche momentan meine Eltern, die in Bergedorf wohnen. Ihr Mann , den ich in Toronto traf, gab mir einen an sie gerichteten Umschlag, den ich ihnen bringen möchte.“ An ihrer knappen Antwort erkannte er seine heikle Mission. „Passt ihnen morgen Nachmittag? Wir wohnen Elbgaustraße 18, nicht weit von der S-Bahnstation entfernt.“ „ Ich werde gegen halb vier dort sein.“ „Vielen Dank. Wir erwarten sie. Bis Morgen“ „Auf Wiedersehen“. Dieses abrupte Endedes Gespräches verhieß bestenfalls den neutralen Empfang eines Postboten, wenn nicht gar die Ablehnung eines Abgesandten des abtrünnigen Mannes. Sven nahm sich vor, die Fahrt mit anderen Erledigungen in der Innenstadt zu verbinden und sich am Abend vor der Heimfahrt mit den Kollegen aus seiner früheren Firma auf ein Bier zu verabreden.

      Die S-Bahnstation Elbgaustraße erreichte er auf halber Strecke in Richtung Pinneberg. Der Fußweg von dort war, wie beschrieben, nur sehr kurz und führte auf dem Gehsteig der stark befahrenen Straße an unscheinbaren , grauen, vierstöckigen, älteren Mietshäusern vorbei, bis er zum Eingang mit der Nummer 18 kam. Nach seinem Läuten öffnete ihm eine große, schlank gewachsene Frau, musterte ihn zunächst mit einem kurzen, streng wirkenden Blick, der jedoch gleich darauf , während sie ihn ansprach von einer freundlichen Neugier abgelöst wurde.

      „Guten Tag! Sie sind sicher Herr Fahrenholz, mit dem ich gestern telefoniert habe. Kommen sie herein!“ Eingedenk seines Auftraggebers blieb Sven zunächst ernst und antwortete zurückhaltend: „Entschuldigen sie bitte die Störung, dass ich sie überfalle.“ Sie lachte und entgegnete: „Ein Bergedorfer aus Kanada besucht uns nicht häufig und erzählt uns sicher Neuigkeiten, die wir noch nicht kennen.“ Dabei führte sie ihn ins Wohnzimmer und stellte ihn dort ihrer Mutter vor. Zusammen mit dem Mobiliar, der dunklen Polstergarnitur und dem Wandschrank, erinnerte ihn Frau Niehaus an das gewohnte Bild bei seinen Eltern, sodass er entspannt ihrer Aufforderung nachkam und sich in einen der Sessel setzte, während die beiden Frauen ihm gegenüber auf dem Sofa Platz nahmen. Abgesehen von dem Altersunterschied bemerkte Sven eine unterschiedliche Erwartungshaltung der beiden Damen. Frau Weber, die Jüngere, schien in ihm einen interessanten Mann entdeckt zu haben, dessen Aufmerksamkeit sie mit der geraden Haltung ihres schlanken, weiblich ausgeprägten Körpers auf sich zu ziehen suchte. Sie beobachtete ihn mit ihren durch das Lächeln in die Breite gezogenen, dunklen Augen, die sie zusammen mit ihrem wohlgeformten , oval-runden Gesicht und den zu einem Bubikopf frisierten, dunklen Haaren ebenfalls sehr attraktiv erscheinen ließen. Die Mutter dagegen wirkte skeptisch neutral, mehr darauf ausgerichtet, eine unangenehme Nachricht von ihrem ehemaligen Schwiegersohn zu bekommen. Ihre rundliche, kleine Statur zeigte Bodenständigkeit, betont von einem schwarzen Rock und einer weißer Bluse, überdeckt von einer dunkelblauen Stoffjacke. Das faltige, ovale Gesicht mit kurzer Nase ließ nur bei den großen grauen Augen, die wie bei der Tochter auseinandergezogen waren, eine Gutmütigkeit erkennen, die sie nicht ganz verbergen konnte.

      Sven entschied sich, zunächst das Stichwort, dass ihm Frau Weber beim Eintreten gegeben hatte, aufzugreifen und erklärte: „Den Kanadier können sie noch vergessen. Ich binerst drei Monate dort gewesen und arbeite dort im Auftrag einer deutschen Firma, für die ich eine Baustelle im Norden der Provinz Ontario beaufsichtigen soll. Für die Vorbereitungen und die Besprechungen mit den einheimischen Unterlieferanten sowie unserem kanadischen Firmenvertreter wohne ich zunächst in Toronto und lernte in diesem Zusammenhang auch ihren Mann, Herrn Weber, kennen. Da ich bis vor einem halben Jahr noch bei einer Hamburger Exportfirma beschäftigt war und nur für Kurzaufenthalte ins Ausland geschickt wurde, kann ich nur die Definition als Bergedorfer für mich in Anspruch nehmen und besten- falls auf das Gelingen meines komplett neuen Anfangs in Kanada hoffen.“

      Mit dieser kurzen Schilderung seiner augenblicklichen Situation gelang ihm, das Bild des Exoten von sich abzuschütteln und die anfänglichen Bedenken von Frau Niehaus weitgehend zu zerstreuen. Sie besann sich auf die Pflichten einer Gastgeberin, stand auf und sagte: „Ich mache uns jetzt einen Kaffee, bei dem wir besser plaudern können.“ Als sie gegangen war, sah ihn Frau Weber intensiv an und wollte wissen.: „Was sagt denn ihre Familie zu ihrer Veränderung?“ „Ich habe nur meine Eltern und einen jüngeren Bruder, der noch bei ihnen in Bergedorf wohnt. Selbst meine Mutter erkennt, dass ich langsam flügge werde und mein Bruder hält mich für einen Außenseiter, mit dem er nichts anfangen kann.“

      Nachdenklich antwortete sie: „Auch ich bin ein Außenseiter, zwar nicht wie sie mit ihren Zukunftsplänen sondern mit meiner Vergangenheit. Mein Mann hat ihnen sicherlich von unserem Aufenthalt in Teheran erzählt. Wir hatten uns während der zehn Jahre, die wir dort wohnten, sehr gut eingelebt und uns einen festen Freundeskreis, besonders bei den Ausländern in unserer Umgebung, geschaffen. Nach der Revolution verlor mein Mann einen Großteil seiner Kunden. Wir mussten alles aufgeben und nach Deutschland zurückkehren. Hier glaubten wir als Deutsche an einen schnellen Neubeginn. Er misslang, weil wir die notwendige Neuanpassung, besonders bei den kleinen Dingen des Alltags, nicht beachteten und deshalb unser Benehmen nicht mehr den hiesigen Gepflogenheiten entsprach. Unsere neuen Nachbarn in Wedel beobachteten uns neugierig, entschuldigten sich aber bereits größtenteils mit verschiedenen Terminschwierigkeiten, als wir sie, wie in Teheran üblich, zum näheren Kennenlernen auf ein Bier einluden. Diejenigen, die kamen, interessierten sich anfangs für unsere ausländischen Erlebnisse, verglichen diese mit den Momentaufnahmen bei ihren Urlaubsreisen und verabschiedeten sich mit dem Eindruck, dass ihnen ihre Reiseführer ein besseres Bild von dem jeweilig besuchten Land vermittelten. Wir blieben ein fremder Störfaktor, den sie duldeten und mit der, uns verloren gegangenen norddeutschen Zurückhaltung, auf Distanz hielten. Mein Mann fand schnell neue Kontakte bei seinen Berufskollegen in seiner Bonner Firma und meine beiden Töchter bleiben im Internat, das zu ihrer zweiten Heimat geworden ist. Übrig bleibt der eingangs erwähnte Außenseiter, der hier vor ihnen sitzt.“

      Sven, der nicht gleich mit seinem Stolz auf die gerade gewonnene Freiheit des Außenseiters eine passende Antwort auf diese andersartige negative Definition fand, wurde von der Mutter erlöst, die in diesem Moment mit dem Kaffee aus der Küche zurückkam und besorgt fragte: „Hat Sabine ihnen eine ihrer familiären Schauergeschichten erzählt?“ „Nein, das nicht! Wir stellten lediglich fest, dass wir beide Außenseiter sind und diese Rolle unterschiedlich definieren.“ Sie verstand nicht gleich, was er meinte, erkannte aber an seinem Blick auf ihre Tochter, dass die beiden sich auf geheime Weise attraktiv und anziehend empfanden. Sie schenkte den Kaffee ein, servierte dazu Butterkuchen und gewann damit Svens Zuneigung mit dessen Leibspeise. Er revanchierte sich, indem er von seinen neuen schwäbischen Freunden berichtete und mit bewusster Überzeichnung der bekannten schwäbischen Eigenschaften seine Zuhörerinnen zum Lachen brachte. Frau Weber kommentierte schließlich den Redeeifer ihres Besuchers und sagte treffend:

      „Sie СКАЧАТЬ