Название: Crazy Zeiten - 1975 etc.
Автор: Stefan Koenig
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Zeitreise-Roman
isbn: 9783750214989
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„Seien Sie herzlich willkommen, meine Herren!“ Stella übersah er geflissentlich. „Sie kommen mit meinem guten Freund Sören, dem ich vertrauen kann. Und so vertraue ich Ihnen und empfehle Ihnen eine Reise in das libanesische Paradies. Beste Ware.“
„Wie?“, fragte Jan-Stellan.
„Ich biete nur das Beste“, sagte der Kellner und zwinkerte süffisant lächelnd.
„Was?“, fragte Jan-Stellan erneut.
„Marihuana!“ Der Mann sah uns erwartungsvoll an. „Natürlich verdammt gutes Kraut.“
„Azza“, sagte Sören und zog den Kellner näher zu sich heran. „Wir haben nur Eines im Sinn: Wo finden wir unsere Freundin Svea?“ Azza konnte wohl nichts mit dem Namen anfangen, deshalb fuhr Sören fort: „Sie ist eine junge Dänin, zweiundzwanzig Jahre alt. Tochter eines dänischen Diplomaten im Libanon. Er zahlt gut, wenn wir sie lebend wiederfinden.“
Das war zwar eindeutig geschwindelt. Über Sveas Elternhaus wussten wir absolut nichts. Aber es war legitim, dem Bakschisch-empfänglichen Araber den Mund wässrig zu machen.
„Wir telefonieren am Abend mit ihm. Er macht sich große Sorgen um seine Tochter. Er zahlt, wie er bereits sagte, alle Auslagen, die entstehen“, warf ich, ohne rot zu werden, ein.
„Und wenn er nicht zahlt?“, fragte Azza hinterlistig.
„Dann zahle ich!“ Wieder wurde ich nicht rot.
Azza war es zufrieden. Ein zahlungskräftiger Deutscher hier vor Ort und für ihn greifbar, schien ihm eine Anstrengung wert. Doch zu unserer Enttäuschung sagte er: „Ich kenne so ein Mädchen nicht. Skandinavierin? Seht euch selbst um: Es gibt hier Hunderte, und sie sehen sich alle sehr ähnlich. Aber ich werde für euch Erkundigungen einholen. Vielleicht will es der Zufall und …“ Er brach ab, weil ein anderer Kellner für jeden von uns einen Mokka und ein Glas Wasser brachte.
Dann setzte er sich zu uns und ließ sich alles erzählen, was er über Svea wissen musste, ihre Aufenthaltsorte und Hotels, die Männer, die man bei ihr gesehen hatte, die tote Schwedin, die mit ihrem Pass unterwegs gewesen war. Mit diesen Informationen verließ er uns, und wir verließen die Bar, um später zurückzukommen. Es war jetzt dreißig Minuten nach Mitternacht.
Wir drehten noch eine Runde über den Zoco Chico und studierten das Milieu intensiver als vorher. In Marrakesch, auf dem Djemaa, schien eine wesentlich entspanntere Atmosphäre vorzuherrschen als hier. Wir sahen hier echtes Elend und durchgängig eine Art hilfloser Apathie unter den nichtarabischen Jugendlichen. Sie hatten sich zu dem großen Abenteuer einer Reise ins Land ihrer Rauschträume aufgemacht und waren in Tanger tief enttäuscht hängengeblieben.
Um Marrakesch zu erreichen, bedurfte es ausreichenden Geldes, gleichwohl hier alles sehr billig war. Es verlangte jedoch hauptsächlich Willenskraft und Ausdauer und die Möglichkeit, unterwegs etwas dazu zu verdienen, wenn die Reserven erschöpft und die Eltern nicht mehr zahlungsbereit oder nicht mehr erreichbar waren.
Anders verhielt es sich, um nach Tanger zu kommen. Da reichte ein einfaches, erschwingliches Ticket für die spanische Fähre. Wir sahen in dieser Nacht all jene, die es zwar nach Tanger, aber keinen Schritt weiter geschafft hatten. Und nun fehlte ihnen das Geld für die Fähre zurück. Zwei Jungs und ein Mädel aus München im Alter von zirka fünf- oder sechsundzwanzig Jahren setzten sich zu uns und meinten, dass das 1975er-Tanger von heute lange nicht mehr das wäre, was es noch zur alten Hippie-Aufbruchzeit vor sieben Jahren gewesen wäre.
Wir erzählten ihnen, weshalb wir hier seien, stießen jedoch auf keinerlei näheres Interesse der Drei, die offenbar zu jenen hoffnungslos in dieser Stadt Hängengebliebenen zählten.
„Das passiert jeden Tag“, sagte einer der Jungs. „Sie wird schon wieder auftauchen.“ Dann lenkten sie das Gespräch auf ein anderes Thema. Vielleicht hatten sie die Erfahrung gemacht, dass es besser war, wenn sie sich nicht in solche Affären einmischten.
John wollte nicht aufgeben und warf ihnen ihre Gleichgültigkeit an den Kopf.
Einer der Jungs sah ihn mitleidig an und meinte: „Ach, dein Mädchen?“
John nickte.
Da sagte der zweite: „Mich würde nicht wundern, wenn sie einfach mit einem anderen in den Schlafsack gekrochen ist. Im Moment stehen die Skandinavierinnen auf schwarze Schwänzen.“
John wollte auf- und ihm an die Gurgel springen. Ich konnte ihn gerade noch zurückhalten. „Bleib ruhig. Vielleicht brauchen wir noch die Aufmerksamkeit unserer drei Landsleute. Wer weiß, wie lange wir noch bleiben und suchen müssen. Haltet bitte die Augen offen“, sagte ich an die drei gewandt, die teilnahmslos nickten.
Wie um meine Worte zu bestätigen, kam Azza mit einer niederschmetternden Nachricht zurück: „Meine Leute haben eure Svea nicht gesehen.“
Wir schliefen lange und unterrichteten Gerd, Wolle und Leif am nächsten Morgen über die negativen Ergebnisse unserer Recherche. Gerd kam auf die Idee, beim dänischen Konsulat anzurufen, um mitzuteilen, dass die dänische Staatsbürgerin Svea Lindström seit nunmehr vier Wochen auf mysteriöse Weise verschollen ist sowie nach Sveas Familienhintergrund zu fragen. Eventuell konnte uns das Konsulat wertvolle Tipps geben oder sogar eigene Suchanstrengungen unternehmen.
Aber wir hatten uns gründlich getäuscht. Weder erhielten wir Auskunft zu Sveas Familie, noch die Zusage, dass der Konsul ihre Familie informieren würde, noch wollte oder konnte man uns Tipps und Hilfe geben. Wir fragten uns, wofür solche beamteten Sozialschmarotzer und Wichtigtuer eigentlich bezahlt würden.
Die nächsten zwei Tage verbrachten wir damit, verschiedenen Spuren und Mutmaßungen nachzugehen. Doch alle Wege führten ins Nichts. Azza, der uns versprochen hatte, sich sofort zu melden, sobald er etwas wusste, war stumm geblieben. Am zweiten Abend gingen wir in seine Bar und fragten den Chef, wo Azza sei.
„Er hat sich zwei Tage Urlaub genommen; wer kann wissen, wo er ist!“
Wir tranken noch einen Pfefferminztee und wollten gerade gehen, als Azza aufgeregt und mit breitem Grinsen hereinstürzte. „Meine Freunde und ich haben sie gefunden! Die Bullen konnten euch nicht helfen, aber ich!“
Wir hörten gespannt, was er zu berichten hatte: „Es hat mich eine Stange Geld gekostet. Zwei meiner Freunde habe ich in das Zentrum des Haschisch-Anbaus nach Chaouen geschickt. Viele Dealer kommen von dort hierher und bringen ihre Ware an die lokalen Verteiler. Im Gegenzug nehmen sie hübsche europäische Mädchen mit in das abgelegene Gebiet und halten sie sich dort als Quasi-Ehefrauen. Ich hatte so eine Vermutung.“
John war ganz zappelig. Ohne einen genauen Adressaten anzusprechen, fragte er beunruhigt: „Ist es möglich, so schnell wie möglich dorthin zu fahren?“
„Ihr solltet, glaube ich!“, sagte Azza mit bedeutungsschwerem Blick.
„Was heißt das?“
Azza sah John an, dann Stella und mich. „Es ist wahrscheinlich besser, ich spreche erst einmal mit einem von euch“, schlug er vor und deutete auf mich. Er wusste ja, dass John Sveas Freund war. Er führte mich in ein Hinterzimmer, wo er mir reinen Wein einschenkte: „Der Zustand der Frau ist nicht gut“, sagte er halblaut. „Die beiden Jungs, die Svea hier kennen gelernt hat, sind Einheimische aus Chaouen … sie machten СКАЧАТЬ