Crazy Zeiten - 1975 etc.. Stefan Koenig
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Название: Crazy Zeiten - 1975 etc.

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783750214989

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СКАЧАТЬ stöhnte auf, wie ein Mann nach einem Orgasmus. Den Orgasmus bekam wahrscheinlich jedoch Schöll.

      „Wegen mir. Schießen Sie los. Was haben Sie so Großartiges zu sagen?“

      „Jeder Ihrer Kollegen muss hier für die Allgemeinheit der Steuer- und Gebührenzahler, von denen Sie Ihren Lohn beziehen, eine Mindestleistung bringen, Lettau.“

      „Gewiss.“

      „Wenn Sie also nicht die Leistung bringen, muss jemand anderes Ihre Post erledigen. Das bedeutet Überstunden.“

      „Wollen Sie andeuten, dass ausgerechnet ich für die zwei Überstunden, die Sie sich fast jeden Tag unberechtigt aufschreiben, verantwortlich bin?“

      „Lassen Sie sich gesagt sein: Sieben Minuten machen bei vier Leerungsarbeiten pro Tag schon eine halbe Stunde aus. Was glauben Sie, wer die ableistet?“

      Tommi schaute, nein stierte ihn an und legte los: „Sie machen es sich zu einfach. Und Sie wissen, dass es eine Milchmädchenrechnung ist. Jeder Behälter ist fünfundsiebzig Zentimeter lang. In manchen sind viele Briefe, in anderen weniger, in manchen sogar dreimal so viel wie in anderen. Das macht etwas aus! Die Kollegen schnappen sich die Behälter mit der günstigsten Befüllung. Das Wettrennen am Morgen spare ich mir. Irgendjemand muss ja letztendlich doch die übervollen Behälter abarbeiten. Doch ihr Aufpasser wisst immer nur, dass jeder Behälter fünfundsiebzig Zentimeter misst und in neunundzwanzig Minuten geleert sein muss. Wir stecken aber nicht die Behälter in die Sortierfächer, sondern die einzelnen Briefe. Und jeder einzelne Brief kommt jeweils in das dazugehörige Straßenfach. Können Sie mir folgen?“

      „Sie sind ja ein ganz Schlauer. Aber nein, nein, man hat alles genau über Jahre hinweg berechnet.“

      „Wer immer das berechnet hat, hat noch nie etwas von Adam Riese gehört. Man kann bei einer Stoppuhraktion nicht nur EINEN Behälter überprüfen. Man muss nach zehn oder zwanzig oder noch mehr Behältern die Leistung eines ganzen Morgens oder gar Tages beurteilen. Nur dann erhält man einen mathematisch relativ sauberen Durchschnitt. Alles andere ist statistischer Dünnschiss. Ihr supertreuen Hofhunde eurer Spitzenbeamten klammert euch doch nur an diese Zahl 29, um so unliebsame Mitarbeiter wie mich fertigzumachen. Weil Leute wie ich euch an die echten gewerkschaftlichen Ziele erinnern und ihr ein schlechtes Gewissen habt.“

      „Nun gut, Lettau, Sie hatten Ihre Chance und haben ihre bekannten Sprüche brav aufgesagt. Aber jetzt rede ich, und ich sage Ihnen: Sie brauchen sieben Minuten zu lange, um einen Behälter einzusortieren. Das, und NUR das zählt für uns. Wenn Sie noch einmal bei diesem Zeitbetrug erwischt werden, wird man Sie zu einer erweiterten Belehrung laden!“

      „Es bleibt noch eine wichtige Frage zu klären.“

      „Bitte.“

      „Wenn ich einen Behälter mit wenigen Briefe bekomme, was gelegentlich der Fall ist, und wenn ich ihn in zehn statt in neunundzwanzig Minuten sortiere, kann ich dann die überschüssigen neunzehn Minuten in die Kantine gehen und bei einem Kaffee Zeitung lesen, um danach wieder an die Arbeit zu gehen?“

      Jetzt stierte Schöll Tommi an und brüllte: „Nein, Sie müssen dann sofort mit einem neuen Behälter beginnen und ihre Kollegen entlasten!“

      Tommi unterschrieb den mit Kaffeeflecken verkleckerten Wisch, den Schöll ihm über den Tisch zuschob. Darin stand, dass Schöll ordnungsgemäß die Belehrung vorgenommen und Tommi alles verstanden habe.

      Das alles hatte Tommi Doro berichtet, die ihn damit tröstete, dass es Wichtigeres gebe, als sich über solche rechtslastigen Steigbügelhalter des Kapitalismus zu ärgern, und sie erzählte ihm von unserem Kampf um die Rettung Sveas.

      *

      John hatte vorgeschlagen, wir sollten auf den Zoco Chico zurück, um nach den drei Holländerinnen zu suchen, die uns zum Jardins des Tanger geführt hatten. Immerhin waren sie außer dem Jugendherbergswirt die einzigen, die bisher unmittelbar mit Svea zu tun hatten. Wir fanden die drei prompt vor genau der Bar, wo wir sie bereits zuvor angetroffen hatten.

      „Fehlt jemand aus eurer Gruppe?“, fragte Sören. „Ich meine, fehlt eine Frau?“

      Die drei Mädels begannen ihre Freundinnen aufzuzählen, konnten sich aber weder darauf konzentrieren, noch auf eine Erkenntnis einigen. Es lag wohl an dem Stoff, den sie gerade geraucht oder in Form von Plätzchen gegessen hatten. Sören schob sie kurzentschlossen in Wolles Bulli und wir fuhren mit ihnen zurück zum Krankenhaus. Gerade als wir hineingingen kam uns die Oberschwester entgegen. „Sie ist tot.“

      Sie führte uns in das Kellergeschoss mit dem Kühlraum, wo die junge Frau bedeckt mit einem weißen Laken dalag und ihr frei gelassenes Gesicht das Elend offenbarte: eingefallene Wangen, hervorstehende Backenknochen, verbraucht, Endzustand eines Drogenlebens. Die Holländerinnen sagten sofort, dass dies Olivia sei.

      Kommissar Hassan zog das Laken beiseite und fragte: Olivia wer?“

      „Sie ist aus Stockholm.“

      „Und ihr Nachname?“

      „Olivia, aus Stockholm.“

      Hassan schaute auf die Armvenen der Toten, deckte sie wieder zu, sah uns irgendwie ausdruckslos an und sagte dann nur ein Wort: „Heroin“.

      Auf der Rückfahrt ins Zentrum saß ich im Polizeiauto hinten, neben John und bemerkte, wie er zitterte. Ich wollte ihn trösten und ihm meine Hand auf den Arm legen, aber er drehte sich zur Seite und ich hörte ihn schluchzen. Im Hotelzimmer ließ er sich aufs Bett fallen, vergrub sein Gesicht im Kissen, drehte sich dann langsam zu mir und fragte wieder einmal: „Können wir sie noch finden?“

      Diesmal konnte ich nicht mit „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ antworten. Ich zuckte mit den Schultern und sagte: „Wir können sie suchen und finden, egal was mit ihr ist, aber wir MÜSSEN sie finden – und wir WERDEN sie finden!“

      „Hast du eine Idee, what to do now, Sören?“, fragte Stella.

      „Eine Idee hab‘ ich noch“, antwortete er.

      Ich muss ehrlich sagen, dass ich nur noch in ihm, der sich zweifellos an Sveas Zustand – jedenfalls in den letzten Monaten – mitschuldig gemacht hatte, eine Hoffnung sah.

      „Und die wäre?“, fragte ich.

      „Ich kenne einen Kellner in einer anrüchigen Bar nahe am Zentrum. Er ist zwar der korrupteste Bursche in ganz Marokko. Aber was soll’s! Lasst uns jetzt ausruhen. Die Bar öffnet erst gegen 23 Uhr. Wer weiß, wie lang die Nacht für uns wird. Der Typ ist unsere letzte Chance.“

      Kurz vor 23 Uhr liefen wir zu fünft – Stella, Jan-Stellan, Sören, John und ich – über den hell erleuchteten und voll belebten Zoco Chico. Viele Studenten mit teils noch langen Haaren wie zu guten alten Hippiezeiten, Junghippies und ältere, mehr oder minder aus der Bahn geworfene Weltenbummler trieben sich hier herum. Eigentlich wollten viele von ihnen weiter gen Süden, nach Marrakesch, doch sie waren hier in Tanger hängengeblieben, hohläugig, ohne Geld, verwahrlost, von der Hand in den Mund lebend.

      Sören ging auf eine auffallend beleuchtete Bar zu, deren Werbung um Besucher auf dem Dach mit Farblichtern wie aus Tausendundeine Nacht anmutete. Drin­nen nahmen wir an einem Ecktisch in einer Nische Platz, die wie ein Séparée erschien, denn links und rechts war ein Seidenvorhang zum Zuziehen angebracht. Eine Wasserpfeife stand auf dem СКАЧАТЬ