»Sie drängen mich nicht.« Er schien erst jetzt Kims Erscheinung wahrzunehmen. Seine Augen musterten sie. Dann sagte er: »Sie haben mir vor einiger Zeit dieses Manuskript des Autors Nino de Pauly zugeschickt.«
»Richtig«, bestätigte Kim.
»Ich habe es mir angeschaut«, fuhr Rozeck fort, »und finde sowohl die Idee wie auch deren Ausführung nicht ungeschickt.«
»Das freut mich.« Kim lächelte leicht.
»Es ist allerdings nicht einfach, mit dem Manuskript eines noch völlig unbekannten Autors bei Verlagen hausieren zu gehen.«
Kim schwieg. Was hätte sie dazu sagen sollen?
»Ich nehme an, Sie kennen den Autor persönlich?«, fragte Rozeck.
»Ja.«
»Er weiß erstaunlich viel über die Tätigkeit gewisser Leute und scheint ein fundiertes Insiderwissen zu haben!«, sagte Rozeck.
Kim fühlte sich überrumpelt. Was sollte sie dazu sagen?
»Ich bemühe mich im Auftrag von Nino de Pauly darum, das Manuskript zu verkaufen«, antwortete sie.
»Aber der Autor lebt in Deutschland?«
»Er ist viel auf Reisen.«
»Darum erledigen Sie das Geschäftliche für ihn.«
»Ja.«
»Interessant.« Rozeck machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich nehme nicht an, dass Herr de Pauly von der Schriftstellerei lebt«, sagte er dann.
»Nein«, erwiderte Kim.
»Ich will Sie nicht ausquetschen.« Rozeck zeigte ein schwaches Lächeln, das ihn sympathisch machte. »Trotzdem würde es mich interessieren, was Herr de Pauly so für ein Mensch ist. Gerade für eine mögliche Zusammenarbeit dürfte das wichtig sein.«
Kim zögerte, und das war schlecht.
»Wollen Sie nicht darüber reden?«, fragte Rozeck.
»Was möchten Sie denn wissen?«, fragte sie zurück, und sie kämpfte dabei gegen eine aufkommende Verlegenheit an. Mit zitternden Fingern suchte sie die Zigaretten in der Handtasche, den Kopf gesenkt. »Darf hier geraucht werden?«, fragte sie dann.
Rozeck nickte und sagte: »Ich muss einfach wissen, ob ich mögliche weitere Verhandlungen mit ihnen führen soll, oder ob Herr de Pauly wünscht, dass ich mich dann an ihn wende.«
»Ich erledige alles Geschäftliche für Herrn de Pauly«, antwortete Kim.
»Sie sind also bevollmächtigt?«
»Ja.«
»Wir werden einen kleinen Vertrag abschließen müssen, den ich ihnen in den nächsten Tagen zusenden werde«, sagte der Mann hinter dem Schreibtisch. »Ich nehme an, dass Nino de Pauly kein Pseudonym ist.«
»Nein –, das heißt, doch.« Sie musste aufpassen, sonst machte sie sich verdächtig.
»Wie heißt Nino de Pauly denn mit bürgerlichem Namen?«, fragte Rozeck.
Kim zündete sich eine Zigarette an, und ihre Hand zitterte dabei. Sie wusste darauf nichts zu sagen.
»Es ist üblich, den Vertrag mit dem Autor zu machen«, sprach Rozeck in ruhigem Ton weiter. »Daher brauche ich seinen bürgerlichen Namen und seine Anschrift. Außer Sie haben mit ihm eine schriftliche Vereinbarung, die Sie ermächtigt, allein weitere Schritte zu unternehmen.«
»Ja, das ist so«, sagte Kim.
»Haben Sie das Manuskript noch anderen Leuten angeboten?«
»Nein.«
Er nickte zufrieden.
»Wie lange kann es dauern, bis Sie einen Verlag gefunden haben, der das Manuskript veröffentlichen will?«, fragte Kim.
»Da will ich, trotz meiner Erfahrung in diesem Geschäft, lieber keine Prognose abgeben.«
Das klang für Kim nicht gerade ermutigend. Aber vielleicht wollte ihr der Mann einfach keine leeren Versprechungen machen.
»Auf jeden Fall finde ich es gut, dass wir uns kennengelernt haben«, sagte Rozeck, und es sah ganz so aus, als wollte er sich nun wieder anderen Dingen zuwenden.
Kim blieb noch einen Moment lang sitzen, doch als sich der beleibte Agent erhob, stand sie ebenfalls auf.
Draußen begrüßte Kim ein frischer Wind. Sie fror auf dem Weg zum Wagen ein wenig. Wie gut das geklappt hatte! Und doch – wo blieb die Freude darüber?
Kapitel 5 (Das Manuskript)
Kim fühlte sich schlecht. Seit Tagen quälte sie eine Unruhe. Schätzte sie das Risiko falsch ein? Sie wusste es nicht. Doch das Manuskript befand sich nun in Rozecks Händen!
»Mach bitte den Fernseher aus, Nino!«, bat Kim. Sie konnte nicht verstehen, dass für ihren Freund alles wie gewohnt weiterging.
»Sind wir hier im Altersheim?« Pauly warf ihr einen Blick zu, der seine Gereiztheit verriet.
»Ich kann diesen Lärm momentan einfach nicht ertragen«, beklagte sich Kim.
»Dann gehen wir eine Pizza essen«, schlug Pauly vor und drückte die Austaste.
»Ich habe keinen Hunger.« Kim stand beim Fenster und schaute auf die Straße hinunter.
»Am besten, du rufst deinen Superagenten an und verlangst das Manuskript zurück. Denn wenn du schon jetzt die Hosen voll hast, solltest du besser gleich aufhören.« Pauly gähnte und streckte die Beine aus.
»Spiel du nur weiter den Unbeteiligten«, sagte Kim. »Doch du steckst auch mit drin.«
»Nun mach aber einen Punkt!« Pauly schoss hoch. »Du hast doch diesen Schwachsinn angezettelt. Was blieb mir anderes übrig? Hast du mich gefragt, ob ich Nino de Pauly heißen will? Nein. Hast du mich gefragt, ob ich mich als denjenigen ausgeben möchte, der das Manuskript geschrieben hat? Nein. Ich und ein Buch schreiben! Mann, bist du auf dem falschen Dampfer! Das kauft dir niemand ab. Aber bitte! Du wusstest wieder einmal alles besser. Du bist ein so kluges Mädchen, schreibst nächtelang, kaufst dir dazu sogar noch einen Laptop. Und wozu das alles? Wenn du wenigstens sonst ein Ding ausgeheckt hättest, wo man ein paar Mäuse kassieren könnte.« Er winkte mit beiden Händen kräftig ab. »Zieh einen Strich unter die Sache. Dann kann man dich wieder ertragen.«
»Das werde ich garantiert nicht tun«, versicherte ihm Kim stur.
»Dann erzähl dem Agenten wenigstens die Wahrheit.«
»Du – ich warne dich!« Kims Augen funkelten.
»Droh mir nicht!« Pauly machte einen Schritt auf seine Freundin zu.
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