Название: Der Plethora-Effekt
Автор: Jon Pan
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783847661313
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In schnellem Tempo durchquerten wir eine Gegend, in der es nach frisch geschnittenem Gras roch. Martina zündete sich eine neue Zigarette an und betonte somit die künstliche Atmosphäre des Wageninnern, die uns umgab. Die Zugluft zerriss den Zigarettenrauch, wirbelte ihn herum, wobei er sich, nach einer anfänglich starken Geschmacksentwicklung, bald verflüchtigte. Ich musste an die Zeiten denken, in denen Charlotte mir ihr Kabriolett zur Verfügung gestellt hatte. Die Sache war schief ausgegangen. Wie so vieles damals.
»Gibt es etwas, über das du mit mir nicht reden willst?«, fragte ich Martina plötzlich.
Es klang nicht geschickt, aber ich hatte einen Anfang gefunden.
»Nein«, sagte sie erstaunt. »Über was soll ich mit dir nicht reden wollen?«
»Oder vielleicht fragst du mich einfach etwas«, schlug ich ihr vor.
»Leute auszufragen ist doch unhöflich«, sagte sie ein wenig nuschelnd, weil die Zigarette beim Sprechen zwischen ihren Lippen hing.
»Hat dir das deine Mutter beigebracht?«, fragte ich, bemüht, das Scherzhafte deutlich mitschwingen zu lassen. Doch meine innere Spannung und die vor Martina verheimlichte Anstrengung, gezielt auf ein bestimmtes Thema zuzusteuern, verlieh meinen Worten eine steife Ernsthaftigkeit. Sie bemerkte es, lachte
Die erste Runde hatte ich hinter mir. Ich befand mich wieder an der Ausgangsposition. Also nahm ich unverzüglich die zweite Runde in Angriff und sagte: »Hast du dich überhaupt schon gefragt, wer ich bin?«
»Nein«, antwortete sie ohne Bedenkzeit. »Hast du dich denn schon gefragt, wer ich bin?«
Sie konterte nicht schlecht. Das musste ich ihr lassen.
»Du machst dir heute so deine Gedanken, was?«, hängte sie an.
Ich drehte ihr das Gesicht zu und lächelte kurz.
»Oder willst du mir etwas sagen?«, fragte sie.
Sie konterte nicht nur gut, sondern sie traf auch gut. Seltsamerweise fiel jedoch genau in diesem Moment jede Art dieses eigentlich seit vier Wochen in mir festsitzenden Schreckens, sie könnte zu viel über mich wissen, von der Front meiner Gefühle weit zurück. Das hieß: Ich konnte den Schrecken zwar noch denken, aber fühlen konnte ich ihn nicht mehr.
»Hat dich eine Frau namens Charlotte angerufen?«, sprach ich es endlich aus. Und es lag mir nichts daran, die Antwort abzuwarten, also fuhr ich fort: »Sie will mich bei dir nämlich anschwärzen. Aber das hat nichts zu bedeuten. Sie ist sauer, weil ich sie verlassen habe. Dazu kommt, dass ich ihr ein Kabriolett zu Schrott gefahren habe. Und Geld von ihr habe ich auch verspielt. Ach ja, und der Wagen, in dem wir hier gerade fahren, den hat mir Onkel Samuel, nebst anderem, bezahlt.«
Sie war erstaunt. Ich spürte es deutlich.
»Wie war das?«, fragte sie nach einer kurzen Pause.
»Hat dich Charlotte nicht angerufen?«, fragte ich zurück.
»Wer ist Charlotte? Ich kenne keine Charlotte.« Martina spielte mir nichts vor. »Willst du mich nicht aufklären?«
Ich fand es an der Zeit, irgendwo anzuhalten, denn wir fuhren ununterbrochen. Raus aus der Stadt wollten wir. Gut. Doch das hatten wir längst hinter uns. Ich nahm etwas Gas weg und hielt Ausschau nach einer geeigneten Abzweigung, die uns von der Straße wegführen konnte. Langsam wurde es dunkel, doch noch schaltete ich die Scheinwerfer nicht ein. Martina warf die abgerauchte Zigarette aus dem Wagenfenster. Ich glaubte, eine Unruhe zu spüren, die von ihr ausging. War sie verwirrt? Ich hatte mich ihr in einigen wenigen Sätzen offenbart. Das sollte mir mal einer nachmachen! Ja, ich fühlte mich stolz. Keine Spur von Lächerlichkeit. Ich hatte eine konzentrierte Dosis ausgespritzt und Martina damit eine momentane Lähmung verpasst. Allerdings wagte ich sie nicht anzublicken, vielleicht weil ich befürchtete, sie so lebendig wie zuvor zu sehen.
»Du benimmst dich heute wirklich seltsam«, sagte sie, nachdem sie sich eine neue Zigarette angesteckt hatte.
In etwa hundert Meter Entfernung entdeckte ich einen schmalen Weg, der sich zu einem Plateau hinunter schlängelte, auf dem es, soweit ich das erkannte, hohes Gras gab, von Büschen umzäunt. War das ein Platz, um sich hinzulegen? Wieso dachte ich das plötzlich? Zudem: Wir hatten doch den Wagen. Und überhaupt: Es gab einiges zu bereden. Warum war ich nicht ehrlich zu mir? Ich fühlte mich unvermittelt in der Lage, dieses ganze komplizierte Gefüge, das ich um uns herum aufzurichten im Begriff war und das sowieso nie richtig funktionieren würde, kurzerhand zu Müll zu erklären. Suchten wir beide nicht etwas anderes?
Verstand Martina überhaupt, was ich ihr sagen wollte? »Es wird langsam dunkel«, stellte sie einfach fest.
Ich kannte die Gegend, in der wir uns befanden, nicht besonders gut. Allerdings wusste ich, dass wir uns einem Motel mit Restaurant und Tankstelle näherten. Dort vorbeizufahren, wollte ich vermeiden, und zwar aus dem einfachen Grund: Mir lag im Moment nichts mehr daran, mit Martina in einem Lokal zu sitzen.
Ohne sie vorzuwarnen, bog ich ab. Ich hatte den schmalen Weg im letzten Augenblick entdeckt. Der Wagen war, trotz des heruntergesetzten Tempos, zu schnell. Auf dem Teerbelag der Straße kreischten die Pneus, auf dem Schotter des Wegs brachen sie hinten aus. Martina klammerte sich lautlos am Sitz fest. Das ganze Manöver dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte ich alles wieder im Griff. Ich lehnte mich zurück, um lockerer zu wirken. Dann wandte ich mich Martina zu, lächelte.
Sie strich sich mit einer schnellen Bewegung das Haar nach hinten. Die Hand mit der Zigarette zitterte. Inzwischen standen wir, nur der Motor lief noch. In der hereinbrechenden Dunkelheit sah Martinas Gesicht bleich aus. Sie schüttelte den Kopf und fragte leise: »Machst du das immer so?«
»Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, sagte ich.
»Und jetzt?«, fragte sie.
»Es ist hier angenehm kühl«, stellte ich fest und schaltete den Motor aus.
Sie nickte schwach mit dem Kopf.
»Wollen wir ein bisschen zu Fuß gehen?«, schlug ich vor.
Damit war sie einverstanden.
Wir stiegen aus. Der Weg, in den ich abgebogen war, führte durch flaches Gelände mit meist verdorrtem Gras. Weiter vorne entdeckte ich jedoch eine Gruppe von Bäumen und Büschen, die in sattem Grün da standen. Ich nahm an, dass es dort vielleicht einen kleinen Bach oder gar einen Teich gab. Ohne uns zu beeilen, schritten wir darauf zu. »Das sieht hier ganz schön verlassen aus«, sagte Martina.
Ich legte ihr den Arm um ihre Schulter, drückte sie seitlich an mich. Wir blieben stehen und küssten uns. Sofort fühlte ich mich erregt. Was war die ganze Zeit nur in mir vorgegangen? Wie leicht plötzlich alles schien. Die Luft kühlte sich ab, die Nacht brach herein, und hier draußen störte uns niemand. Was wollte ich noch mehr?
»Warst du schon öfters hier?«, fragte mich Martina.
»Nein«, antwortete ich.
»Keine Häuser, nichts. Es mag ja schön sein, aber – « Sie sprach nicht weiter.
Ich schaute sie fragend an, küsste sie nochmals, streichelte СКАЧАТЬ