Gösta Berling. Selma Lagerlöf
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Читать онлайн книгу Gösta Berling - Selma Lagerlöf страница 6

Название: Gösta Berling

Автор: Selma Lagerlöf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754179963

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СКАЧАТЬ die Kavaliere spät in der Nacht vom Trinktische nach dem Fenster schwankten, um zu sehen, ob die Nacht ruhig und sternenklar war, sahen sie oft einen dunklen Schatten über den Hofplatz gleiten, dann wußten sie, daß die Majorin gekommen war, um sich nach ihrem geliebten Heim umzusehen. In solchen Augenblicken hallte der Kavalierflügel wider von dem Hohngelächter der alten Sünder, und spöttische Bemerkungen flogen durch die geöffneten Fenster bis zu ihr hinab.

      Wahrlich – Herzlosigkeit und Hochmut hatten angefangen, ihren Einzug bei den armen Abenteurern zu halten. Sintram hatte Haß in ihre Herzen gesät. Wenn die Majorin ruhig in Ekeby geblieben wäre, hätten ihre Seelen nicht in größere Gefahr geraten können. Es fallen mehr Krieger auf der Flucht als in der Schlacht.

      Die Majorin hegte keinen weiteren Zorn gegen die Kavaliere. Hätte sie ihre alte Macht noch gehabt, so würde sie ihnen die Rute gegeben haben wie ungezogenen Knaben, um ihnen dann hinterher wieder gut zu sein. Jetzt aber war sie in Sorge um ihr geliebtes Besitztum, das den Kavalieren preisgegeben war, um von ihnen gehütet zu werden, wie der Wolf die Schafe hütet.

      Gar mancher hat denselben Kummer durchmachen müssen. Sie ist nicht die einzige, die es mit angesehen hat, wie sich der Verfall über ein geliebtes Heim ausbreitet, die fühlt, was es heißt, wenn uns das Heim unserer Kindheit anschaut wie ein verwundetes Wild. Manch einer fühlt sich wie ein Verbrecher, wenn er sieht, wie die Bäume von Flechten überwuchert, wie die Kiesgänge mit Gras bewachsen sind. Er möchte sich auf die Knie werfen auf diesen Feldern, die einstmals im reichen Saatenschmucke prangten, und sie bitten, ihm die Schmach nicht anzurechnen, die man ihnen angetan hat. Er wendet sich ab von den armen Pferden, es fehlt ihm an Mut, ihrem Blick zu begegnen. Er wagt es nicht, am Zauntor zu stehen, wenn die Herde von der Weide heimkehrt. Kein Fleck auf der Welt erweckt so viel bittere Regungen wie ein verfallendes Heim.

      Ach, ich bitte euch alle, die ihr Felder und Wiesen und freudespendende Blumengärten habt, Sorge dafür zu tragen, sie wohl zu pflegen. Pflegt sie mit Liebe, mit Arbeit! Es ist nicht gut, wenn die Natur über die Menschen trauern muß.

      Wenn ich daran denke, was das stolze Ekeby unter dem Regiment der Kavaliere leiden mußte, da wünsche ich, daß die Majorin ihr Ziel erreicht hätte, daß Ekeby den Kavalieren entrissen wäre.

      Es war nicht ihre Absicht, selber wieder zur Macht zu gelangen. Sie hatte nur ein Ziel, ihr Heim von diesen Tollen zu befreien, von diesen Heuschrecken, diesen Räubern, unter deren Schritten kein Gras wächst.

      Während sie bettelnd das Land durchstreifte und von Almosen lebte, mußte sie unausgesetzt an ihre Mutter denken, und in ihrem Herzen faßte der Gedanke Wurzel, daß niemals bessere Zeiten für sie kommen würden, ehe nicht ihre Mutter das Joch des Fluches von ihren Schultern genommen hatte. Niemand hatte ihr bisher den Tod der Alten vermeldet, folglich mußte sie noch da oben in den Wäldern leben. Trotz ihrer neunzig Jahre lebte sie noch in unablässiger Arbeit, sorgte im Winter für ihre Milchschüsseln und im Sommer für ihre Kohlenmeiler, bis zur Ermüdung arbeitend, sehnsuchtsvoll den Tag erwartend, an dem ihr Lebensberuf erfüllt sein würde.

      Und die Majorin dachte, wenn die Alte so lange lebe, so habe das sicher den Zweck, daß sie den Fluch wieder von ihr nehmen solle. Die Mutter, die ein solches Elend über ihr Kind gebracht hatte, konnte unmöglich sterben.

      So beschloß denn die Majorin, zu der Alten zu gehen, damit sie beide Ruhe finden könnten. Sie wollte durch die finsteren Wälder wandern, an dem langen Fluß entlang, bis sie das Heim ihrer Kindheit erreicht hatte. Eher konnte sie keine Ruhe finden. Gar viele boten ihr in diesen Tagen ein trautes Obdach und die Gaben einer treuen Freundschaft an, sie aber hatte keine bleibende Stätte. Barsch und zornig ging sie von Gehöft zu Gehöft, denn der Fluch bedrückte sie.

      Sie wollte zu ihrer Mutter ziehen, vorerst aber wollte sie für ihr geliebtes Ekeby sorgen. Sie wollte es nicht in den Händen leichtsinniger Taugenichtse, untüchtiger Zechbrüder, gleichgültiger Verschwender der Gaben Gottes lassen. Sollte sie gehen und wiederkommen, um ihr Erbe vergeudet, ihre Schmieden leer, ihre Pferde ausgehungert und ihre Dienstboten fern zu finden? Nein, noch einmal wollte sie alle ihre Kraft zusammenraffen und die Kavaliere vertreiben!

      Wohl wußte sie, daß es ihrem Gatten eine Freude war, zu sehen, wie ihr Erbe vergeudet wurde. Aber sie kannte ihn hinreichend, um zu wissen, daß er, falls sie seine Heuschrecken vertrieb, zu träge sein würde, um für andere zu sorgen. Waren die Kavaliere erst einmal fort, da würde ihr alter Verwalter und Vogt die Leitung des ganzen Betriebes übernehmen und es wieder in die gewohnten Spuren lenken.

      Deswegen war ihr finsterer Schatten viele Nächte lang auf den schwarzen Wegen, die die Eisenwerke umgaben, umhergeschlichen. Sie war bei den Häuslern ein und aus gegangen, sie hatte unten im untersten Raum der großen Mühle mit dem Müller und seinen Gesellen geflüstert sie hatte in dem dunklen Kohlenschuppen mit den Schmieden Rat gepflogen.

      Und alle hatten geschworen, ihr zu helfen. Die Ehre und das Ansehen des großen Besitzes sollte nicht länger den Händen ruchloser Kavaliere überlassen werden, um von ihnen gehütet zu werden, wie der Wind die Asche hütet, wie der Wolf die Schafe hütet.

      Und in dieser Nacht, in der die munteren Herren getanzt und getrunken haben, bis sie in todesmüdem Schlaf auf ihre Betten gesunken sind – in dieser Nacht sollen sie fort. Sie hat das Maß ihres Übermutes voll werden lassen. Finsteren Blickes hat sie in der Schmiede gesessen und gewartet, bis das Fest vorüber war. Sie hat noch länger gewartet, bis die Kavaliere von ihrer nächtlichen Fahrt zurückkamen, sie hat schweigend gewartet, bis man ihr vermeldete, daß das letzte Licht im Kavalierflügel erloschen sei, daß der große Hof schlummernd daliege. Da erhob sie sich und ging hinaus. Es war bereits fünf Uhr des Morgens, noch aber wölbte die dunkle, strahlende Februarnacht sich über der Erde.

      Die Majorin hieß alle Leute sich am Kavalierflügel versammeln; sie selber betrat zuerst den Hof. Sie näherte sich dem Hauptgebäude, klopfte an die Tür und ward eingelassen. Die Tochter des Pfarrers von Broby, die sie zu einem tüchtigen Dienstmädchen erzogen hatte, nahm sie in Empfang.

      »Die gnädige Frau sind herzlich willkommen«, sagte sie, ihr die Hand küssend.

      »Lösche das Licht!« sagte die Majorin. »Glaubst du, daß ich hier den Weg nicht ohne Licht finden kann?«

      Und dann begann sie ihre Wanderung durch das stille Haus. Sie ging vom Keller bis zum Boden, um Abschied zu nehmen. Leisen Schrittes schlich sie von einem Zimmer in das andere.

      Die Majorin sprach mit ihren Erinnerungen. Das Mädchen seufzte und schluchzte nicht, doch Träne auf Träne rollte ihr von den Wangen herab, während sie ihrer Herrin folgte. Die Majorin ließ sie den Leinenschrank und den Silberschrank öffnen und strich mit der Hand über die feinen Damastgedecke und über die prächtigen silbernen Kannen. Auf der Bettenkammer ließ sie die Hand über die hochaufgetürmten Daunenbetten gleiten. Alles Hausgerät – Webstühle, Spinnrocken, Garnwinden mußte sie berühren. Prüfend steckte sie die Hand in die Gewürzlade und befühlte die Reihen von Talglichten, die unter der Decke hingen.

      »Die Lichte sind trocken«, sagte sie. »Sie können herabgenommen und verwahrt werden.«

      In den Keller ging sie, klopfte an die Fässer und ließ die Hand über die Borde mit den Weinflaschen gleiten. Sie war in Speisekammer und Küche, sie befühlte, sie untersuchte alles. Sie streckte ihre Hand aus und nahm von allem in ihrem Hause Abschied.

      Schließlich ging sie in die Zimmer. Im Speisesaal ließ sie die Hand über den großen Klapptisch gleiten.

      »Gar mancher hat sich hier an diesem Tisch sattgegessen«, sagte sie.

      Sie schritt durch alle Zimmer. Sie fand die langen, breiten Sofas an ihrem alten Platz, sie streichelte den kalten СКАЧАТЬ