Gösta Berling. Selma Lagerlöf
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Читать онлайн книгу Gösta Berling - Selma Lagerlöf страница 4

Название: Gösta Berling

Автор: Selma Lagerlöf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754179963

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СКАЧАТЬ welch ein Verbrechen wurde sie denn gestraft? Wo durfte sie auf Barmherzigkeit hoffen, wenn nicht an dieser Tür? Wenn sie einen Menschen gemordet hätte, würde sie dennoch angepocht haben im festen Glauben, daß die da drinnen ihr verzeihen würden. Wenn sie zu dem erbärmlichsten von allen Wesen herabgesunken und elend in Lumpen verkommen wäre, so würde sie dennoch an diese Tür geklopft und einen liebevollen Empfang erwartet haben. Diese Tür war der Eingang zu ihrem Heim – hinter dieser Tür konnte ihrer nur Liebe harren.

      Hatte ihr Vater sie denn jetzt nicht genugsam geprüft? Würde er ihr nicht bald öffnen?

      »Vater, Vater!« rief sie. »Laß mich ein! Mich friert, ich zittere vor Kälte. Es ist entsetzlich hier draußen!«

      »Mutter, Mutter! Die du so viele Schritte mir zuliebe getan, die du so viele Nächte meinetwillen gewacht hast, weshalb schläfst du jetzt? Mutter, Mutter, so wache doch noch diese eine Nacht, und ich will dir nie wieder Kummer bereiten.«

      Sie ruft und versinkt dann in atemloses Schweigen, um einer Antwort zu lauschen. Niemand aber hörte sie, niemand gehorchte ihr, niemand antwortete.

      Da ringt sie die Hände in wilder Angst, aber ihre Augen haben keine Tränen.

      Das lange dunkle Haus mit seinen verschlossenen Türen und schwarzen Fenstern liegt unheimlich, unbeweglich da in der Nacht. Was sollte jetzt nur aus ihr werden, heimatlos wie sie war? Gebrandmarkt, entehrt war sie, solange der Himmel dieser Erde sich über ihr wölbte. Und ihr Vater selber drückte ihr dies glühende Eisen auf die Schulter!

      »Vater!« rief sie noch einmal, »was soll aus mir werden? Die Menschen werden das Schlimmste von mir glauben.«

      Sie weinte und jammerte, ihr Körper war starr vor Kälte.

      Ach, daß ein solcher Jammer über einen Menschen hereinbrechen kann, der eben noch so hoch stand! Ach, es gehört nicht viel dazu, um in das tiefste Elend gestürzt zu werden! Muß uns nicht bange werden vor dem Leben? Wer sitzt in einem sicheren Fahrzeug? Rings um uns her wogt die Sorge gleich einem stürmischen Meer; begehrlich lecken die Wogen an den Seiten des Schiffleins herauf, siehe, sie brausen auf, um es zu überwältigen. Kein sicherer Halt, kein fester Boden, kein zuverlässiges Fahrzeug, soweit das Auge reicht, nur ein unbekannter Himmel über einem Meer von Kummer. – –

      Aber horch! endlich, endlich! Über die Diele nahen leichte Schritte.

       »Bist du es, Mutter?« fragt Marianne.

      »Ja, mein Kind.«

      »Kann ich jetzt hineinkommen?«

      »Der Vater will dich nicht einlassen.«

      »Ich bin in meinen dünnen Schuhen von Ekeby bis hierher durch den Schnee gelaufen. Ich habe hier eine Stunde gestanden und gerufen. Ich friere tot hier draußen. Weshalb seid ihr mir fortgefahren?«

      »Mein Kind, mein Kind, weshalb küßtest du Gösta Berling?«

      »Aber so sage dem Vater doch, daß ich ihn deswegen nicht liebe. Es war ja ein Spiel. Glaubt er, daß ich Gösta heiraten will?«

      »Geh auf den Pachthof hinab, Marianne, und bitte, daß sie dich dort für die Nacht aufnehmen. Der Vater ist trunken. Er will keine Vernunft annehmen. Er hat mich oben gefangen gehalten. Ich schlich hinaus, als ich glaubte, daß er schliefe. Er schlägt dich tot, wenn du ins Haus kommst.«

      »Mutter, Mutter, soll ich zu Fremden gehen, wenn ich ein Heim habe? Ist denn meine Mutter ebenso hart wie mein Vater? Wie kannst du es nur zugeben, daß ich ausgeschlossen werde? Ich lege mich hier draußen in den Schnee, wenn du mich nicht einläßt!«

      Da legte Mariannens Mutter die Hand auf das Schloß, um zu öffnen. Im selben Augenblick aber wurden schwere Tritte auf der Treppe hörbar, und eine scharfe Stimme rief nach ihr.

      Marianne lauschte, ihre Mutter eilte von dannen, die scharfe Stimme schalt sie aus – und dann – –

      Marianne hörte etwas Entsetzliches – sie konnte jeden Ton hören in dem stillen Haus.

       Sie hörte den Schall eines Schlages, eines Stockschlages oder einer Ohrfeige, dann vernahm sie ein schwaches Geräusch und dann abermals einen Schlag.

      Er schlug ihre Mutter, der schreckliche, der riesenhafte Melchior Sinclaire schlug seine Frau!

      Und in bleichem Entsetzen warf sich Marianne auf die Türschwelle nieder und wand sich in ihrer Angst. Jetzt weinte sie und ihre Tränen gefroren zu Eis auf der heimatlichen Schwelle.

      Gnade und Erbarmen! Öffnet, öffnet, damit sie hineinkommen und ihren Rücken unter den Schlägen beugen kann! Ach, daß er ihre Mutter schlagen kann, weil sie ihre Tochter nicht im Schnee erfrieren lassen will, weil sie ihr Kind trösten wollte!

      Tief erniedrigt ward Marianne in jener Nacht. Sie hatte geträumt, daß sie eine Königin sei, und lag nun dort, nicht viel besser als eine gepeitschte Sklavin.

      Aber sie erhob sich in kaltem Zorn. Noch einmal schlug sie ihre blutige Hand gegen die Tür und rief: »Höre, was ich dir sage, du, der du meine Mutter schlägst. Du sollst weinen, Melchior Sinclaire, weinen sollst du!«

      Dann ging die schöne Marianne hin und legte sich in den Schnee zur Ruhe. Sie warf den Pelz ab und lag dort in ihrem schwarzen Sammetkleide, das sich von dem weißen Schnee grell abhob. Sie lag da und malte es sich aus, wie ihr Vater am nächsten Tage bei seiner frühen Morgenwanderung herauskommen und sie dort finden würde. Sie hatte nur den einen Wunsch, daß er selber sie finden möge.

      O Tod, bleicher Freund, ist es denn ebenso wahr, wie es tröstlich ist, daß ich nie umhin kann, dir zu begegnen. Auch zu mir, dem saumseligsten von den Arbeitern der Erde, kommst du einmal, ziehst den verschlissenen Lederschuh von meinem Fuß, reißest mir den Breilöffel und die Mehltonne aus der Hand, nimmst mir die Arbeitskleider vom Leibe. Mit sanfter Hand streckst du mich auf das spitzenverzierte Lager und schmückst mich mit langen, gestickten Linnenkleidern.

      Meine Füße bedürfen der Schuhe nicht mehr, aber meine Hände werden mit schneeweißen Handschuhen bedeckt, die keine Arbeit beschmutzen soll. Von dir der süßen Ruhe geweiht, schlafe ich einen tausendjährigen Schlaf.

      O Erlöser! der saumseligste von den Arbeitern der Erde bin ich, und ich träume mit einem Schaudern von Wollust von dem Augenblick, in dem ich in dein Reich aufgenommen werden soll.

      Bleicher Freund, an mir kannst du gern deine Kraft üben, aber ich sage dir, härter war der Kampf gegen die Frauen entschwundener Zeiten! Die Lebenskräfte waren stark in ihren schlanken Körpern, keine Kälte konnte ihr warmes Blut kühlen.

      Du hattest die schöne Marianne auf dein Lager gelegt, o Tod, und du saßest an ihrer Seite, wie ein altes Kindermädchen an der Wiege sitzet, um das Kind in Schlaf zu lullen. Du treue alte Amme, die du weißt, was gut ist für die Kinder der Menschen, wie muß es dich nicht erbosen, wenn die Spielgefährten mit Lärm und Getöse kommen und dein halbschlummerndes Kind aufwecken. Wie konntest du anders als zürnen, als die Kavaliere die schöne Marianne von dem Lager aufhoben, als ein Mann sie an seine Brust preßte und warme Tränen aus seinen Augen auf ihr Antlitz fielen.

       Auf Ekeby waren alle Lichter gelöscht, alle Gäste hatten sich verabschiedet. Die Kavaliere standen oben im Kavalierflügel allein um die letzte, halbgeleerte Punschbowle.

      Da schlug Gösta an die Bowle und hielt eine Rede auf euch, ihr Frauen entschwundener СКАЧАТЬ