Название: Die Jagd nach dem Meteor
Автор: Jules Verne
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754178751
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Das Haus des Doktor Hudelson war eins der hübschesten Gebäude, und eins, das besser instand gehalten gewesen wäre, hätte man in Whaston wohl vergeblich gesucht. Das reizende Wohnhaus zwischen Hof und Garten mit schönen Bäumen und grünen Rasenflächen lag fast in der Mitte der Morrißstraße. Es bestand aus einem Erdgeschoß und einem Oberstock mit sieben Fenstern Front. An der linken Seite des Daches ragte darüber eine Art viereckiger, gegen dreißig Meter hoher Wartturm empor, der mit einer Terrasse mit Geländer endigte. An dessen einer Ecke erhob sich eine Flaggenstange, an der an Sonn- und Festtagen die Flagge mit den einundfünfzig Sternen der Vereinigten Staaten von Amerika gehißt wurde.
Das oberste Zimmer dieses Turmes war für die speziellen Arbeiten des Besitzers bestimmt. Hier standen die Instrumente des Doktors, die Fernrohre und Teleskope, wenn er die transportabeln darunter in einer schönen Nacht nicht nach der Plattform darüber schaffte, von der aus er den ganzen Himmelsdom ungehindert übersehen konnte. Hier war es, wo sich der Doktor, taub für alle Warnungen der Mrs. Hudelson, oft den schönsten Schnupfen oder die vollendetste Grippe holte.
»Wenn nur der Papa, pflegte Miß Loo gern zu sagen, nicht gar seine Planeten mit einem regelrechten Schnupfen ansteckt!«
Der Doktor hörte jedoch auf nichts; er trotzte zuweilen den sieben bis acht Zentigraden unter Null in den eisigen Winternächten, wo das Firmament besonders klar war.
Von dem Observatorium des Hauses in der Morrißstraße konnte man den Turm des Hauses in der Elisabethstraße bequem sehen. Nur etwa dreiviertel Kilometer trennten beide, und zwischen ihnen erhob sich kein Bauwerk oder breitete ein größerer Baum seine Äste aus.
Ohne sich eines weittragenden Teleskops zu bedienen, erkannte man schon mit einem guten Theaterglase ganz leicht die Personen, die sich auf dem einen oder dem andern Turm aufhielten. Dean Forsyth hatte freilich anders zu tun, als nach Sydney Hudelson auszulugen, und Sydney Hudelson hätte gewiß niemals seine Zeit damit verlieren wollen, daß er sich nach Dean Forsyth umsah. Ihre Beobachtungen richteten sich höher, weit höher hinaus. Sehr natürlich war es dagegen, daß Francis Gordon oft sehen wollte, ob Jenny sich auf der Terrasse befände, und oft sprachen beider Augen in diesem Falle zärtlich miteinander. Darin ist ja wohl nichts Schlimmes zu finden.
Es wäre ja leicht gewesen, zwischen den beiden Häusern eine telegraphische oder telephonische Verbindung herzustellen. Ein vom Wartturm zum andern Turm angelegter Draht hätte dann die zärtlichsten Worte von Francis Gordon an Jenny Hudelson und von dieser an ihren Verlobten übermittelt. Vielleicht wurde diese Lücke nach der Vereinigung des Brautpaares noch ausgefüllt: nach der ehelichen auch die elektrische Verbindung, um die beiden Familien noch enger miteinander zu verknüpfen.
Am Nachmittage desselben Tages, wo die vortreffliche, aber zanksüchtige Mitz eine Probe ihrer Zungenfertigkeit abgelegt hatte, machte Francis Gordon seinen gewohnten Besuch bei Mrs. Hudelson und ihren Töchtern... »und ihrer Tochter, das bitt' ich mir aus!« berichtigte ihn Loo in komischer Entrüstung. Hier wurde er, man kann sich nicht anders ausdrücken, empfangen, als ob er der Gott des Hauses wäre. Jennys Ehemann war er zwar noch nicht – zugegeben, Loo verlangte aber, daß er ihr gegenüber schon gleich einem Bruder wäre, und was sich in diesem kleinen Gehirn festgesetzt hatte, das ließ sich daraus nicht wieder verscheuchen.
Was den Doktor Hudelson betrifft, saß dieser seit vier Stunden in seinem Turmzimmer wie eingemauert. Nachdem er, ganz wie Dean Forsyth, zum Frühstück zu spät erschienen war, hatte er sich eilends – wieder ganz so wie Dean Forsyth – nach der obern Plattform begeben, als die Sonne für kurze Zeit aus den Wolken hervorgetreten war. Nicht weniger beschäftigt als sein Rival, schien er keine Lust zu spüren, wieder hinunterzugehen.
Und doch war es unmöglich, ohne ihn die wichtige Frage zu entscheiden, über die heute in einem Familienrate verhandelt werden sollte.
»Heda, rief Loo, als der junge Mann kaum über die Schwelle des Zimmers gekommen war, da ist ja der Herr Francis, der unausbleibliche Herr Francis! Auf mein Wort, man sieht hier gar niemand mehr als ihn!«
Francis Gordon begnügte sich, dem Mägdlein mit der Fingerspitze zu drohen, und als sich alle gesetzt hatten, begann das Gespräch wie immer in einfachem, herzenswarmem Tone.
Es sah dabei fast aus, als wäre man seit gestern gar nicht getrennt gewesen, und in ihren Gedanken lebten ja wenigstens die beiden Verlobten immer beieinander. Miß Loo behauptete sogar, der »unausbleibliche Francis« wäre stets im Hause, denn wenn er das durch die Tür nach der Straße zu verlassen scheine, schlüpfe er durch die vom Garten her wieder herein.
Man plauderte heute von dem, wovon man immer sprach. Jenny horchte auf das, was Francis sagte, mit größtem Ernste, der ihr doch nichts von ihrem Liebreiz raubte. Mrs. Hudelson versprach, sich das Haus anzusehen, und wenn es für die spätern Bewohner geeignet erschien, sollte es baldigst gemietet werden. Selbstverständlich würde Loo ihre Mutter und ihre Schwester bei dieser Besichtigung begleiten. Sie hätte nimmermehr zugegeben, daß man dabei von ihrem Rate abgesehen hätte.
»Ja... was ich sagen wollte, rief sie plötzlich, wie steht das mit Mister Forsyth? Wird er denn heute nicht hierher kommen?
– Mein Onkel kommt erst um vier Uhr, antwortete Francis Gordon.
– Seine Anwesenheit ist aber für die heute zu entscheidende Frage unentbehrlich, bemerkte Mrs. Hudelson.
– Nun, wenn er ausbliebe, warf Loo mit einer drohenden Handbewegung ein, dann bekäme er's mit mir zu tun und da würde er nicht leichten Kaufs davonkommen!
– Wo ist aber Mister Hudelson? fragte Francis. Wir brauchen ihn hier doch ebenso nötig wie meinen Onkel.
– Der Vater sitzt oben in seinem Turme, sagte Jenny. Wenn ihn jemand riefe, würde er gewiß sofort herunterkommen.
– Das will ich auf mich nehmen, erbot sich Loo. Ich springe die sechs Stockwerke schnell hinaus.«
In der Tat war es unumgänglich, daß Mr. Forsyth und Mr. Hudelson sich hier einfanden. Handelte es sich doch darum, den Tag für die Trauung zu bestimmen. Daß die Hochzeit bald gefeiert werden sollte, darüber war man wohl einig... doch unter der Bedingung, daß das schöne Festkleid der jungen Brautjungfer – ein langes Kleid, wie es erwachsene Damen tragen und das Loo an dem denkwürdigen Tage einweihen wollte – fertig geworden wäre.
In bezug hierauf erlaubte sich Francis auch die scherzhafte Bemerkung:
»Ja, wenn sie nun aber noch nicht vollendet ist, die berühmte Robe?
– Dann, erklärte das herrische Persönchen, dann wird die Hochzeit einfach verschoben!«
Dieser Antwort folgte ein so herzliches lautes Lachen, daß es Mr. Hudelson oben in seinem Wartturme jedenfalls hören mußte.
Der Zeiger der Uhr schlich inzwischen über alle Minutenstriche des Zifferblattes hin, Mr. Dean Forsyth erschien aber nicht. Loo mochte sich noch so weit aus dem Fenster, von dem aus der Eingang zum Hause zu übersehen war, hinausbiegen... kein Mr. Forsyth ließ sich entdecken. Man mußte sich also mit Geduld wappnen, mit einer Waffe, die Loo nicht im geringsten zu handhaben verstand.
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