Der Preis für ein Leben ohne Grenzen - Teil I. Adalbert Dombrowski
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Preis für ein Leben ohne Grenzen - Teil I - Adalbert Dombrowski страница 3

Название: Der Preis für ein Leben ohne Grenzen - Teil I

Автор: Adalbert Dombrowski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754938386

isbn:

СКАЧАТЬ (Schultz) war wie immer freundlich, wenn ich zu ihr kam und bot mir Süßigkeiten an. Nun wohnten wir nicht mehr in Polen, sondern in Westpreußen. Die deutsche Sprache wurde verpflichtend! Ich konnte nicht verstehen, warum wir in der Öffentlichkeit nicht mehr in unserer Muttersprache sprechen durften. Die Polen, die in diesem Gebiet lebten, bekamen einen seltsamen Status: Irgendwie waren sie Deutsche, aber Deutsche einer schlechteren Kategorie. Dies hinderte die Deutsche Wehrmacht allerdings nicht, junge Polen in ihre Armee einzuberufen. Der jüngere Bruder meines Vaters, Józef, wurde gegen Kriegsende in die deutsche Armee einberufen: In der Nähe von Fulda reparierte er als Schreiner Kasernen. Onkel Józefs Schwager, der Bruder seiner Frau Weronika aus dem Hause Drwęcki, wurde zeitgleich zur Zwangsarbeit deutschen Bauern in der Nähe von Kassel geschickt. Angeblich trug Onkel Józef, als er seinen Schwager (den polnischen Häftling, der Zwangsarbeit leistete) besuchte, seine deutsche Uniform. Einer der Gebrüder Dąbrowski – Józef – wurde in die Wehrmacht einberufen, während der andere – Fabian – als polnischer Offizier

Image

      1940 Tuchola. Mama mit Rysia und mir

      Kriegsgefangener im deutschen Lager Woldenberg war. Viele solcher Schicksale polnischer Familien in Westpreußen gab es.

      Manchmal nahm Oma Ludwika Rysia und mich nach Grudziądz mit. Dort wohnte ihre Verwandte Helena Kaube, die Eigentümerin eines Kinos war und so saßen wir mit süßer Limonade in der ersten Reihe des Kinosaals und sahen Märchenfilme - die vorhergehende Wochenschau konnten wir nicht leiden. Mit Bewunderung starrten wir die Leinwand an, auf der sich die Abenteuer abspielten. Rysia und ich kannten viele Lieder aus Filmen, so organisierten wir häufig Vorstellungen zu Hause. Wir zogen Mamas Röcke und Schlafröcke an und wickelten Handtücher wie ein Turban um unsere Köpfe und wir tanzten, sangen und spielten unsere liebsten Filmszenen nach. Manchmal bauten wir auch aus zwei Stühlen, einem Besenstiel und einer Decke ein Puppentheater. Hinter dem Deckentheater erlebten unsere Handpuppen märchenhafte Abenteuer. Mit dünnen Kinderstimmen sangen wir deutsche Lieder und die Hausbewohner applaudierten. um unsere Anstrengungen zu belohnen. Ich erinnere mich, wie ich inbrünstig – aber falsch – sang und dabei mit gebeugten Armen eine Marionette nachahmte:

      „…Hänschen klein ging allein in die weite Welt hinein. Stock und Hut steh`n ihm gut, ist gar wohlgemut. Aber Mutter weinet sehr hat ja nun kein Hänschen mehr. Sieh Mama, ich bin da! ...“

      Wenn wir nicht gerade Theater spielten, gab es für uns Kinder Verpflichtungen. Ich – damals vier Jahre alt - hatte die Aufgabe frisches Brot aus der Bäckerei zu holen. Der Brotlaib war groß und sehr schwer und dazu auch noch sehr heiß – er kam direkt aus dem Ofen. Der Brotlaib roch so gut, dass ich jedesmal ein Stück abbiss bevor ich vor Anstrengung stöhnend die Treppen hinaufging. Ich dachte laut: „So schwer, so heiß, aber so gut!“

      Eines Tages hörte das der Pfarrer der römisch-katholischen Kirche „Bożego Ciała“, der häufig meine Großeltern besuchte. Er erzählte meiner Oma, dass ich das Brot in deutscher Sprache loben würde, und fragte sich warum.

      Oma Ludwika war Polin, dennoch betete sie auf deutsch. Auch in dieser Sprache zählte sie. Sie wurde im damaligen preußischen Besatzungsgebiet geboren und musste in eine deutsche Schule gehen. In diesem Gebiet war deutsch die Amtssprache. In der kirchlichen Messe war Deutsch zusammen mit dem Lateinischen verpflichtend und auch unsere Nachbarn, Siedler aus Deutschland erlaubten uns nicht, diese Sprache zu vergessen. Kinder lernen schnell und sind von Natur aus neugierig, so dass wir uns fließend in mehreren Sprachen verständigen konnten. Aber zu Hause sprachen wir polnisch.

      Es wurde Herbst und im Garten zeigten sich die ersten Äpfel, Pflaumen und Birnen. Opa Kazimierz, der zweifellos mit der Gabe gesegnet war meine Gedanken zu lesen, sagte mit entschiedener Stimme: „Wage es nicht einmal diesen Garten zu betreten!“ Aber wie könnte man von diesen Genüssen des Herbstes nicht kosten? Keine Macht konnte uns Burschen aufhalten.

      In der Ecke hinter der Scheune organisierte Edek, Karol und ich eine Lagebesprechung. Ich kontrollierte, ob die Luft rein war und Opa nicht auf dem Hof zu sehen war. So konnten wir ungesehen an Omas Hühnerstall vorbeihuschen und durchs Gartentor in den Garten gelangen. Wir kletterten auf die Bäume, um das Obst zu erreichen. Ach, diese Birnen! Der Saft floss uns übers Kinn und befleckte unsere Hemden und kurze Hosen. Doch auf dem Kopfe des Schelmen brennt die Mütze! Ich war mir sicher, dass ich sich nähernde Schritte hörte: „Jungs, es kommt jemand! Schnell weg hier“, rief ich und begann hastig vom Baum zu klettern. Das Herz klopfte vor Angst. Meine Kumpel warteten nicht, sie waren schon längst losgerannt. Wir wollten über den Zaun klettern. Edek und Karol sprangen über den Zaun. Und ich? Ich hatte natürlich Pech. An meiner kurzen Hose verfing sich eine der Latten. In einer merkwürdigen Position blieb ich am Zaun hängen. Ich konnte das Hosenbein nicht befreien und in die freundliche Zuflucht des großmütterlichen Gartens springen. Die Furcht hatte mich paralysiert. Ich war überzeugt, dass der Gärtner jeden Augenblick da sein musste. Ich versuchte mich zu befreien. Die Zeit verging, jedoch tauchte niemand auf. Ich beruhigte mich. Als es mir gelang, mich zu befreien, sprang ich schleunigst herab und lief meinen Kumpeln hinterher. Denen werde ich es zeigen! Sie haben mich einfach zurückgelassen, diese Lausbuben!

      Die verschreckten Edek und Karol saßen auf den Treppen des nachbarlichen Grundstücks. „Ihr Feiglinge!!! Wie Ihr einfach verduftet seid“, verspottete ich sie. „Das war doch bloß ein Scherz, dass jemand kommen würde“, flunkerte ich. Die Jungs schwiegen, jedoch ihren Gesichtsausdrücken nach, konnte ich sehen, dass sie doch sehr erleichtert waren. Bis heute bin ich der Meinung, dass Birnen das schmackhafteste Obst unter der Sonne sind.

      Bei uns zu Hause tauchten Postkarten und Briefe von Papa mit Stempeln des Oflags Woldenberg auf. Mama schrieb ihm, meine Schwester Rysia und ich schickten unsere Erinnerungen und Gefühle mit Zeichnungen. Manchmal besuchte uns Onkel Edek aus Warszawa, Mamas jüngerer Bruder, mit seinem „Agfa“ Fotoapparat. Mama zog uns schön an und der Onkel machte Fotos von uns. Mama meinte, dass wir sie Papa ins Lager schicken müssen, damit er sehen könne, wie wir wachsen. Mama schrieb auf das Kuvert die Adresse : Fabian Dąbrowski, Oflag Woldenberg, Baracke 6a. Wir gingen zur Post, um Briefmarken zu kaufen und gaben den Brief auf. Jedoch kam keine Korrespondenz zurück. Mama wurde traurig und machte sich Sorgen. Zeitgleich begann sich die Gestapo für uns zu interessieren. Ich kann mich gut daran erinnern, wie Oma, Opa und Mama flüsternd etwas besprachen, nachdem der Briefträger ein Behördenschreiben gebracht hatte. Mama nahm Rysia und mich an die Hand und wir gingen zum Gestapo-Quartier, welches sich am Hauptplatz befand. Ein Offizier hinterm Schreibtisch fragte uns aus über Papa. Mama antwortete mit ruhiger Stimme, dass sie nichts wisse und dass sie ihren Ehemann seit Kriegsbeginn nicht mehr gesehen habe. Wir fühlten, dass sie sehr aufgeregt war. Zu stark drückte sie unsere kleinen Händchen zusammen.

      Plötzlich begann der Offizier zu schreien, dann zu brüllen und wurde im Gesicht rot wie eine Tomate. Ich sah ihn an und entsetzt versteckte ich mein Gesicht in Mamas Rock. Vor Angst zitterte ich am ganzen Körper. Zu Hause schrie uns niemals jemand an; und hier ein fremder Mann unsere Mutter!? Ich verstand das alles nicht.

      Doch das war nicht alles. Seitdem fiel die Gestapo regelmäßig zu Durchsuchungen in unsere Wohnung ein. Etwas oder eher jemanden suchten sie und ständig brüllten sie. Sobald ihr Auto vor unser Haus fuhr und man den Donner ihrer auf die Holztreppe schlagenden Stiefelabsätze hörte, wies uns Oma Ludwika umso eiliger an, unter die Decke unseres Uropas Piotr Nowak, also ihres Vaters, zu huschen, welcher Tag für Tag krank im Bett lag, während man uns ständig darauf hinwies, ihn bloß nicht zu beunruhigen.

      Wenn die Gestapo kam, lagen wir immer mucksmäuschenstill versteckt unter der dicken Daunendecke. Die Erwachsenen sagten nicht viel, aber ich dachte mir schon, dass mein Vater aus dem Oflag geflohen war! Wohin? Wo versteckte er sich? Niemand wusste es und bis heute haben wir es nicht herausfinden können.

      Der Winter verging und die Frühlingssonne begann zu wärmen. СКАЧАТЬ