Название: Der Preis für ein Leben ohne Grenzen - Teil I
Автор: Adalbert Dombrowski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754938386
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Gewöhnliche Momente gibt es nicht
Ich habe beschlossen achtzig Jahre meines Lebens zu beschreiben. Es war nicht leicht, aber ungewöhnlich interessant: Dies ist die Geschichte eines Jungen, dem die sichere Kindheit genommen wurde; die Tragödie eines Studenten, dem das Fenster zur Welt verschlossen wurde; das Leben eines hochmütigen Pädagogen in den Realia der Volksrepublik Polen (PRL); das Schicksal eines Fluglehrers, dem mit dem Entzug seiner Lizenz gedroht wurde und schließlich die Erzählung eines Polen, der gezwungen wurde, sein Vaterland zu verlassen und für das Wiedererlangen seiner Flügel zu kämpfen. Einsicht in meine IPN-Akten (IPN: Institut für Nationales Gedenken/Gedächtnis der Nation) machten mir die nahezu lückenlose Kontrolle der Sicherheitsorgane über diejenigen Polen klar, die sich im Kreise ihrer Interessen befanden. Selbst geringste Einzelheiten meines Lebens zu Studentenzeit auf Wanderschaft kann ich in den erhaltenen Kopien dieser Dokumente wiederfinden.
Es ist ein Leben in der Fremde sowie ein Leben im Einsatz für die Gesellschaft, insbesondere für aus Polen geflohene Landsleute; die Arbeit eines Piloten über seine Pensionierung hinaus; Schilderungen erlebter ungewöhnlicher und extremst schwieriger Flüge mit dem Flugzeug wie auch Hubschrauber; und vor allem die Verbreitung einer narrensicheren Methode für eine sichere Flugzeuglandung, welche Unfälle vermeidet: Die Landemaschine.
2017, über meinen IPN (Institut für Nationales Gedenken)-Akten. Endlich kann man eine Menge über sich selbst erfahren ...
Erlaubt mir nun bitte, meine Erzählung zu beginnen:
Blutsverbindungen
Meine Mutter Maria Łucia Dąbrowska, geborene Biskup war die älteste Tochter Ludwikas, aus dem Hause Nowak und Kazimierz Biskup. Sie wurde im Jahre 1911 in Margonin (Wojewodschaft Wielkopolska, Chodzieski Landkreis) geboren. Sie hatte einen um zwei Jahre jüngeren Bruder – Edmund Julian – und eine sechs Jahre jüngere Schwester – Aleksandra. Im Jahr 1934 heiratete sie in Tuchola Fabian Dąbrowski, welcher aus einer kinderreichen, Gutsbesitzer-Familie aus Zembrze in der Nähe von Brodnica stammte. Fabians Eltern waren Ignacy Dąbrowski und Anna, aus dem Hause Teodziecki. Ignacys Großvater wurde auf dem Gut in Sugajno geboren und hatte sieben Brüder. Sein Großvater Henryk war Besitzer des großen Landguts Pusta Dąbrówka in der Nähe von Toruń und vermutlich verband ihn eine Verwandtschaft mit dem General Jan Henryk Dąbrowski, welcher die polnischen Legionen in Italien gegründet hatte. Leider verarmte er wegen seines leichten und geselligen Lebenswandels und die Familie zog schließlich auf das sog. Restgut nach Sugajno.
Die dokumentierte Geschichte der Familie Dąbrowski des Jungfrauen-Wappens (eine Jungfrau mit zwei goldenen Trompeten auf rotem Hintergrund) reicht bis Anfang des 15. Jahrhunderts zurück. Der Ahnherr der Familie ist Ritter Smolanga, welcher sich in Pomorze Tylne (Hinterpommern) in der Ortschaft Dąbrówka angesiedelt hatte, woher die Familie ihren Namen bekam. Jan Mikołaj und Hektor Dąbrowski bekleideten Würdenträger-Ämter und setzten in Polnisch-Preußen ihre Unterschriften mit „Dąbrówka“ (gegenwärtig eine kaschubische Siedlung in der Wojewodschaft Pomorskie). Die Geschichte besagt, dass zur tapferen und mutigen Familie Dąbrowski einige Wojewoden, Burgvogte, Landräte, Äbte, Anführer und Generäle gehörten. Es gab auch einen Jesuiten (den Beichtvater des königlich polnischen Heerführers Stefan Czarniecki) und ein Ordensbruder des Malteserordens. Einige ausgewählte Repräsentanten sind:
– Jan X Stanisław – der junge, tapfere Ritter, Teilnehmer der Schlacht bei Wien im Jahr 1683, von Jan III Sobieski erwähnt;
– Jan XI Michał – General, Malteser Ordensbruder, kämpfte an der Seite von König Stanisław Leszczyński;
– Jan XII Henryk – General, Gründer der Polnischen Legionen in Italien.*
(*vgl. Jan Pachoński, 1981: General Jan Henryk Dąbrowski 1755-1818; Verlag des Verteidigungsministeriums, Warszawa)
Mein Vater hatte vier Brüder: Bolesław, Ignac, Józef und Wiktor, sowie zwei Schwestern – Weronika und Leokadia. Fabian erhielt als einziger seiner Geschwister eine abgeschlossene Schulausbildung und wurde Lehrer. Die Familie Dąbrowski war sehr musikalisch. Mein Vater spielte Geige, Cello und Gitarre. Ich weiss nicht, wie sich meine Eltern kennengelernt haben. Aus einem alten Album ist ein Foto einer Gruppe Jugendlicher in Trachten überliefert.
Die Aufschrift lautet: 27. Juni 1932, Czarnocin. Demnach, haben sich meine Eltern 1932 schon gekannt. Nach der Hochzeit wohnten sie in der Schule von Sulęcin. Im Mai 1935 wurde meine ältere Schwester Maria Bożena, Rysia genannt, geboren. Während der Besatzungszeit nannten sie jedoch alle Lilu. Nach kurzer Zeit zogen meine Eltern in die Dorfschule nach Góra, in der Nähe von Kościerzyna, wo ich im darauf folgenden Jahr auf die Welt kam. Mein Großvater Kazimierz Biskup entschied, dass ich den Namen Dionysos, also Dionizy erhalten sollte. Die Mama hätte es lieber gehabt, wenn ich Wojciech hieße. Und so erhielt ich zwei Vornamen: Dionizy Wojciech, dennoch wurde ich in meiner Kindheit Bubi und Dychu genannt.
1935 Sulęcin, meine Eltern Łucja und Fabian Dąbrowscy
Kurz nach meiner Geburt kaufte mein Vater, der von Venezuela fasziniert war, für die ganze Familie Fahrkarten für die Reise über den Atlantik. Der Krieg durchkreuzte jedoch diese Pläne. Nach den ersten Gerüchten, über einen möglich bevorstehenden Kriegsausbruch, wurde mein Vater in die Kavallerie in Grudziądz einberufen. Meine Mutter zog mit uns zu den Großeltern Biskup, die in Tuchola mit Urgroßvater Piotr lebten. Mein Urgroßvater wurde 1848 geboren. Als junger Mann nahm er 1870 am französisch-preußischen Krieg teil. Er diente in der preußischen Armee und behielt die Jahre, die er im besetzten Frankreich verbracht hatte, in guter Erinnerung.
1937 Grudziądz. Mein Vater Fabian Dąbrowski mit einem Freund
Als Offizier verantwortete mein Vater als Anführer einen Pferdezug. Im Septemberfeldzug war dieser Teil der 4.Gruppe des Oberstleutnant (ppłk) Jerzy Staniszewski. Sie kämpften in der Schlacht bei Gródek - in der Nähe von Świecie. Die Nachricht über Vaters Verschwinden wurde mit dem Erhalt seines ersten Briefes geklärt: er geriet am 12. September 1939 in Kriegsgefangenschaft und wurde zunächst nach Kärnten ins Oflag XVIII B Wolfsberg gebracht und dann im Oflag II C in Woldenberg (heute Dobiegniew, Wojewodschaft Lubuskie) inhaftiert.
1937, Grudziądz. Vater - dritter von links in der obersten Reihe - mit Absolventen und dem Offizierskader des Kavallerie-Ausbildungszentrums
Kindheit auf ins Dritte Reich einverleibter Polnischer Erde
Wir lebten in einem kleinen Städtchen, in dem Deutsche und Polen in nachbarschaftlichem Frieden lebten. Unsere deutschen Nachbarn behandelten wir wie unsere Tanten und Onkel. Als jedoch am 2. September 1939 die deutschen Soldaten in Tuchola einmarschierten, änderte sich das. Viele der Nachbarn nahmen uns nicht mehr wahr.