Der Bauch von Paris: mehrbuch-Weltliteratur. Emile Zola
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Название: Der Bauch von Paris: mehrbuch-Weltliteratur

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783753199191

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СКАЧАТЬ Maß hinausgehende große moderne Maschine, wie eine Dampfmaschine, ein für die Verdauung eines ganzen Volkes bestimmter Kessel, ein riesiger metallischer Bauch, verbolzt, vernietet, aus Holz, Glas und Eisen zusammengesetzt, von der Eleganz und Leistungsfähigkeit eines Antriebmotors, der dort in Tätigkeit war mit der Hitze der Heizung, dem schwindelnden Drehen, dem rasenden Beben der Räder.

      Claude aber war vor Begeisterung auf die Bank gestiegen. Er zwang seinen Begleiter, den über dem Gemüse aufgehenden Tag zu bewundern. Es war ein Meer, das sich zwischen den beiden Gruppen der Hallen von der Pointe SaintEustache bis zur Rue des Halles erstreckte. Und an beiden Enden, an den beiden Kreuzungen, stieg die Flut noch an, überschwemmte das Gemüse das Pflaster. Langsam erhob sich der Tag in ganz zartem Grau und wusch alle Dinge in einem hellen Aquarellton. Diese wie dichte Wellen wogenden Haufen und dieser Strom von Grün, der in der Eindeichung des Fahrdamms zu fließen schien gleich dem Hereinbrechen der Herbstregen, nahmen zarte und beperlte Schatten, weiches Veilchenblau, milchig getöntes Rosa, in Gelb ertrunkenes Grün, alle bleichen Farben an, die beim Sonnenaufgang den Himmel zu schillernder Seide werden lassen; und in dem Maße, wie der Brand des Morgens in Stichflammen hinten in der Rue Rambuteau emporstieg, erwachte das Gemüse mehr und mehr und stach ab von der tiefen Bläue, die sich schwer über die Erde hinzog. Salat, Endivie, Lattich, Schikoree zeigten, noch von der fetten Gartenerde bedeckt, ihre strahlenden Herzen; die Spinat und Ampferpacken, die Artischockensträuße, die Bohnen und Erbsenhaufen, die Stapel von mit Strohhalmen zusammengebundenem römischem Salat sangen die ganze Tonleiter des Grüns vom Lackgrün der Schoten bis zum derben Grün der Blätter, eine anhaltende Tonleiter, die erst bei den Flecken der Selleriestengel und den Porreebunden erstarb. Aber die gellendsten Töne, die am lautesten erklangen, waren noch immer die lebhaften Flecke der Möhren und die reinen Flecke der Kohlrüben, die in ungeheurer Menge über den ganzen Markt verstreut waren und ihn mit der grellen Zusammenstellung ihrer beiden Farben erhellten. An der Kreuzung der Rue des Halles türmte sich der Kohl zu Bergen: riesige Köpfe Weißkohl, fest und hart wie Kugeln aus bleichem Metall, Wirsingkohl, dessen große Blätter flachen Bronzebecken ähnelten, Rotkohl, den die Morgenröte in herrliche weinrote Blütenpracht mit karmin und dunkelpurpur Druckstellen verwandelte. Am anderen Ende, an der Kreuzung bei der Pointe SaintEustache, war der Zugang zur Rue Rambuteau durch eine Barrikade von orangefarbenen Kürbissen versperrt, die sich in zwei Reihen zur Schau stellten und ihre Bäuche vorstreckten. Und hier und da entflammten der Goldkäferlack eines Korbes Zwiebeln, das blutige Rot eines Haufens Tomaten, das verwischte Gelb einer Ladung Gurken, das dunkle Violett einer Traube Eierfrüchte, während große, zu Trauertüchern nebeneinandergelegte Schwarzrettiche Löcher von Finsternis inmitten der bebenden Freuden des Erwachens übrigließen.

      Claude klatschte bei diesem Anblick in die Hände. Er fand »dieses lumpige Gemüse« überspannt, toll, erhaben. Und er behauptete, es sei nicht tot; am Abend vorher ausgerissen, erwarte es die Sonne des nächsten Tages, um ihr auf dem Pflaster der Markthallen Lebewohl zu sagen. Er sah es leben, seine Blätter öffnen, als steckten seine Wurzeln noch ruhig und warm in der gedüngten Erde. Er sagte, er höre hier das Röcheln aller Gemüsegärten im Weichbild der Stadt. Inzwischen erfüllte die Menge weißer Hauben, schwarzer Mieder und blauer Kittel die engen Durchgänge zwischen den Haufen. Das Ganze war ein summendes Feld. Schwer schwankten die großen Kiepen der Lastträger über den Köpfen. Die Hökerinnen, die Straßenhändler und die Obstverkäufer kauften ein und hatten es eilig. Korporale und Gruppen von Nonnen umstanden die Berge von Kohl, während Internatsköche umherschnüffelten und einen guten Fund suchten. Immer noch wurde abgeladen; die Fuhrwerke warfen ihre Ladung auf die Erde wie eine Ladung Pflastersteine und gossen eine neue Woge zu den anderen Wogen, die jetzt an den gegenüberliegenden Bürgersteig brandeten. Und hinten aus der Rue du PontNeuf trafen unaufhörlich Wagenzüge ein.

      »Das ist trotz allem verwegen schön«; murmelte Claude verzückt.

      Florent litt. Wie eine übermenschliche Versuchung kam ihm das vor. Er wollte nichts mehr sehen; er betrachtete die Kirche SaintEustache, die schräg vor ihm stand, wie mit Sepia10 auf das Blau des Himmels getuscht mit ihren Rosetten und breiten Bogenfenstern, ihrem Glockenturm und ihren Schieferdächern. Er verweilte beim dunklen Einschnitt der Rue Montorgueil, wo Enden von schreienden Schildern aufblitzten, und bei der stumpfen Ecke der Rue Montmartre, deren mit goldenen Buchstaben überladene Balkons glänzten. Und als er sich wieder der Straßenkreuzung zuwandte, bestürmten ihn weitere Schilder, wie »Drogerie und Apotheke«, »Mehl und Dörrgemüse«, mit dicken roten und schwarzen Großbuchstaben auf verschossenem Grund. Die winkligen Häuser mit schmalen Fenstern erwachten nun und fügten in das breite Straßenbild der neuen Rue du PontNeuf einige gelbe und schöne alte Fassaden des Paris von einst. An der Ecke der Rue Rambuteau standen in den leeren Schaufenstern des großen Neuheitenwarenhauses gutgekleidete Handlungsgehilfen in Weste mit ihren enganliegenden Hosen und ihren breiten blendenden Manschetten und ordneten die Auslage. Weiter weg stellte die Firma Guillot, streng wie eine Kaserne, hinter ihren Fensterscheiben goldgelbe Biskuitpäckchen und Kompottschalen voller Petitfours zur Schau. Alle Läden waren geöffnet. Arbeiter in weißen Kitteln, die ihr Werkzeug unter dem Arm hielten, beschleunigten ihre Schritte und überquerten die Straße.

      Claude war noch immer nicht von seiner Bank heruntergestiegen. Er reckte sich hoch, um bis hinten in die Straßen zu sehen. In der Menge, die er überschaute, gewahrte er einen blonden Kopf mit üppigem Haar, dem ein ganz krauses und zerzaustes schwarzes Köpfchen folgte.

      »He! Marjolin! He! Cadine!« rief er. Und da sich seine Stimme in dem Getümmel verlor, sprang er von der Bank herunter und lief davon. Dann fiel ihm ein, daß er Florent vergessen hatte. Mit einem Satz war er wieder zurück und sagte rasch: »Das letzte Haus der Impasse des Bourdonnais, Sie wissen ja ... Mein Name ist mit Kreide an die Tür geschrieben, Claude Lantier ... Kommen Sie hin und sehen Sie sich die Radierung von der Rue Pirouette an.«

      Er verschwand. Er wußte nicht Florents Namen. Wie er ihn aufgegriffen am Rande eines Bürgersteigs, so verließ er ihn, nachdem er ihm erklärt hatte, was er als Künstler bevorzugte.

      Florent war allein. Er fühlte sich zunächst glücklich in dieser Verlassenheit. Seit ihn Frau François in der Avenue de Neuilly aufgelesen hatte, ging er vor sich hin in einem Zustand von Schlaftrunkenheit und Leiden, der ihm die genaue Vorstellung der Dinge entzog. Er war endlich frei, er wollte sich schütteln, diesen unerträglichen riesenhaften Nahrungstraum abschütteln, von dem er sich verfolgt fühlte. Aber sein Kopf blieb leer; er vermochte in seinem Innern nur eine dumpfe Angst wiederzufinden. Es wurde immer heller, man konnte ihn jetzt sehen. Er betrachtete den jämmerlichen Zustand seiner Hose und seines Überziehers. Er knöpfte den Überzieher zu, klopfte den Staub von der Hose, versuchte sich ein wenig herzurichten und glaubte dabei zu hören, wie diese schwarzen Lumpen ganz laut erzählten, wo er herkam. Er saß in der Mitte der Bank neben armen Teufeln, Herumtreibern, die dort gestrandet waren und auf die Sonne warteten. Die Nächte in den Markthallen sind wohltuend für die Vagabunden. Zwei Schutzleute, noch in Nachtuniform mit Umhang und Käppi, gingen, die Hände auf dem Rücken, auf dem Bürgersteig hin und her. Jedes Mal, wenn sie an der Bank vorbeikamen, warfen sie einen Blick auf das Wild, das sie hier witterten. Florent bildete sich ein, daß sie ihn erkannten, daß sie schon zu Rate gingen, um ihn zu verhaften. Da packte ihn die Angst. Es überkam ihn ein wahnsinniges Verlangen, aufzustehen und davonzulaufen. Aber er wagte es nicht mehr; er wußte nicht, wie er sich aus dem Staube machen sollte. Und die regelmäßigen Blicke der Schutzleute, dieses langsame und kalte Examinieren der Polizei, spannten ihn auf die Folter. Endlich verließ er die Bank, an sich haltend, um nicht mit der ganzen Länge seiner großen Beine zu fliehen, Schritt für Schritt sich entfernend und die Schultern einziehend in dem Entsetzen, die rohen Hände der Schutzleute zu spüren, die ihn von hinten am Kragen packten.

      Er hatte nur noch einen Gedanken, nur noch ein Bedürfnis: fortzukommen von den Markthallen. Er würde abwarten, würde später noch suchen, wenn die Straße frei war. Die drei Straßen an der Kreuzung, die Rue Montmartre, die Rue Montorgueil und die Rue Turbigo, beunruhigten ihn. Sie waren mit Wagen aller Art verstopft. Gemüse bedeckte die Bürgersteige. Er ging also geradeaus bis zur Rue PierreLescot, wo ihm der Kresse und der Kartoffelmarkt undurchdringlich СКАЧАТЬ