Les Misérables / Die Elenden. Victor Hugo
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Название: Les Misérables / Die Elenden

Автор: Victor Hugo

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754173206

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СКАЧАТЬ ein.

      In jener Nacht stieß das Postkabriolett auf dem Wege von Hesden nach Montreuil-sur-Mer bei der Biegung einer Straße; eben als es in die Stadt einfahren wollte, mit einem kleinen Tilbury heftig zusammen, der nach der entgegengesetzten Richtung fuhr und in dem nur eine Person saß, ein Mann in einen Mantel gehüllt. Der Kurier rief ihm zu, er solle anhalten; aber der Andre hörte nicht auf ihn und eilte in scharfem Trabe weiter.

      »Der hat's verteufelt eilig!« meinte der Kurier.

      Der sich so beeilte, war derselbe Mann, dessen bemitleidenswerten Seelenkampf wir oben beschrieben haben.

      Wo wollte er hin? Er hätte es nicht sagen können. Warum eilte er so? Er wußte es nicht. Er fuhr auf's Gerathewohl vor sich hin? Wohin? Ohne Zweifel nach Arras; aber vielleicht auch noch anderswohin. Zeitweise fühlte er dies und erschrack. Er fuhr in die dunkle Zukunft, wie in einen Abgrund hinein. Es trieb, es zog ihn etwas hin. Was in ihm vorging, könnte Niemand sagen; Alle aber werden es verstehen. Welcher Mensch hat nicht wenigstens ein Mal in seinem Leben die dunkle Höhle des Unbekannten betreten?

      Er hatte überhaupt nichts beschlossen, nichts entschieden, nichts geregelt, nichts abgemacht. Keiner der Akte seines Gewissens war ein endgültiger. Er stand immer am Anfang.

      Warum begab er sich nach Arras?

      Er wiederholte sich unaufhörlich seine Auffassung der Lage, wie er sie sich schon, als er den Wagen bei Scaufflaire bestellte, gebildet hatte. Wie die Sache auch ablaufen würde, dachte er, es könne nicht schaden, wenn er Alles mit seinen eigenen Augen sähe und selber die Entwickelung der Dinge beurtheile. Das gebiete ihm sogar die Vorsicht. So sei er der Gefahr ausgesetzt, zu ängstlich, zu skrupulös zu verfahren. Wüßte er erst, weß Geistes Kind Champmathieu sei, wäre es ein schlechter Kerl, so würde er sich kein Gewissen mehr daraus zumachen brauchen, daß er ihn an seiner Statt in's Zuchthaus wandern ließe. Allerdings würde Javert und Brevet, Chenildieu, Cochepaille zur Stelle sein; aber die würden ihn sicherlich nicht wiedererkennen. Das wäre! Javert lagen dergleichen Vermuthungen wer weiß wie fern. Alle hätten nun einmal Verdacht auf Champmathieu, und solch ein Verdacht sei schwer zu entwurzeln. Es sei also nichts zu befürchten. Eine schwere Prüfung wäre es freilich, aber er würde sie überstehen. Hänge doch sein Schicksal, möge ihm noch so Schlimmes drohen, von ihm ab. Namentlich an diesen Gedanken klammerte er sich.

      Im Grunde genommen, freilich hätte er lieber nicht nach Arras gehen mögen.

      Trotzdem ging er.

      Während er sich diesen trübsinnigen Grübeleien hingab, peitschte er von Zeit zu Zeit sein Pferdchen, das wacker seine Schuldigkeit that.

      In dem Maße, wie sein Wagen vorwärts kam, fühlte er etwas in sich, das mehr und mehr zurückwich.

      Bei Tagesanbruch befand er sich auf freiem Felde; Montreuil-sur-Mer lag weit hinter ihm. Der Horizont färbte sich weiß, vor Madeleines Augen glitten, ohne daß er sie recht gewahrte, all die frostigen Gestalten hin, die dem Blick des Beschauers das Grauen eines Wintertages darbietet. Man kann auch des Morgens, eben so gut wie des Abends, graulige Dinge zu sehen bekommen. Er, freilich, sah sie nicht, aber ohne, daß er es inne wurde, so zu sagen auf physische Weise, verfinsterten die schwarzen Schatten der Bäume und Hügel sein wild aufgeregtes Gemüth noch mehr.

      Jedesmal, wenn er an einem der hier sehr dünn gesäten Häuser vorbeikam, dachte er sich: »Wie glücklich, die schlafen dürfen!

      Der Hufschlag des Pferdes, das Geklingel der Glöckchen, das Rädergerassel, einförmige Geräusche, die sich angenehm und gemüthlich anhören, wenn man guter Dinge ist, hatten für sein Ohr einen grausigen Klang.

      Es war heller Tag, als er in Hesdin ankam. Er hielt vor einer Herberge an, um seinen Schimmel verschnaufen und füttern zu lassen.

      Das Pferd war, wie Scaufflaire richtig gesagt hatte, von boulognischer Race, die verschiedne Fehler z. B. einen zu starken Kopf und zu starken Bauch hat, aber dafür besaß es eine breite Brust, ein starkes Kreuz, magre und schlanke Beine und solide Füße, so unschön diese Race auch sein mag sie ist kräftig und gesund. Das brave Thierchen hatte in zwei Stunden seine fünf Meilen zurückgelegt und kein Tropfen Schweiß war an seinem Kreuz zu sehen.

      Madeleine war in dem Wagen sitzen geblieben. Da bückte sich plötzlich der Stallknecht, der den Hafer herbeibrachte und musterte scharf das linke Rad.

      »Fahren Sie weit?« forschte er dann.

      Zerstreut entgegnete Madeleine:

      »Warum?«

      »Kommen Sie weither?« forschte der Stallknecht weiter.

      »Fünf Meilen habe ich jetzt hinter mir.«

      »Hm!«

      »Was haben Sie denn?«

      Der Stallknecht beugte sich abermals nieder, schwieg eine Weile und richtete sich dann wieder in die Höhe mit den Worten:

      »Ja, sehen Sie, das Rad da mag ja fünf Meilen hinter sich gekriegt haben; jetzt aber hält es keine Viertelmeile mehr.«

      Madeleine sprang vom Wagen herab:

      »Was sagen Sie da?«

      »Ich sage, es ist ein wahres Wunder, daß Sie fünf Meilen gefahren und daß Sie sammt Ihrem Pferde nicht im Chausseegraben zu liegen gekommen sind. Sehen Sie mal her.«

      Das Rad war allerdings stark beschädigt. Zwei Speichen waren entzwei und die Schraube, mit der die Nabe an die Achse befestigt war, saß nicht mehr fest.

      »Guter Freund«, erkundigte sich Madeleine, »giebt es hier einen Stellmacher?«

      »Gewiß, mein Herr.«

      »Erweisen Sie mir den Gefallen und holen Sie ihn.«

      »Er wohnt nebenan. Heda! Meister Bourgaillard!«

      Meister Bourgaillard, der Stellmacher, stand gerade auf der Schwelle seiner Thür. Er kam, untersuchte das Rad und machte dabei eine Grimasse, wie ein Chirurg, der ein gebrochenes Bein ansieht.

      »Können Sie dieses Rad auf der Stelle ausbessern?«

      »Ja, mein Herr.«

      »Wann werde ich weiter fahren können?«

      »Morgen.«

      »Morgen?«

      »Ja, die Reparatur wird reichlich einen Tag Arbeit kosten. Hat der Herr Eile?«

      »Große Eile. Ich muß spätestens in einer Stunde wieder aufbrechen.«

      »Das geht nicht, mein Herr.«

      »Ich bezahle, was verlangt wird.«

      »Es geht nicht.«

      »Nun dann gebe ich Ihnen zwei Stunden Zeit.«

      »Heute geht's nicht mehr. Es sind zwei Speichen und eine Nabe zu repariren. Vor morgen früh kann der Herr nicht fahren.«

      »Mein Geschäft duldet keinen Aufschub bis morgen. Statt das Rad auszubessern, könnte man es nicht durch ein anderes ersetzen?«

      »Wie СКАЧАТЬ