Die Bestie im Menschen. Emile Zola
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Название: Die Bestie im Menschen

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754184264

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СКАЧАТЬ dreimal, ebenso oft als er fragte und keine Antwort erhielt.

      »Sprich, in welchem Alter geschah es?«

      Warum den Kampf fortsetzen, sie fühlte ja ohnehin ihr ganzes Leben dahinschwinden. Er würde ihr mit seinen steifen Arbeiterfingern das Herz aus dem Leibe gerissen haben. Sein dringliches Fragen begann von Neuem und nun erzählte sie ihm in der Ohnmacht ihrer Schande und Furcht Alles. Ihre Worte wurden so leise geflüstert, daß sie kaum ihm verständlich waren. Seine wilde Eifersucht sog neue Nahrung aus dem Leiden, welches ihm die ihr entlockten Bilder schufen: er konnte nicht genug hören, er zwang sie, keine Einzelheit zur Vervollständigung der Thatsachen zu übergehen. Das Ohr auf die Lippen der bedauernswerthen Frau gepreßt, lechzte er wie ein Fiebernder nach dieser Beichte, deren Abbrechen seine aufgehobene Faust verhinderte, die jeden Augenblick bereit zum Niederfahren war.

      Ihr ganzes vergangenes Leben in Doinville zog so noch einmal an ihm vorüber, ihre Kindheit, ihre Jugend. War das Unerhörte im Dunkel der Baumgruppen des Parks oder in einem verlorenen Winkel eines Korridors im Schlosse geschehen? Hatte der Präsident es schon auf sie abgesehen, als er sie nach dem Tode seines Gärtners zu sich in sein Haus nahm und sie mit seiner Tochter erziehen ließ? Begonnen hatte die Geschichte zweifellos schon zu jener Zeit, als die anderen Mädchen aus ihren Spielen heraus vor ihm flüchteten, wenn er plötzlich auftauchte, sie dagegen mit verzogenem Mündchen lächelnd auf ihn wartete, um von ihm im Vorübergehen auf die Backe geklopft zu werden. Und später, wenn sie ohne die Augen niederzuschlagen mit ihm zu sprechen wagte und von ihm jede Vergünstigung bewilligt erhielt, hatte sie sich nicht damals schon als die Herrin über ihn gefühlt, der, Anderen gegenüber so würdig und streng, durch seine Nachgiebigkeit von ihr sich das Anrecht auf alle Glückseligkeiten erwarb? O, über diesen schmutzigen Handel, diesen elenden Greis, der sich wie ein Großvater hätscheln ließ, das kleine Mädchen heranwachsen sah, fast stündlich dem Wachsthume ihres Körpers nachfühlte und die Zeit nicht erwarten konnte, bis die Frucht reif war.

      Roubaud stöhnte.

      »Wiederhole, in welchem Alter geschah es?«

      »Als ich sechzehn und ein halbes Jahr alt war.«

      »Du lügst.«

      Leugnen, mein Gott, warum jetzt noch? Ihre Schultern zuckten im Gefühle unermeßlicher Oede und Schwäche.

      »Und wo zum ersten Male?«

      »In la Croix-de-Maufras.«

      Er zögerte einen Augenblick, seine Lippen bewegten sich krampfhaft und ein gelblicher Schein flackerte in seinen Augen.

      »Und es hatte Folgen?

      Sie blieb stumm, doch als er die Faust schwang, sagte sie:

      »Du würdest mir ja doch nicht glauben.«

      »Sprich nur ... Also keine Folgen?«

      Sie antwortete durch ein Schütteln mit dem Kopfe. So war es am besten. Er aber ließ nicht locker, er wollte die Szene bis in alle Einzelheiten kennen lernen. Aus anzüglichen Worten und gemeinen Redensarten bestand sein Fragen. Sie brachte die Zähne nicht mehr auseinander, sie blieb dabei, durch Zeichen mit dem Kopfe ja und nein zu sagen. Vielleicht hätte es beiden einige Linderung verschafft, wenn sie alles gestanden haben würde. Sie fürchtete aber durch Wiedergabe der Einzelheiten keine Erleichterung, sondern noch größeres Ungemach. Und auch ihn würden die haarsträubendsten Thatsachen nicht so gepeinigt haben, wie jetzt die Einbildung. Dieses wollüstige Wühlen aber nach der Wahrheit nährte und trieb die vergifteten Wogen der Eifersucht in seiner Brust wieder zur Empörung. Es war nun geschehen. So lange er lebte, konnte er jetzt nicht mehr diese abscheuliche Vorstellung aus seinen Gedanken bannen.

      Das Schluchzen würgte sie fast.

      »Ah, verflucht ... ah, verflucht ... nein, das kann nicht möglich sein, das ist zu viel, das kann nicht möglich sein!« Von Neuem schüttelte er sie.

      »Warum hast Du mich dann geheirathet. Du gottvergessene Dirne? ... Wie ehrlos, mich so hintergangen zu haben! Die Verbrecherinnen im Gefängnisse sind nicht so schuldbelastet wie Du ... Du verachtetest mich also, Du liebtest mich gar nicht? ... He, warum hast Du mich geheirathet?«

      Sie machte eine flüchtige Bewegung. Wußte sie es in diesem Augenblicke selber? Als sie ihn heirathete, fühlte sie sich glücklich, war es doch nun mit dem Andern zu Ende. Giebt es doch so viele Dinge, die man nicht thun möchte und doch thut, weil es noch das Vernünftigste ist. Nein, sie liebte ihn nicht. Sie hütete sich aber, ihm zu sagen, daß sie ihn nie geheirathet haben würde, wenn ihre Vergangenheit eine andere gewesen wäre.

      »Ihm lag natürlich daran. Dich zu versorgen, nicht? Er fand auch solch ein gutes Schaf ... Er wollte Dich versorgen, um auch das Spiel fortzusetzen, nicht? ... Und Ihr habt es fortgesetzt –bei Deinen zweimaligen Besuchen. Deshalb hat er Dich damals eingeladen?«

      Ein Nicken mit dem Kopfe bestätigte es.

      »Und auch heute aus demselben Grunde? ... Bis in alle Ewigkeiten also dieses kothige Treiben! Und wenn ich Dich nicht erwürge, geht die Geschichte weiter!«

      Seine krampfhaft zuckenden Hände tasteten schon nach ihrer Kehle. Aber diesmal schwieg sie nicht.

      »Da sieht man, wie ungerecht Du bist. Ich war es, die sich weigerte, dorthin zu reisen. Du wolltest mich sogar schicken, worüber ich so ärgerlich war, wie Du Dich erinnern wirst ... Du siehst also, daß ich nicht mehr wollte, und nie wieder würde ich gewollt haben.«

      Er fühlte, daß sie die Wahrheit sagte, aber eine Erleichterung verschaffte ihm dieses Geständnis nicht. Das Eisen saß zu fest in seiner Brust, das, was zwischen ihr und jenem Manne geschehen, war nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Seine Ohnmacht, daß er nichts zur Ausmerzung des Geschehenen unternehmen konnte, peinigte ihn entsetzlich. Ohne sie freizulassen, näherte er sein Gesicht abermals dem ihrigen; er schien von ihrem Anblick wie behext, ihm war, als könnte er sich nicht eher losreißen, als bis er aus dem Blut ihrer blauen Äderchen ihr ganzes Geständniß herausgelesen hätte.

      »In la Croix-de-Maufras, in dem rothen Zimmer,« murmelte er wie von einer Vision gepackt. »Ich kenne es, das Fenster führt auf den Bahndamm, das Bett steht dem Fenster gegenüber ... Ich verstehe, warum Du das Haus erben sollst. Du hast es Dir ja verdient. Er hatte gut über Deine Ersparnisse wachen und Dir die Aussteuer bereiten –das war Deine Gefälligkeit schon werth ... Er, ein Richter, ein Millionär, so geachtet, gebildet und so erhaben! Da soll Einem nicht den Kopf drehen ... Und vielleicht ist er auch noch Dein Vater?«

      Séverine stand mit einem Sprunge auf den Füßen. Angesichts ihrer Schwäche als armes unterlegenes Wesen, zeugte der Stoß, mit dem sie ihn zurückwarf, von einer außergewöhnlichen Kraft. Sie protestirte energisch.

      »Nein, nein, das nicht! Alles was Du willst, nur das nicht. Schlage mich, tödte mich ... Aber sage das nicht. Du lügst.«

      Roubaud hielt noch eine ihrer Hände fest.

      »Was weißt Du davon? Du selbst zweifelst daran, das ist Dein einziger Trost.«

      Als sie ihm ihre Hand entziehen wollte, fühlte er den Ring, die kleine Schlange mit dem Rubinenkopfe an ihrem Finger. Er entriß ihn ihr und zerstampfte ihn in einem abermaligen Wuthanfalle mit dem Absatz auf der Diele. Dann schritt er stumm und aufgeregt durch das Zimmer.

      Sie ließ sich, gleichfalls stumm, auf den Rand des Bettes fallen und blickte ihm mit ihren großen starren Augen nach. Das schreckliche Schweigen hielt an.

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