Die Bestie im Menschen. Emile Zola
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Название: Die Bestie im Menschen

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754184264

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СКАЧАТЬ Ueberziehers war so weit heraufgeklappt, der Rand seines runden Hutes so tief in das Gesicht heruntergezogen, daß man bei dem unstäten Flackern der Gasflammen von seinem Gesicht nur einen Theil des weißen Bartes erkennen konnte. Trotz des durchsichtigen Verlangens des Reisenden, nicht gesehen zu werden, konnten es die Herren Vandorpe und Dauvergne nicht unterlassen, ihm zu folgen. Erst als er vier Waggons weiter das reservirte Koupee bestieg, grüßte er sie. Er war es. Séverine zitterte am ganzen Körper und sank auf das Polster. Ihr Gatte brach ihr fast den nicht losgelassenen Arm, als wollte er ihr frohlockend zu verstehen geben, daß er seine Beute jetzt halte und seiner Sache nun gewiß sei.

      In einer halben Minute mußte es halb schlagen. Ein Zeitungsverkäufer bot die Abendblätter an, auf dem Perron wandelten noch einige Reisende umher, um ihre Cigarretten zu Ende zu rauchen. Jetzt stiegen Alle eine: man hörte von beiden Enden des Zuges her die Beamten die Thüren zuschlagen. Roubaud war unangenehm überrascht, als er in der einen Ecke des Koupees, das er für leer gehalten hatte, stumm und unbeweglich eine dunkle Masse lehnen sah, eine Dame in Trauer, es entfuhr ihm aber ein lauter Ausdruck des Zornes, als die Thür plötzlich nochmals geöffnet wurde und ein Beamter ein Paar hereindrängte, einen dicken Mann und eine dicke Frau, die pustend auf die Sitze sanken. Der Zug mußte sich sogleich in Bewegung setzen. Der Regen begann von Neuem fein zu fallen und durchnäßte das wieder im Nebel verschwimmende Gelände; unaufhörlich kreuzten sich hier die Eisenbahnzüge, von denen man nur eine Reihe kleiner, erleuchteter Fenster im Vorüberfahren erkennen konnte. Grüne Lichter tauchten auf und zur ebenen Erde tanzten einige Laternen. Nichts zu sehen als eine unermeßliche Dunkelheit, aus welcher nur die vom schwachen Widerschein des Gaslichts erhellten riesigen Glasdächer der Fernverkehrshallen auftauchten. Alles war düster, selbst die Geräusche klangen abgeschwächt; alles erstickte der Lärm von der Lokomotive, die jetzt ihre Ventile geöffnet hatte und zischende Wirbel von weißen Dämpfen hinausließ. Eine Wolke stieg herauf und schwebte wie ein Bahrtuch empor; dichte schwarze Rauchsäulen, von denen man nicht wußte, woher sie kamen, hoben sich von ihr ab. Und der Himmel schien sich noch mehr zu verdunkeln, ein Gewölk von Ruß schien sich über das nächtliche, von der eigenen Gluth verzehrte Paris zu lagern.

      Jetzt hob der Unter-Inspector die Laterne empor, damit der Maschinist das Signal zur Abfahrt geben konnte. Zweimaliges Pfeifen und dort unten, wo der Weichensteller seinen Posten hatte, verschwand das rothe Licht, um einem weißen Platz zu machen. An der Thür des Gepäckwagens stand der Zugführer und wartete auf den Befehl zur Abfahrt, welchen er weitergab. Abermals ein langgedehnter Pfiff, der Maschinist öffnete seinen Regulator und setzte die Lokomotive in Bewegung. Man fuhr, zuerst kaum merklich, dann ging es schneller und schneller. Der Zug fuhr unter dem Ponte de l'Europe hindurch und stürzte sich dem Tunnel von Les Batignolles entgegen. Man sah von ihm nur noch, wie blutende offene Wunden, die drei Schlußlaternen, das rothe Dreieck. Einige Sekunden noch konnte man seinen Weg in dem schwarzen nächtlichen Schauer verfolgen. Jetzt flog er dahin und nichts konnte mehr seinen Lauf unter vollem Dampfe aufhalten. Er verschwand.

       Zweites Kapitel

      In einem von der Eisenbahn durchschnittenen Park und so nahe den Geleisen, daß alle vorüberfahrenden Züge es bis in seine Grundmauern erzittern machen, liegt in schräger Linie das Landhaus von la Croix-de-Maufras. Wen einmal die Reise an ihm vorübergeführt hat, der verliert es nicht mehr aus der Erinnerung, selbst wenn er nichts Näheres von ihm weiß. Es ist immer geschlossen und mit seinen grünen Fensterläden zum Schutze vor den westlichen Regengüssen macht es den Eindruck wüster Oede. Und diese Verlassenheit scheint die Einsamkeit dieses verlorenen Winkels noch zu erhöhen; auf eine Meile in der Runde begegnet man keiner menschlichen Ansiedlung.

      Nur das Bahnwärterhäuschen steht in dem Winkel der Landstraße, die über den Eisenbahndamm fort nach dem fünf Kilometer entfernten Doinville führt. Niedrig, mit rissigen Mauern und von Schwamm angefressenen Dachziegeln kauert es wie ein armseliger Bettler inmitten des mit Gemüsebeeten bestellten, von einer lebendigen Hecke eingeschlossenen herrschaftlichen Gartens, in welchem sich auch ein tiefer Schöpfbrunnen vorfindet. Der im gleichen Niveau mit der Bahnstrecke liegende Uebergang befindet sich genau halbwegs zwischen Malaunay und Barentin, vier Kilometer von jeder Ortschaft entfernt. Er wird übrigens sehr wenig benutzt, die halbmorsche Barriere öffnet sich fast nur für die Blockwagen der Kärrner aus dem in einer Entfernung von einer halben Meile mitten in der Forst gelegenen Bécourt. Man kann sich kein abseitigeres, von Menschen mehr gemiedenes Nest denken als dieses, denn der lange Tunnel nach Malaunay hin schneidet jeden Verkehr ab; so kann man zum Beispiel nach Barentin nur auf einem schlecht unterhaltenen Fußpfade gelangen, der längs der Bahnstrecke führt. Aber auch dort sieht man nur selten Leute.

      An dem Abend aber, an welchem unsere Erzählung begann, sah man gegen Dunkelwerden bei einer milden, aber trüben Witterung einen Reisenden, der den Zug in Barentin verlassen hatte, mit lang ausholenden Schritten den Fußpfad nach la Croix-de-Maufras verfolgen. Das Gelände bildet hier eine ununterbrochene Folge von Thälern und Abhängen und durch dieses wellige Land führt die Eisenbahn abwechselnd auf künstlich aufgeschütteten Dämmen und in der Tiefe zwischen den Bergen. Dieser beständige Terrainwechsel, die Höhen und Tiefen zu beiden Seiten der Strecke, verhindern die Anlegung von Landstraßen. Das Gefühl großer Einsamkeit wird dadurch noch vermehrt; das dürre, weiß schimmernde Erdreich ist unbebaut geblieben; halbwüchsige Bäume krönen einige Schwellungen des Bodens, während tief unten durch die Thäler von Weiden beschattete Bäche rieseln. Wieder andre, kreidige Anhöhen sind vollständig nackt und unfruchtbare Abhänge folgen sich; das Schweigen und die Bangigkeit des Todes lagert über der Gegend. Der junge, kräftige Reisende beschleunigte seinen Schritt, als wollte er der Traurigkeit dieses milden Halbdunkels über diesem einsamen Stückchen Erde entrinnen.

      In dem Garten beim Bahnwärterhäuschen schöpfte eine große, kräftige Blondine, ein achtzehnjähriges junges Mädchen mit starken Lippen, grünlich schimmernden Augen und einer niedern Stirn unter den schweren Haarflechten Wasser aus dem Brunnen. Niedlich konnte man sie kaum nennen, denn sie hatte kräftige Hüften und muskulöse Arme wie ein Mann, Als sie eben den den Fußpfad heruntersteigenden Fremden bemerkte, ließ sie den Eimer fallen und eilte vor die durchbrochene Thür, welche die lebendige Hecke abschloß.

      »Oho! Jacques!« rief sie.

      Jener blickte auf. Er mochte sechsundzwanzig Jahre zählen und war ebenfalls groß gewachsen und sehr gebräunt, ein hübscher Bursche mit einem runden regelmäßigen Gesicht, das leider zu stark entwickelte Kinnbacken verunzierten. Seine dicht stehenden Haare, ebenso sein Schnurrbart lockten sich so tiefschwarz, daß dadurch das Fahle seiner Gesichtsfarbe noch verstärkt wurde. Die Feinheit seiner auf den Backen glattrasirten Haut hätte auf einen Herrn der besseren Gesellschaft schließen lassen, wenn man nicht auf der andern Seite die untilgbaren Merkmale des Handwerkers erblickt haben würde: die Schmiere, welche seine Mechanikerhände schon gelb zu färben begann; übrigens waren diese Hände trotzdem klein und geschmeidig.

      »Guten Abend, Flore,« gab er zurück.

      Aber seine Augen, die so lange groß und schwarz in die Welt geblickt hatten, schienen zu erbleichen, als blende sie ein röthlicher Dunst. Die Lider klappten auf und nieder und die Augäpfel wanderten zur Seite. Ein Gefühl unsäglicher Verlegenheit, ja des Uebelseins ließ ihn furchtbar leiden; selbst der ganze Körper machte eine instinktive Rückwärtsbewegung.

      Sie stand unbeweglich da. Ihre Blicke waren fest auf ihn gerichtet, so daß ihr das unfreiwillige Erzittern, dessen er vergebens Herr zu werden sich bemühte, nicht entgangen war. Sie kannte es bereits, es überfiel Jenen jedesmal, wenn er sich einem weiblichen Wesen näherte. Sie schien darüber ernst und traurig gestimmt. In seiner Verlegenheit, die er gern verborgen hätte, fragte er sie, ob ihre Mutter zu Hause wäre, obwohl er ganz genau wußte, daß diese leidend und nicht im Stande war, fortzugehen. Sie antwortete durch ein bloßes Nicken mit dem Kopfe und trat zur Seite, damit Jener sie beim Vorübergehen nicht zu streifen brauchte. Dann ging sie, ohne weiter ein Wort zu verlieren, stolz aufgerichtet zum Brunnen СКАЧАТЬ