Krakatit. Karel Čapek
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Читать онлайн книгу Krakatit - Karel Čapek страница 6

Название: Krakatit

Автор: Karel Čapek

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754186558

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СКАЧАТЬ nur schlafen, endlos schlafen. Ihm war, als sehe er einen türkischen Teppich, dessen Muster sich immer wieder verschoben, ineinanderliefen und veränderten. Es war eigentlich nichts, trotzdem regte es ihn auf. Auch im Schlaf wünschte er Plinius wiederzusehen. Er versuchte, sich seine Gestalt in Erinnerung zu rufen. Statt dessen sah er eine widerlich grinsende Fratze vor sich, die mit gelben, fauligen Zähnen knirschte, bis sie splitterten, und die sie dann stückweise ausspie. Aus irgendeinem Grund kam ihm das furchtbar lächerlich vor, so daß er in lautes, krampfhaftes Gelächter ausbrach, wodurch er erwachte.

      Er war vollkommen in Schweiß gebadet und abgedeckt. Mit fiebrigen Augen blickte er auf Tomesch, der sich im Zimmer eifrig zu schaffen machte und verschiedene Sachen in einen Koffer warf. Aber Prokop erkannte ihn nicht. »Hören Sie, hören Sie doch«, rief er, »ist das nicht komisch? Hören Sie, so warten Sie doch, Sie müssen sich das anhören . . .« Er wollte ihm das Erlebnis mit der Fratze als einen Witz erzählen und lachte darüber; aber er konnte und konnte sich nicht entsinnen, wie es eigentlich war. Das verdroß ihn derart, daß er verstummte.

      Tomesch zog den Überrock an und nahm die Mütze. Er wollte schon nach dem Koffer greifen, da besann er sich und setzte sich zu Prokop auf den Bettrand. »Hör mich an, alter Knabe«, sagte er besorgt. »Ich muß hinausfahren – zum Vater nach Teinitz. Wenn er mir kein Geld gibt, dann – dann kehre ich nicht mehr zurück. Aber mach dir nichts draus. Morgen früh kommt die Hausmeisterin mit einem Arzt, ja?«

      »Wie spät ist es?« fragte Prokop unbeteiligt.

      »Vier . . . fünf nach vier. Es fehlt dir doch hier nichts?«

      Prokop schloß die Augen; er wollte sich um nichts mehr auf der Welt kümmern. Tomesch deckte ihn noch sorgsam zu. Dann war es still.

      Er schlug die Augen weit auf. Die Zimmerdecke, die er über sich erblickte, hatte an den Rändern ein fremdes Ornament. Er tastete zur Seite nach dem Nachttisch und griff ins Leere. Da wandte er sich erschrocken um und sah statt seines breiten Laboratoriumpultes einen fremden Tisch mit einer Lampe darauf. Wo das Fenster sein sollte, stand ein Schrank, anstelle des Waschtisches war eine Tür. Das verwirrte ihn maßlos; er begriff nicht, was mit ihm geschehen war und wo er sich befand. Einen Schwindelanfall überwindend, setzte er sich im Bett auf. Allmählich dämmerte ihm, daß er hier nicht zu Hause war, konnte sich aber nicht entsinnen, wie er hierher geraten war. »Wer ist da?« fragte er laut aufs Geratewohl; er vermochte kaum die Zunge zu bewegen. »Trinken«, sagte er nach einer Weile, »trinken!« Es herrschte eine qualvolle Stille. Er stand auf und suchte, etwas taumelig, nach Wasser. Auf dem Waschtisch fand er eine Karaffe und trank gierig daraus; als er zum Bett zurückkehrte, versagten ihm die Beine; er mußte sich auf einen Stuhl setzen. Er mochte ziemlich lange so gesessen haben; nun schüttelte ihn die Kälte, da er sich beim Trinken mit Wasser begossen hatte. Er begann Mitleid mit sich selber zu empfinden, weil er nicht wußte, wo er sich befand, und nicht einmal bis zum Bett gelangen konnte und so ratlos und ohnmächtig allein war; da brach er in kindliches Schluchzen aus.

      Als es vorbei war, wurde sein Kopf etwas klarer. Er vermochte sogar, bis zum Bett zu gehen und sich niederzulegen. Kaum hatte er sich erwärmt, so versank er in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

      Als er erwachte, war der Vorhang hochgezogen, das Tageslicht drang grau durchs Fenster, und im Zimmer war ein wenig aufgeräumt. Er wußte nicht, wer das gemacht haben konnte, aber sonst erinnerte er sich genau an die gestrige Explosion, an Tomesch und dessen Abreise. Er hatte rasende Kopfschmerzen, fühlte einen Druck auf der Brust und wurde von einem stechenden Husten gequält. Das ist böse, sagte er zu sich, das ist ganz böse; ich sollte nach Hause gehen und mich niederlegen! Er stand auf und begann langsam sich anzukleiden, immer wieder ein wenig ausruhend. Eine Zentnerlast schien ihm auf die Brust zu drücken. Dann setzte er sich geistesabwesend nieder und atmete schwer.

      Da ertönte kurz und dünn die Klingel. Er erhob sich mühsam und ging öffnen. Auf der Schwelle stand ein junges Mädchen, das Gesicht verschleiert.

      »Wohnt hier . . . Herr Tomesch?« fragte sie eilig und bedrückt.

      »Bitte«, sagte Prokop und gab ihr den Weg frei. Als sie, etwas zögernd, knapp hinter ihm eintrat, verspürte er einen schwachen lieblichen Duft, den er beglückt einatmete.

      Er setzte sich ihr gegenüber neben das Fenster und bemühte sich, nach Möglichkeit gerade zu sitzen. Er fühlte, daß er sich vor lauter Anstrengung ernst und steif ausnahm, was beide in große Verlegenheit brachte. Das Mädchen biß sich in die Lippen und schlug die Augen nieder. Ach, diese liebliche Glätte der Wangen, diese zarten, so erregten Hände! Sie blickte auf, und Prokop hielt den Atem an, so schön erschien sie ihm.

      »Ist Herr Tomesch nicht zu Hause?« fragte das Mädchen.

      »Er ist weggefahren«, antwortete Prokop zögernd, »heute nacht.«

      »Wohin?«

      »Nach Teinitz, zu seinem Vater.«

      »Wann kommt er zurück?«

      Prokop zuckte mit den Achseln.

      Das Mädchen senkte den Kopf; ihre Hände schienen mit etwas zu kämpfen. »Hat er Ihnen gesagt, warum . . .?«

      »Ja.«

      »Glauben Sie, daß – daß er es tut?«

      »Was, Fräulein?«

      »Sich erschießen.«

      Prokop erinnerte sich blitzschnell, daß er Tomesch einen Revolver in den Koffer hatte packen sehen. »Vielleicht mache ich morgen Schluß«, hörte er ihn wieder sagen. Aber Prokop wollte jetzt nicht davon sprechen.

       »Mein Gott, mein Gott«, klagte das Mädchen, »das ist ja furchtbar! Was meinen Sie . . . wenn – ihm jemand nachfahren würde! Ihm alles sagen – Geld geben würde – da hätte er doch keinen Grund mehr, es zu tun. Wenn man ihm heute noch nachfahren würde –«

      Prokop sah, wie sie verzweifelt die Hände rang.

      »Ich fahre zu ihm«, sagte er leise. »Ich habe zufällig – in der Gegend zu tun. Wenn Sie wollen . . . ich –«

      Das Mädchen hob den Kopf. »Wirklich?« rief sie erfreut. »Sie würden –?«

      »Ich bin ein alter Freund von ihm«, erklärte Prokop.

      »Sie sind zu gütig«, setzte sie kaum hörbar hinzu.

      Prokop errötete leicht. »Das ist eine Kleinigkeit«, wehrte er ab. »Zufällig habe ich gerade frei – ich wollte ohnehin . . . hinausfahren, und überhaupt . . .« Er machte eine verlegene Handbewegung. »Es ist doch nicht der Rede wert. Ich mache alles – was Sie wollen.«

      Nun wurde das Mädchen rot und blickte schnell weg. »Ich weiß gar nicht, wie ich . . . Ihnen danken soll«, sagte sie verwirrt. »Es tut mir so leid, daß . . . ich Sie . . . Aber es ist sehr wichtig, und dann – sind Sie ja sein Freund. – Oder glauben Sie, ich sollte selber –« Sie überwand sich und blickte Prokop mit klaren Augen an. »Ich habe ihm etwas zu schicken. Ich – ich möchte nicht darüber sprechen.«

      »Ist auch nicht nötig«, sagte Prokop rasch. »Ich übergebe es ihm einfach. Ich bin so froh, daß ich Ihnen . . . daß ich ihm . . . Regnet es denn?« fragte er plötzlich, indem er auf ihre feuchte Pelzjacke sah.

      »Ja.«

      »Das ist gut«, meinte Prokop; aber er dachte, wie angenehm es wäre, die Stirn auf diesen kühlen Pelz zu legen.

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