Krakatit. Karel Čapek
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Читать онлайн книгу Krakatit - Karel Čapek страница 5

Название: Krakatit

Автор: Karel Čapek

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754186558

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СКАЧАТЬ hinab, hinab in die Finsternis. Ein heftiger Aufprall, ein schmerzhaftes Zucken im ganzen Körper, gleich aber erhob er sich wieder und floh weiter. Er raste durch einen labyrinthischen Gang und hörte hinter sich das Tappen der Verfolger. Der Gang verengte sich, begann sich zu schließen, seine Wände neigten sich in grauenhaft unaufhaltsamer Bewegung zueinander. Er machte sich dünn wie ein Pfriem, hielt den Atem an und raste in panischer Angst weiter, um noch durchzukommen, ehe ihn die Wände zermalmten. Schon schlossen sie sich mit steinernem Anprall hinter ihm, während er längs einer eisigen Wand in einen Abgrund taumelte. Er schlug so heftig auf, daß er das Bewußtsein verlor. Als er wieder zu sich kam, war schwärzeste Nacht um ihn. Er tastete die glitschigen Steinwände ab und schrie um Hilfe, aber kein Laut entrang sich seinem Munde, so dicht war die Finsternis.

      Zitternd vor Angst stolperte er auf der Sohle des Abgrunds weiter. Seitlich ertastete er einen Gang und stürzte hinein. Es waren eigentlich Treppen; in unendlicher Ferne blinkte eine schmale Öffnung wie in einem Schacht. Er lief die unzähligen, gefährlich steilen Stufen hinan. Aber oben war nur eine winzige Plattform aus dünnem Blech, die über einer schwindelhaften Tiefe klirrte und schwankte. Von dort führte eine endlose Wendeltreppe aus Eisenplatten hinab. Da hörte er schon das Keuchen seiner Verfolger hinter sich. Dem Wahnsinn nahe vor Entsetzen, sprang er die Stufen der Wendeltreppe hinunter, und hinter ihm stampfte und polterte die Schar der Feinde. Plötzlich endete die Treppe wie abgeschnitten im leeren Raum. Prokop schrie auf, breitete die Arme aus und stürzte wirbelnd ins Bodenlose. Sein Kopf dröhnte zum Zerspringen, er sah und hörte nichts mehr. Mit Füßen, die nicht von der Stelle kamen, lief er ins Ungewisse, getrieben von einem furchtbaren blinden Zwang, irgendwohin zu gelangen, ehe es zu spät war. Immer rascher lief er durch einen endlosen gewölbten Korridor, ab und zu an einem Semaphor vorbeikommend, an dem jedesmal eine höhere Zahl aufleuchtete: 17,18,19. Da begriff er, daß er im Kreise rannte und die Ziffern die Anzahl seiner Runden anzeigten: 40, 41, 42. Da befiel ihn unerträgliches Grauen, er könnte zu spät kommen und nie mehr von hier hinausgelangen. Er lief jetzt mit so rasender Geschwindigkeit, daß der Semaphor vorbeiflitzte wie eine Telegrafenstange hinter einem Schnellzugfenster; schneller, immer schneller! Nun zählte der Semaphor mit Blitzesschnelle nur noch Tausende, Zehntausende von Runden; aber nirgends war ein Ausweg aus diesem Gang. Der Gang war scheinbar gerade und aus glänzendem Metall, und doch kehrte er im Kreise zurück. Prokop schluchzte verzweifelt auf. Das war der Einsteinsche Kosmos, und er mußte darin umkommen! Da ertönte ein markerschütternder Schrei; Prokop hielt starr vor Schrecken inne: das war die Stimme des Vaters. Er begann noch schneller zu laufen, der Semaphor verschwand, Finsternis breitete sich aus. Prokop tastete die Wände entlang und fühlte eine verschlossene Tür, hinter der er verzweifeltes Stöhnen und das Gepolter umstürzender Möbel vernahm. Brüllend vor Angst bohrte Prokop seine Fingernägel in die Tür ein, kratzte und splitterte daran, riß Span um Span heraus, bis er dahinter die vertraute Treppe fand, die er noch als Knabe täglich nach Hause gegangen war. Der Vater oben war am Ersticken, jemand würgte ihn und zerrte ihn auf dem Boden hin und her. Schreiend flog Prokop treppauf. Er war daheim, sah die Gießkanne und die Brotdose der Mutter, die halbgeöffnete Tür zur Küche, wo der Vater röchelnd flehte, sie sollten ihn doch um Gottes willen nicht töten. Aber immer wieder schlugen sie ihn mit dem Kopf auf die Erde. Prokop wollte ihm zu Hilfe eilen, eine blöde, blinde Macht nötigte ihn jedoch, hier auf dem Korridor im Kreise zu laufen, immer rascher im Kreise, bis er krampfhaft zu kichern begann, während drinnen das Stöhnen des Vaters immer schwächer wurde und schließlich ganz erstickte. Unfähig, diesem schwindelerregenden Kreislabyrinth zu entkommen, brach Prokop in irrsinniges Angstgelächter aus.

      Da erwachte er schweißgebadet und zähneklappernd. Tomesch stand zu Häupten des Bettes und legte ihm einen frischen, kühlenden Umschlag auf die heiße Stirn.

      »Das tut gut, das tut gut«, murmelte Prokop, »ich werde nicht mehr schlafen.« Er lag still und blickte auf Tomesch, der dort im Schein der Tischlampe saß. Georg Tomesch, sagte er zu sich, und alle andern, unser ganzer Jahrgang in Chemie. Wer war denn noch dabei? Da hörte er plötzlich eine Stimme: »Herr Prokop wird referieren.«

       Prokop erschrak zutiefst.

      Auf dem Katheder saß Professor Wald und zupfte mit Spinnenfingern an seinem Bart. »Erzählen Sie«, sagte Professor Wald, »was Sie über Sprengstoffe wissen.«

      »Sprengstoffe, Sprengstoffe«, beginnt Prokop nervös, »ihre Sprengkraft beruht darauf, daß – daß – daß sich auf einmal ein großes Gasvolumen aus einem . . . aus einem viel kleineren Volumen Sprengmasse entwickelt . . . Bitte, das stimmt nicht!«

      »Wieso nicht?« fragt Wald streng.

      »Ich – ich – ich habe die Alpha-Explosion entdeckt. Die Explosion erfolgt durch den Zerfall des Atoms. Die Atomteilchen sprengen – sprengen auseinander . . .«

      »Unsinn!« unterbricht ihn der Professor. »Es gibt keine Atome.«

      »Doch, doch, doch, es gibt«, ereifert sich Prokop. »Bitte, ich – ich – ich werde es beweisen –«

      »Überwundene Theorie«, brummt der Professor. »Es gibt überhaupt keine Atome, nur Gumetalle. Wissen Sie, was ein Gumetall ist?«

      Prokop schwitzt vor Aufregung. Dieses Wort hat er noch nie gehört. Gumetall? »Das kenne ich nicht«, gesteht er kleinlaut.

      »Sehen Sie«, sagt Wald trocken. »Und da wagen Sie es, zum Kolloquium zu kommen. Was wissen Sie von Krakatit?«

      Prokop stutzt ängstlich. »Krakatit«, flüstert er, »ist . . . ist ein völlig neuer Sprengstoff, der . . . der bisher . . .«

      »Wodurch gelangt er zur Entzündung? Wodurch? Wodurch explodiert er?«

      »Durch Hertzsche Wellen«, stößt Prokop erleichtert hervor.

      »Woraus schließen Sie das?«

      »Weil es so plötzlich explodiert ist, weil – weil kein anderer Impuls da war und weil . . .«

      »Nun?«

      ». . . weil mir seine Synthese . . . mittels . . . hochfrequenter Oszillationsströme gelungen ist. Es ist bisher noch nicht – nicht – nicht – aufgeklärt, aber ich glaube, es – es sind elektromagnetische Wellen.«

      »Stimmt. Ich weiß es. Schreiben Sie uns die chemische Formel für Krakatit an die Tafel.«

      Prokop nimmt ein Stück Kreide und kritzelt seine Formel an die Tafel.

       »Lesen Sie!«

      Prokop liest laut die Formel ab.

      Da steht Professor Wald auf und sagt unvermittelt mit fremder Stimme: »Wie? Wie ist das?«

      Prokop wiederholt die Formel.

      »Tetrargon?« fragt der Professor rasch. »Wieviel – Pb?«

      »Zwei.«

      »Wie wird es hergestellt?« fragt die Stimme merkwürdig nahe. »Der Vorgang! Wie wird es hergestellt? Wie? . . . Wie stellt man Krakatit her?«

      Prokop öffnete die Augen. Tomesch stand über ihn gebeugt, hielt Bleistift und Notizbuch in den Händen und starrte atemlos auf seine Lippen.

      »Was?« murmelte Prokop beunruhigt. »Was willst du? Wie . . . wie man es herstellt?«

      »Du hast geträumt«, sagte Tomesch und verbarg das Notizbuch hinterm Rücken. »Schlaf, Prokop, schlaf!«

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