Krakatit. Karel Čapek
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Название: Krakatit

Автор: Karel Čapek

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754186558

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СКАЧАТЬ Schlaf jetzt!«

      Prokop beruhigte sich. Mit halbgeschlossenen Augen sah er, wie sich Tomesch an den Tisch setzte und in Papieren kramte. Es tat ihm wohl, dem Knistern des Papiers und dem stillen Flackern des Feuers im Ofen zu lauschen. Der Mann saß, über den Tisch gebeugt, den Kopf in die Hand gestützt und atmete kaum. Prokop war es, als sehe er vom Bett aus seinen älteren Bruder, seinen Bruder Josef, wie er Elektrotechnik aus einem Buch lernt, weil er morgen die Prüfung ablegen soll. Und Prokop verfiel in fieberhaften Schlaf.

      3

      Ihm war, als hörte er den surrenden Lärm unzähliger Räder. »Das muß eine Fabrik sein«, dachte er und lief die Treppe hinauf. Da stand er vor einer großen Tür, an der auf einer Glastafel: Plinius zu lesen war. Er freute sich ungemein und trat ein. »Ist Herr Plinius zugegen?« fragte er ein Tippfräulein. »Er kommt gleich«, sagte das Fräulein. Da trat ein großer, glattrasierter Herr im Cutaway und mit riesigen Brillengläsern vor den Augen auf ihn zu und fragte: »Was wünschen Sie?«

      Prokop blickte neugierig in das ungewöhnlich ausdrucksvolle Gesicht des Mannes. Er hatte den Mund eines Engländers, eine zerfurchte Stirn, eine fingernagelgroße Warze auf der Backe und das Kinn eines Filmschauspielers. »Sind – sind – Sie – bitte – Plinius?«

      »Ja«, sagte der große Mann und wies mit knapper Geste auf sein Arbeitszimmer.

      »Ich bin . . . ich fühle mich . . . ungemein geehrt«, stotterte Prokop und nahm Platz.

      »Was wünschen Sie?« unterbrach ihn der hochgewachsene Mann.

      »Ich habe die Materie zertrümmert«, erklärte Prokop. Plinius tat nichts dergleichen; er spielte mit einem Stahlschlüssel und schloß die schweren Augenlider hinter den Brillengläsern.

      »Das verhält sich nämlich folgendermaßen«, begann Prokop überstürzt. »Al-al-alles zerfällt. Die Materie ist spröde, brüchig. Aber ich bringe es zuwege, daß sie plötzlich zerfällt. Durch Explosion! In kleinste Teile, Moleküle, Atome. Ich habe sogar schon Atome zertrümmert.«

      »Schade!« meinte Plinius überlegend.

      »Wieso schade?«

      »Schade, etwas zu zertrümmern. Auch um ein Atom ist es schade. Und weiter?«

      »Ich . . . ich spalte das Atom. Ich weiß, Rutherford hat bereits ähnliches . . . Aber das war nur eine Spielerei mit Strahlungen. Das ist nichts! Es muß im großen geschehen. Wenn Sie wollen, zertrümmere ich eine Tonne Wismut; dabei geht die ga-ganze Welt flöten. Wollen Sie?«

      »Warum sollten Sie das tun?«

      »Weil es . . . wissenschaftlich interessant ist«, antwortete Prokop verwirrt. »Einen Augenblick, ich weiß nicht, wie ich es Ihnen . . . Es ist – ko-los-sal interessant.« Er preßte die Hände an die Schläfen. »Ich glaube, mein Kopf zerspringt; auch das wird . . . wissenschaftlich . . . unerhört interessant sein, meinen Sie nicht? Ach ja, jetzt . . .« fuhr er erleichtert fort, »jetzt kann ich's erklären. Dynamit – Dynamit zerreißt bekanntlich die Masse in Stücke, in Brocken, aber Benzoltrioxozonid zermalmt sie zu Pulver. Es verursacht bloß ein kleines Loch, löst aber die Masse in submikroskopische Fragmente auf als Folge der Detonationsgeschwindigkeit. Die Masse hat keine Zeit mehr auszubrechen; sie kann nicht einmal mehr zerbersten. Ich . . . ich habe nun die Detonationsgeschwindigkeit noch wesentlich gesteigert. Argonozonid. Chlorargonoxozonid. Tetrargon. Und immer weiter. Da kann selbst die Luft nicht mehr ausweichen; sie wird so dicht wie – eine Stahlplatte. Zerbirst in Moleküle und so fort. Von einer gewissen Geschwindigkeit an . . . nimmt die Sprengkraft in gewaltigem Maße zu. Sie wächst . . . im Quadrat. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Woher stammt auf einmal diese Energie?« fragte Prokop fiebernd. »Was meinen Sie?«

      »Vielleicht ist sie im Atom«, erwiderte Plinius.

      »Ja!« rief Prokop begeistert aus und trocknete sich die Stirn. »Das ist der Witz! Einfach im Atom! Es – drückt die Atome ineinander . . . zerrr . . . zerreißt den Beta-Mantel . . . und der Kern muß zerfallen. Wissen Sie, wer ich bin? Ich bin der erste Mensch, der den Koeffizienten der Zusammendrückbarkeit überschritten hat. Ich habe die Atomexplosion entdeckt. Ich . . . ich habe das Tantal aus dem Wismut ausgeschieden. Ahnen Sie überhaupt, was für eine Kraft in einem Gramm Quecksilber enthalten ist? Vierhundertzweiundsechzig Millionen Kilogrammeter. Die Materie ist von einer unvorstellbaren Gewalt. Sie gleicht einem Regiment, das auf der Stelle marschiert: eins, zwei, eins, zwei . . . Aber erteilen Sie den richtigen Befehl, und das Regiment stürmt vor, en avant! Das ist die Explosion. Verstehen Sie mich? Hurra!«

      Prokop erschrak über sein eigenes Geschrei. Es dröhnte ihm derart im Kopf, daß er aufhörte, irgend etwas wahrzunehmen. »Verzeihen Sie«, sagte er, um seine Verlegenheit zu verbergen, und suchte mit bebender Hand sein Zigarrenetui. »Rauchen Sie?«

      »Nein.«

      »Schon die alten Römer haben geraucht«, bemerkte Prokop, seine Zigarrentasche öffnend; es waren lauter schwere Patronen darin. »Bedienen Sie sich«, bot er an, »das ist eine leichte Nobel Extra.« Er biß die Spitze einer Tetryl-Patrone ab und suchte Streichhölzer. »Das ist gar nichts«, sagte er, »aber kennen Sie Explosivglas? Schade! Ich kann Ihnen auch ein Explosivpapier herstellen. Sie schreiben einen Brief, irgendwer wirft ihn ins Feuer, und das ganze Haus fliegt in die Luft. Wollen Sie?«

      »Wozu?« fragte Plinius, die Brauen hochziehend.

      »Ich weiß nicht. Aber die Kraft muß heraus. Ich will Ihnen etwas sagen: Wenn Sie an der Zimmerdecke spazierengingen, was wäre der Erfolg? Ich pfeife vor allem auf die Valenztheorie. Alles läßt sich durchführen. Hören Sie, wie es draußen knallt? Das ist das Gras, das wächst: nichts als Explosionen. Jeder Samen ist eine Explosivkapsel, die explodiert. Wie eine Rakete. Und die Dummköpfe glauben, es gebe keine Tautomerie. Ich werde ihnen eine Metropie zeigen, daß ihnen die Haare zu Berge stehen. Alles Laboratoriumserfahrung.«

      Prokop fühlte entsetzt, daß er Unsinn schwatzte. Er wollte davon loskommen, redete aber nur immer rascher und brachte schließlich alles durcheinander. Plinius wackelte mit dem Kopf hin und her; dann schaukelte er mit dem ganzen Körper und neigte sich dabei immer tiefer und tiefer. Prokop leierte verwirrt Formeln herunter, die Augen starr auf Plinius gerichtet, der mit wachsender Geschwindigkeit wie eine Maschine hin und her pendelte. Der Fußboden unter ihm begann zu schaukeln und sich zu heben.

      »Jetzt hören Sie aber auf, Mensch!« brüllte Prokop entsetzt und erwachte schweißüberströmt. Anstelle von Plinius sah er Tomesch beim Tisch, der, ohne sich umzudrehen, brummte: »Schrei nicht, ich bitte dich.«

      »Ich schreie nicht«, sagte Prokop und schloß die Augen. Das Hämmern im Kopf wurde rascher und schmerzhafter.

      Ihm schien, als flöge er zum mindesten mit der Geschwindigkeit des Lichtes dahin. Sein Herz krampfte sich zusammen. Das ist nur die Fitzgerald-Lorentz-Kontraktion, sagte er sich; ich muß flach werden wie ein Pfannkuchen. Plötzlich stellten sich ihm riesenhafte Glasprismen entgegen; nein, es waren nur unendliche glattpolierte Flächen, die sich in scharfen Winkeln wie kristallographische Modelle durchdrangen. Er wurde mit schwindelerregender Geschwindigkeit gegen eine scharfe Kante getrieben. »Achtung!« brüllte er sich selber zu, denn in der nächsten tausendstel Sekunde mußte er zerschmettern. Da aber flog er schon wieder mit Blitzeseile in entgegengesetzter Richtung, geradeaus auf die Spitze einer Riesenpyramide zu. Es warf ihn wie einen Lichtstrahl gegen eine glatte Glaswand zurück, er glitt daran ab, sauste in einen scharfen Winkel hinein, bewegte sich zwischen dessen Wänden wie verrückt hin und her, worauf es ihn wieder zurückwarf. Abermals prallte er ab und drohte mit СКАЧАТЬ