Germinal. Emile Zola
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Germinal - Emile Zola страница 2

Название: Germinal

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754175019

isbn:

СКАЧАТЬ Mann war gegen zwei Uhr von Marchiennes aufgebrochen. Er machte lange Schritte, denn er fröstelte in seiner Jacke von dünnem Wollenzeug und in seinem Beinkleid von Samtstoff. Sein Päckchen, das in ein karriertes Taschentuch gewickelt war, belästigte ihn sehr; er drückte es bald mit dem einen, bald mit dem anderen Ellenbogen an sich, um beide Hände zugleich in die Taschen stecken zu können, seine erstarrten Hände, die der eisige Ostwind wundgeblasen hatte. Ein einziger Gedanke beschäftigte seinen hohlen Kopf eines arbeits- und obdachlosen Arbeiters: die Hoffnung, daß nach Sonnenaufgang die Kälte weniger empfindlich sein werde. Er mochte eine Stunde so dahingeschritten sein, als er zur Linken zwei Kilometer von Montsou rote Feuer wahrnahm, drei Gluthaufen im freien Felde, die gleichsam in der Luft schwebten. Zuerst zögerte er, von Furcht ergriffen; dann konnte er dem schmerzlichen Bedürfnisse nicht widerstehen, einen Augenblick seine Hände zu wärmen.

      Der Mann betrat einen Hohlweg, der dahin führte. Alles um ihn her verschwand. Zur Linken hatte er eine Plankenwand, die einen Schienenweg abschloß, während rechts eine grasbestandene Böschung sich erhob, gekrönt von Häusergiebeln, die in der nächtlichen Finsternis verschwammen; es war das Schattenbild eines Dorfes mit niedrigen, gleichförmigen Hausdächern. Er machte ungefähr zweihundert Schritte. Plötzlich tauchten bei einer Biegung des Weges die Feuer ganz nahe wieder auf, und er begriff jetzt so wenig wie früher, wie es komme, daß sie so hoch unter dem toten Himmel brannten, rauchenden Monden gleichend. Doch am Boden zog ein anderer Anblick seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war dies eine schwerfällige Masse, eine Gruppe niedriger Gebäude, aus deren Mitte der Schattenriß eines Fabrikschlotes aufstieg; ein Lichtschein drang aus den wenigen schmutzigen Fenstern hervor; außen hingen am Balken fünf oder sechs trübselige Laternen, deren geschwärzte Hölzer sich zu riesigen Gerüsten aneinanderreihten; von dieser phantastischen, in Nacht und Rauch getauchten Erscheinung stieg eine einzige Stimme auf: der laute und lange Atem einer Dampfausströmung, die man nicht sah.

      Da erkannte der Mann, daß er sich bei einem Bergwerk befand. Abermals ward er von Scham ergriffen: was nützte es? Er bekam doch keine Arbeit. Anstatt seine Schritte nach den Gebäuden zu lenken, entschloß er sich endlich, den Hügel zu ersteigen, auf dem die drei Kohlenfeuer in großen, gußeisernen Körben brannten, um Licht und Wärme zur Arbeit zu liefern. Die bei dem Abbau beschäftigten Arbeiter mußten bis in die späte Nacht am Werke gewesen sein, denn es wurde noch immer Schutt herausgeführt. Er hörte jetzt die Abführer die Züge über die Gerüste schieben und unterschied lebende Schatten, die bei jedem Feuer ihre Hunde leerten.

      »Guten Morgen«, sagte er, als er sich einem der Feuerkörbe näherte.

      Der Kärrner stand mit dem Rücken dem Feuer zugewendet; es war ein alter Mann in einer Trikotjacke von blauem Wollenzeug und mit einer Mütze von Kaninchenfell; sein Pferd, ein großer, gelber Gaul, wartete unbeweglich, als sei es von Stein, bis man die sechs Karren, die es heraufgeführt, geleert hatte. Der bei der Ausleerungsvorrichtung angestellte Handlanger, ein roter, magerer Bursche, beeilte sich nicht; mit schläfriger Hand drückte er auf den Hebel. Da oben wehte der Wind noch stärker, ein eisiger Nordost, dessen breite, regelmäßige Stöße gleich Sensenstrichen vorüberzogen.

      »Guten Morgen«, erwiderte der Alte.

      Dann trat wieder Stille ein. Der Fremdling, der sich mit mißtrauischen Blicken betrachtet wußte, sagte sogleich seinen Namen.

      »Ich heiße Etienne Lantier und bin Maschinist. Gibt es hier keine Arbeit?«

      Die Flammen beleuchteten ihn; er mochte einundzwanzig Jahre zählen, war sehr braun, ein hübscher Mann von kräftigem Aussehen trotz seiner kleinen Gestalt.

      Der Kärrner schüttelte den Kopf; er schien jetzt beruhigt.

      »Arbeit für einen Maschinisten?« sagte er. »Nein, nein ... Gestern waren auch zwei da. Es gibt keine Arbeit.«

      Ein Windstoß schnitt ihm das Wort ab. Dann fragte Etienne, indem er auf die dunkle Gruppe von Gebäuden am Fuße des Hügels zeigte:

      »Das ist ein Bergwerk, nicht wahr?«

      Der Alte konnte nicht sogleich antworten. Ein heftiger Hustenanfall drohte ihn zu ersticken. Endlich spie er aus, und sein Speichel bildete einen schwarzen Fleck am roten Erdboden.

      »Ja, das Bergwerk le Voreux ... Der Ort liegt ganz nahe.«

      Er wies mit ausgestrecktem Arme nach dem im Dunkel der Nacht daliegenden Dorfe, dessen Hausdächer der junge Mensch mehr erraten als gesehen hatte. Doch die sechs Hunde waren jetzt leer; der Alte folgte ihnen ohne einen Peitschenknall mit seinen gichtsteifen Beinen, während der große, gelbe Gaul von selbst seinen Gang wieder antrat und zwischen den Schienen mühsam seine Last schleppte, von einem neuen Windstoße gepeitscht, der ihm die Haare sträubte.

      Die Grube le Voreux schien aus dem Nachtschlafe zu erwachen. Etienne, der seine armen, blutenden Hände am Kohlenfeuer wärmte, verlor sich völlig in seinen Betrachtungen und erkannte allmählich sämtliche Teile des Bergwerkes, den geteerten Schuppen des Sichtungswerkes, den Glockenstuhl des Schachtes, die geräumige Halle der Fördermaschine, den viereckigen Turm der Schöpfpumpe. Dieses Bergwerk, das in der Tiefe einer Schlucht lag, schien ihm mit seinen niedrigen Ziegelbauten, seinem wie ein drohendes Horn in die Höhe ragenden Schlot das unheilkündende Aussehen eines gierigen Raubtieres zu haben, das dahockte, um die Welt zu verschlingen. Während er es betrachtete, dachte er an sich selbst, an sein Vagabundenleben, das er seit acht Tagen auf der Suche nach einem Platze führte. Er sah sich in seiner Eisenbahnwerkstätte wieder, wo er seinen Vorgesetzten geohrfeigt hatte, dann aus Lille verjagt und von überall vertrieben. Am Samstag war er in Marchiennes angekommen, wo er in den Eisenhütten angeblich Arbeit finden sollte; aber es war nichts, weder in den Eisenhütten, noch in den Fabriken Sonnevilles; er hatte den Sonntag unter den Hölzern einer Wagnerei verborgen zugebracht, deren Aufseher ihn um zwei Uhr nachts weggejagt hatte. Er hatte nichts mehr, keinen Sou und keinen Bissen Brot; was sollte er anfangen? Ziellos irrte er auf den Heerstraßen und wußte nicht, wohin vor den Unbilden des Wetters flüchten? Ja, es war ein Bergwerk, die wenigen Laternen beleuchteten das Pflaster des Vorhofes; eine plötzlich geöffnete Tür gestattete ihm, die Feuerung der Dampferzeuger in hellem Lichte zu sehen. Er erklärte sich jetzt alles, selbst die Dampfausströmung der Pumpe, dieses laute, lange, unablässige Atmen, das gleichsam der verschleimte Atem des Ungeheuers war.

      Der Handlanger bei der Kohlenlöschhalde stand mit gekrümmtem Rücken da und warf keinen Blick auf Etienne. Dieser wollte eben sein kleines Bündel vom Boden wieder aufheben, als ein Hustenanfall die Rückkehr des Kärrners ankündigte. Man sah ihn langsam aus dem Dunkel auftauchen, gefolgt von dem gelben Gaul, der sechs volle Hunde schleppte.

      »Gibt es in Montsou Fabriken?« fragte der junge Mann. Der Alte warf wieder schwarzen Speichel aus und erwiderte dann:

      »Oh, an Fabriken ist kein Mangel. Man müßte es noch vor drei, vier Jahren sehen! Es summte und brummte ringsumher; man konnte nicht genug Leute finden; nie hatte man einen so guten Erwerb. Jetzt aber sind wieder magere Jahre gekommen. Ein rechtes Elend ist ins Land eingezogen; man entläßt die Leute, die Werkstätten werden geschlossen, eine nach der anderen ... Es ist vielleicht nicht die Schuld des Kaisers; aber warum geht er nach Amerika, sich herumschlagen? Dazu kommt noch, daß das Vieh an der Cholera zugrunde geht geradeso wie die Menschen.«

      In kurzen Sätzen mit stockendem Atem beklagten sich die beiden weiter. Etienne erzählte, wie er seit einer Woche vergebens Arbeit suche. Müsse man denn wirklich vor Hunger umkommen? Bald würden die Landstraßen sich mit Bettlern füllen. »Ja, ja,« meinte der Alte, »das wird bös enden. Gott kann unmöglich wollen, daß so viele Christenmenschen auf die Straße geworfen werden.«

      »Man hat nicht alle Tage seinen Bissen Fleisch.«

      »Wenn man nur alle Tage Brot hätte!«

СКАЧАТЬ