Verspielte Erbschaften. Werner Linn
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Название: Verspielte Erbschaften

Автор: Werner Linn

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783847692102

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СКАЧАТЬ Regierungskoalition, die jedoch durch die eigenen Genossen der Basis in Frage gestellt wird(92). Diese Beispiele machen deutlich, dass das ursprüngliche Parteiengefüge über die Frage der sozialen Marktwirtschaft ins Rutschen geraten ist(93). Erstaunlich erscheint insbesondere, dass linke Parteien einen Abbau des Sozialstaatsprinzips fordern, während rechte Parteien diese Frage nur zögernd in den Mittelpunkt politischer Entscheidungen gerückt haben(94). Diese linken Parteien schwingen sich plötzlich zum Fürsprecher einer mehr marktwirtschaftlich organisierten sozialen Marktwirtschaft auf und überholen dabei die traditionellen Rechtsparteien rechts, während die traditionellen Rechtsparteien ihre politische Zukunft zeitweise auf der linken Seite entdecken und für den Erhalt sozialstaatlicher Grundwerte lautstark eintreten. Zu mutige Initiativen werden mit einem „Salto Rückwärts“ korrigiert, wie etwas das Kirchhoff-Merz-Konzept(95), von dem im Frühjahr 2004 in der offiziellen CDU-Ideologie und Speachregelung nicht mehr viel übrig geblieben ist(96). Dieses Durcheinander verstellt zunächst den Blick für die politische Realität. Beide Richtungen, nämlich linke und rechte Parteien bewegen sich scheinbar in die Mitte und damit aufeinander zu, wenn sie, um das System, das auch ihre Existenz bedingt, zu erhalten versuchten, die Argumente des jeweiligen Gegners übernehmen. Dabei ist ihnen jedes Mittel recht, wenn sogar mit vertauschten Rollen gegeneinander um die scheinbare Mitte gefochten werden soll(97).

      Es versteht sich von selbst, dass der Sache mit derartigen Scheingefechten nicht gedient ist. Sowohl die Wirtschaft als auch die Arbeitnehmer verstehen plötzlich nicht mehr, bei wem ihre Interessen gut aufgehoben sind. Eine Vermischung des Wählerpotentials - ob gewünscht oder nicht - ist die Folge. Dies entspricht auch der Intention beider Richtungen, sich als die neue Mitte darzustellen(98). Das Ganze erinnert eher an Theater und Rollenspiele als an seriöse Politik. Diese Erkenntnis scheint sich auch langsam durchzusetzen, denn gleichzeitig, fast wie koordiniert, rücken Parteistrategen auf beiden Seiten ihre Formationen wieder zurück in Richtung Ausgangsstellung, um das System auch optisch zu erhalten. Auch wenn dieses Spiel den Eindruck von Dynamik und Bewegung zu vermitteln vermag, kann es nicht darüber hinwegtäuschen, dass bestenfalls etwas an den Symptomen der Krankheit des Systems kuriert werden soll und eine Chance zu wirklicher Heilung der Fehler desselben überhaupt nicht besteht. Einer Heilung muss nämlich zunächst eine korrekte Diagnose vorausgehen, um auf dieser aufbauend, einen Heilungsplan zu entwickeln.

      Diagnose: Die soziale Marktwirtschaft auf dem Prüfstand

      Entsprechend der allgemeinen – oben erläuterten - Erkenntnis, dass ein Mehr an Marktwirtschaft ein Mehr an allgemeinem wirtschaftlichem Wohlstand bedeutet, muss man den Reformern im linken Lager(99) Recht geben, die den Sozialstaat begrenzen wollen. Gleichzeitig jedoch stellt sich die Frage, ob eine in dieser Weise vorgenommene Reduzierung überhaupt realisierbar ist. Die Reaktionen der verschiedenen Verbände, insbesondere der Gewerkschaften, haben bereits deutlich gemacht, dass eine Reduzierung sozialer Leistungen bzw. sozialstaatlicher Errungenschaften von weiten Teilen der Bevölkerung ganz einfach nicht hingenommen wurden(100).Wie zu erwarten war, wurden die meisten Reformen überhaupt nicht in die Realität umgesetzt und stellten so lediglich eine „Attraktionsfunktion“ für bestimmte Wirtschaftskreise dar. Nachdem die rotgrüne Bundesregierung abgewählt und durch eine große Koalition ersetzt worden war, zeigte sich, dass auf diese Weise eine Ausuferung des Sozialstaatsprinzips nicht beizukommen war, weil so eine erhebliche Strapazierung des Sozialgefüges schließlich dazu geführt hat, dass auch die schwarz-rote („Große“) Koalition beendet wurde. Die nachfolgende schwarz-gelbe Koalition brachte eine regelrechte Abkehr von den ursprünglich rot-grünen Zielen(101). Sollte jedoch tatsächlich aufgrund zweifelhafter Mehrheitsverhältnisse in dieser Weise einer "Ausuferung" des Sozialstaatsprinzip beizukommen sein, würde dies in jedem Fall eine erhebliche Strapazierung des Sozialgefüges bedeuten, die unter Umständen in einer regelrechten Revolution enden könnte(102). Getreu dem Modell des Sperrklinkeneffekts (Ratchet-Effect) lässt sich das allgemeine Niveau sozialstaatlicher Entwicklung nicht zurückdrehen, ohne dass der Hebel (die Sperrklinke) bricht(103).

      Es stellt sich daher als nächstes die Frage, ob überhaupt eine derartige Reduzierung von Sozialleistungen im weitesten Sinn in diesem vorgesehenen Umfang erforderlich ist.

      Zur Beantwortung dieser Frage muss weiter ausgeholt werden. Rufen wir uns ins Gedächtnis zurück, dass das Sozialstaatsprinzip in erster Linie die Aufgabe hat, Fehler marktwirtschaftlicher Strukturen zu korrigieren(104). Menschen, die mit den marktwirtschaftlichen Prinzipien, sei es aufgrund ihrer Ausbildung, ihrer Herkunft, sei es aufgrund ihrer körperlichen Konstitution bzw. ihres Alters, nicht zurechtkommen, müssen im Rahmen staatlicher Wohlfahrtspflege vor schädlichen marktwirtschaftlichen Konsequenzen geschützt werden. Die Regeln für diese Korrektur dürfen begrifflich nicht die gleichen sein, wie die des zu korrigierenden Systems. Sonst bestünde die Gefahr, dass man sich als besonders weltoffen darstellen will und Menschen von außerhalb als gleichberechtigt aufnimmt und am marktwirtschaftlichen System partizipieren lässt(105). Sobald sich bei ihnen Unverträglichkeiten mit dem System der freien Markwirtschaft einstellen, spannt sich über ihnen den “Schirm des Sozialstaatsprinzips” unter Hinweis auf den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes(106) auf, als ob diese Menschen hier immer gelebt hätten. Der Sozialstaatsgedanke nimmt marktwirtschaftliche Züge an, wenn ein Zuzug bzw. Einwanderung gerade im Hinblick auf das hiesige Sozialsystem erfolgt: Das gesamte System des Sozialstaats wird als Angebot verstanden, das von Gebietsfremden angenommen wird, indem sie ihren Lebensmittelpunkt hierher verlegen. Die Entscheidung, hier leben und arbeiten zu wollen, zieht unweigerlich die Konsequenz einer Partizipation am hiesigem Sozialstaatsprinzip nach sich. Damit aber ist die Überlegung, mit Hilfe des Sozialstaatsprinzips systemimmanente Fehler des marktwirtschaftlichen Prinzips korrigieren zu wollen, in ihr Gegenteil verkehrt: Mit marktwirtschaftlichen Prinzipien wird nunmehr das Sozialstaatsprinzip in einem Markt dargeboten, was dazu führt, dass fast ohne Gegenleistung von Anfang an alle in den Genuss der Früchte dieses Systems gelangen. Der Ausnahmecharakter entfällt, die Ausnahme wird zur Regel.

      Und wie jede gelungene marktwirtschaftliche Marketingoperation ist auch hier plötzlich der Erfolg die Leitlinie für zukünftige Entscheidungen: Der Segen des hiesigen Sozialsystems, der Fremden hier zuteil wird, führt dazu, dass weitere Fremde das großzügige Angebot des Sozialstaatsprinzips annehmen; auf diese Weise werden nicht ein hohes Lohnniveau und ein angeglichener Lebensstandard zum Maßstab für eine intendierte Immigration, sondern ein allgemeines hohes Sozialleistungsniveau, das über die reine Sozialhilfe hinaus als Determinanten insbesondere Arbeitslosengeld, Gesundheitswesen, Kindergeld und die oben erwähnte Sekundärsozialstaatsstruktur wie Mietgesetzgebung und Arbeitsgesetzgebung einschließt. Marktwirtschaftlich ausgedrückt, bedeutet dies den Ausverkauf des Sozialstaats. Der mit Familie „zugezogene“ Ausländer erhält von Anfang an alle Vergünstigungen des Sozialstaats wie Kindergeld, Wohngeld etc. und sieht sich gleichzeitig nicht nur unter dem Schutz einer sozialen Mietgesetzgebung und Arbeitsgesetzgebung, sondern hat die Gewissheit, dass ihm nach eventuellem Verlust seines Arbeitsplatzes, vor dem ihn vielfach großzügig gewährte Prozesskostenhilfe schützen kann, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld und nach Ablauf desselben auf Arbeitslosenhilfe (ALG 2) sicher ist.

      Die hier aufgezählten Auswirkungen auf den Sozialstaat sind jedoch in keiner Weise abschließend. So ist in Zeiten einer wirtschaftlichen Rezession bzw. einer Massenarbeitslosigkeit klar, dass jeder zusätzlich in den Wirtschaftskreislauf integrierte ausländische Arbeitnehmer einem inländischen Arbeitnehmer entweder potentiell oder aktuell den Arbeitsplatz kostet. Dieser fällt dann zunächst der Arbeitslosenversicherung und im Fall von Dauerarbeitslosigkeit der Sozialhilfe (Arbeitslosenhilfe)(107) zur Last. Mit anderen Worten: Ein hier integrierter ausländischer Arbeitnehmer verweist einen verdrängten inländischen Arbeitnehmer auf das Arbeitslosengeld und somit wieder an den Sozialstaat. Darüber hinaus wird der verdrängte Arbeitnehmer unter Umständen hinsichtlich Wohngeld und weiterer Sozialleistungen sozialhilfeberechtigt. Die Auswirkungen werden um so gravierender, je weitergehend der Einfluss des „Zuwanderers“ unter markwirtschaftlichen Gesichtspunkten wird(108). Steigender Bedarf an Wohnraum führt zu steigenden Mieten, die vom verdrängten Arbeitnehmer wiederum über Sozialleistungen (Wohngeld) СКАЧАТЬ