Название: BeOne
Автор: Martha Kindermann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: BePolar-Trilogie
isbn: 9783752906585
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Stopp. Das Auto bremst abrupt und ich werde unsanft von meiner Kiste geschleudert. Sind wir schon da? Oh nein, bitte nicht. Ich habe noch keinen Blick in die anderen Tarnsärge werfen können und eine Ausrede für den zerstörten Deckel muss auch erst noch ausgereift werden.
Eine Tür knallt und es sind Schritte zu vernehmen. Was soll ich machen? Mich unauffällig wieder zurücklegen und schlafend stellen? Ich könnte mich auch bewaffnen und hinter der Plane auf eine passende Gelegenheit für einen Ausbruch warten. Aber was ist dann mit Tam, Sly und den möglichen anderen unserer Gruppe? Ich muss sie zuerst finden!
»Junge, beruhige dich!« Das ist GAMs Stimme, wenn mich nicht alles täuscht. »Keiner von uns wird dir etwas tun. Leg die Waffe auf den Boden und dann steig langsam wieder in deine Kiste. In ein paar Kilometern sind wir am Übergabeort angelangt und dann kannst du tun und lassen, was du willst.«
Junge. Waffe. Übergabeort. Scheiße, einer der Eleven muss durchgedreht sein. Meine Beine zittern und ich kralle verängstigt die Fingernägel ins weiche Holz meiner persönlichen Transportbox. Was mach ich bloß? Einerseits muss ich wissen, wer da draußen gerade mit einer Waffe auf unsere Peiniger losgeht, und andererseits wäre es blanker Selbstmord, sich jetzt zu zeigen und damit nicht nur sein, sondern auch mein Leben zu riskieren. Verflucht, warum haben wir dieses Szenario nie mit Lehmann durchkonstruiert?
PENG. Ein Schuss. Oh nein! Vor Schreck beiße ich mir in die Wange und schmecke das süßliche Blut meiner eigenen Verzweiflung. Zum Nachdenken bleibt keine Zeit. Möglicherweise wurde gerade einer meiner Freunde kaltblütig erschossen. Tam? Sly? Ich habe keine Wahl. So schnell es meine wackeligen Beine und wässrigen Augen zulassen, kämpfe ich mich von Kiste zu Kiste, um deren Inhalt zu prüfen. Waffen. Nichts als Waffen. Wie kann das sein? Wo sind die anderen? Oder ist für jeden Eleven ein LKW ähnlichen Ausmaßes reserviert? Ich mag es mir nicht vorstellen. Eines wird mir schließlich klar: Ich bin allein, die Boliden sind abgelenkt und der Konvoi zum Stehen gekommen. Abhauen wäre definitiv eine Option.
Ich öffne einen Knopf der Plane am Ende des Wagens und spähe hinaus. Hinter mir steht ein weiterer Laster, dessen Fahrerhaus jedoch unbesetzt ist. Gut. Flink schlüpfe ich aus meinem Gefängnis und springe lautlos auf den geteerten Untergrund. Es wäre so einfach. Zu beiden Seiten erstreckt sich ein großer Wald und ich könnte unbemerkt abtauchen. Nach Hause laufen, mich verstecken, Tristan suchen, Fenja umarmen und in ewiger Angst leben. Nein, dafür bin ich nicht so weit gekommen. Dafür haben mich meine Geschwister nicht in die Akademie geschickt. Ich bin kein Feigling, und vor allem lasse ich niemanden hier zurück.
Also schließe ich die Augen, atme tief ein und balle meine Hände zu entschlossenen Fäusten. Wie eine Musterschülerin aus dem Nahkampfkurs pirsche ich mich am Fahrzeug entlang und verstecke mich im Schatten des Vorderrades. Ich sehe eine Person am Boden, acht oder neun Männer mit erhobenen Händen im Halbkreis stehend und Sly, der eine Waffe auf die Muskelpakete im Undergrounderlook richtet. Ich schlage mir die Hand vor den Mund und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Mein mutiger Freund nimmt es gleich mit mehreren dieser Schränke gleichzeitig auf, um uns hier rauszuholen. Andererseits waren es vor dem Schuss noch zehn und die Vermutung liegt nah, dass der gutmütige Sly gerade ein Menschenleben beendet hat und in mir sämtliche Alarmglocken schrillen. Das hat uns keiner beigebracht. Wir lernten niemals den Umgang mit Waffen. Wir schießen nicht, wenn es brenzlich wird, sondern verteidigen uns mit Worten – die Kunst der Rhetorik. Der Typ mit der Knarre mag vielleicht aussehen wie Sly, aber das ist auch schon alles!
»Psst, Roya.« Ich sehe mich verdutzt um, kann das Flüstern jedoch nicht orten. »Hier drüben auf drei Uhr!« Ich wende den Kopf und blicke zu meiner Rechten in den Wald. Wer ist da und vor allem: woher kennt er oder sie meinen Namen?
»Hier. Ich bin es, Akira.« Akira? Jetzt kann ich ein dunkles Gesicht zwischen Zweigen und hohem Gras ausmachen und hebe vorsichtig eine Hand zum Gruß. Was macht sie hier? Ihre Großmutter Daloris meinte, sie sei mit Berd und ein paar anderen zur Sternenwacht oder so ähnlich aufgebrochen. War es ein Vorwand, um diesen Waffentransport zu sabotieren und uns übrige Eleven zu befreien? Mein Herz macht einen dankbaren Satz und sofort scheint nicht mehr alles so ausweglos.
Sie winkt mich zu sich und bevor ich über die Konsequenzen meiner nächsten Handlung nachdenken kann, renne ich geduckt zu Akira ins Dickicht des schützenden Waldes.
»Hi, Roya.«
»Berd?« Ich falle meinem schüchternen Freund um den Hals, um ihn Sekunden später peinlichberührt wieder loszulassen. »Entschuldige, es ist nur verdammt schön euch zu sehen. Was ist hier los? Wo kommt ihr her und was um alles in der Welt…«
»Treibt Sly da draußen?«
»Ja, Akira.« Sie spricht aus, was mir kaum über die Zunge will.
»Zunächst«, fährt sie im Flüsterton fort, »war es ein ungutes Bauchgefühl, was mich und meine kleine Gruppe umkehren ließ. Wir hatten das Loft der Sternenwacht schon beinahe erreicht, als Berd mitten in der Nacht wie ferngesteuert aufwachte und einfach loslief. Ich erwachte, als er eine Aluflasche versehentlich umstieß, und wollte ihn zur Rede stellen. Wie im Nebel lief er weiter. Ich folgte ihm, ohne wirklich zu ihm durchzudringen, und redete weiter auf ihn ein. Als die Fernstraße immer näher kam, stoppte ich ihn mit Gewalt und schüttelte ihn, bis seine Augen wieder klarer wurden. Es war gruselig. Nun ja, Schlafwandler sind keine Seltenheit und wir ließen die Sache ruhen. Kaum drei Stunden später, es war beim Frühstück am Feuer, fängt der Kerl wieder an mit seiner albernen Lauferei und dann wurde es mir zu bunt. Du hättest das sehen müssen. Wie ein Roboter, dessen Marschbefehl ein wenig aus der Bahn geraten ist. Ich kontaktierte Daloris und fragte, ob es auch bei anderen in der Wagenstadt zu seltsamen Ausfällen gekommen sei. Doch ihr wart bereits aufgebrochen und uns blieb nur eine Möglichkeit: Wir mussten euch einholen.« Okay, krass. Das habt ihr geschafft.
»Was denkt ihr, ist Sly möglicherweise auch gerade auf Marschbefehl?« Berd zuckt die Schultern und Akira zieht mich näher zu sich heran.
»Aber sowas von. Sieh ihn dir an, der Typ macht doch nicht freiwillig einen Boliden kalt!«
»Du nennst deine eigenen Leute so?« Ich bin entsetzt von der abfälligen Art und Weise, wie sie über ihre sogenannte Familie herzieht.
»Meine Leute? Ach was. Ich bin froh, dass ich aus dieser Blechstadt abhauen konnte. Daloris muss die Stellung halten und die Wilden in die richtige Richtung lenken, aber ich konnte den Tag nicht erwarten, an dem ich das Sonnenlicht wiedersehen würde.«
»Halt! Deine Großmutter ist also auch keine wahre Aussteigerin?« Mir wird hier gerade alles zu verwirrend.
»Nein, wo denkst du hin. Wir sind von BePolar weg, als die Morenos ihre wahren Gesichter zeigten, und die Boliden boten uns ein verdammt gutes Versteck. Daloris hielt weiterhin Kontakt zu beiden Seiten und ist nun in der glücklichen Lage, die Fäden nach ihrem Belieben ziehen zu können.«
PENG. Oh nein, nicht schon wieder. Mit ihrer Offenbarung hatte Akira mich ganz von der aktuellen Lage und unserem СКАЧАТЬ