Blühende Zeiten - 1989 etc.. Stefan Koenig
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Название: Blühende Zeiten - 1989 etc.

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783752925869

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СКАЧАТЬ geschmuggelt worden, um dann mit anderen Gepäckstücken umgeladen zu werden und auf dem Weg von Frankfurt nach London zu explodieren.

      Für mich stellte sich die Frage, ob die Bombe an Bord der Pan Am 103 geschmuggelt wurde, um gezielt Bernt Carlsson zu töten, damit er sein Wissen über den Mord an dem ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten nicht mehr preisgeben könne. War alles andere nur Vernebelungstaktik? Dann las ich einen anderen Hinweis, der meine Mutmaßung bestärkte: Der CIA-Whistleblower Chip Tatum ging davon aus, dass die USA und Israel selbst hinter dem Attentat steckten und die Bombe tatsächlich für Carlsson bestimmt war. Sie sei im Auftrag der Amerikaner und Israelis vom britischen Geheimdienst in London heimlich an Bord gebracht worden.

      Nun ja, ich notierte mir die Informationen, schnitt die Quellen aus und heftete alles fein säuberlich in meiner Archivakte ab.

      Meine politologische Spürnase schnüffelte in diesen ersten Wochen des neuen Jahres etwas, was nach weltweiter Veränderung roch, oder roch es doch eher nach Kaffeesatz? Wenn ich in diesen Tagen an meine Korrespondenzen mit DDR-Freunden und Kumpels aus Westberlin dachte, glaubte ich allerdings wirklich an mein Gespür für grundlegende Veränderungen. Seit langem demonstrierten Mitte Januar wieder einmal Studenten in beeindruckender Zahl. In verschiedenen Städten der BRD rebellierten sie gegen schlechte Studienbedingungen und gegen die seit Jahren bekannte Wohnungsnot. Bundesbildungsminister Möllemann kündigte eine Aufstockung der Finanzmittel an.

      „Wer daran glaubt, wird selig!“, schrieb mir dazu mein früherer WG-Freund Richy, der immer noch Taxi fuhr. Warum hatte er nicht studiert? Diese Frage hatte ich mir immer gestellt, wenn ich an ihn dachte. Es war wie eine Dauerschleife in meinem Kopf. Schließlich war ich ihm seit Ewigkeiten freundschaftlich verbunden. Aber hatte ich überhaupt das – wenn auch gut gemeinte – Recht, diese Frage zu stellen? Hatte ich nicht einfach zu akzeptieren, dass zum Einen nicht alle studieren mussten, um ihre persönliche Erfüllung zu finden? Und zum Anderen: Hatte ich in meinem Berufsleben nicht selbst äußerst eigenwillige Wege eingeschlagen? Aber Richy war so klug und begabt; es schien mir eine Vergeudung, dass er seine Talente der Menschheitsfamilie vorenthielt.

      Als ich diese Meinung gegenüber Emma einmal ausgesprochen hatte, hatte sie mich verwundert angeschaut und gesagt: „Eine Nummer größer geht’s wohl nicht, was? Menschheitsfamilie! Hat dein Freund irgendeinen Vertrag mit der »Menschheitsfamilie« unterschrieben?“

      Ich ging in mich und nahm mir vor, ihn nicht mehr darauf anzusprechen. Wollte ich, dass mich jemand aus meinen alten Freundschaftskreisen fragte, warum ich, der ich mich als Antikapitalist verstand, nun als Unternehmer tätig war?

      Dann musste ich plötzlich an Rolf denken, der durch das Saufen Invalide geworden war. Richy kümmerte sich um unseren ehemaligen WG-Alkoholiker so gut er konnte. Dafür war ich Richy insgeheim unendlich dankbar, denn ich, als alter „Ursprungsfreund“ von Rolf, konnte es nicht stemmen. Nicht nur, weil ich fernab von Berlin zu Hause war. Nein, auch mit Familienanhang und mit meiner beruflichen Laufbahn war es mir einfach unmöglich. Ich wusste, dass sich neben Richy noch immer die Zeugen Jehovas um Rolf, den ex-dogmatischen Ex-Marxisten, liebevoll kümmerten. Irgendwie nahm mir dieser Gläubigen-Bund das schlechte Gewissen.

      Erst neulich hatte ich den »Wachtturm« der Sekte in meinem Briefkasten gefunden. Wie so oft warf ich einen Blick hinein, bevor ich ihn wegwarf. Und immer wieder fand ich darin wunderliche, kindische Dinge, von denen ich nicht glauben konnte, dass erwachsene Menschen mit normaler Schulbildung und normalem Verstand sie glauben konnten. Dieses Mal avancierte der Wachtturm, gleich neben „Asterix und Obelix“, zu meiner bevorzugten Klolektüre. Mich interessierte natürlich, was unser Schöpfer mit uns vorhat. Und so las ich: „Unser Schöpfer hat von Anfang an durch Engel und Propheten mit den Menschen kommuniziert. Und er hat das, was er uns sagen will, aufschreiben lassen.“ Aha, dachte ich, dann ist der Gepriesene vor ein paar Jahrtausenden doch noch nicht so allmächtig gewesen, um das Internet zu erfinden und musste sich von solchen Leuten wie Timotheus, Petrus und Matthäus abhängig machen. Wie hat er das überhaupt gemacht?

      „Gott hat den Propheten seine Gedanken in den Sinn gegeben. Es ist ähnlich wie bei einem Assistenten, der für seinen Chef einen Brief verfasst. Auch wenn der Assistent der Schreiber ist, gilt doch der Chef als Verfasser. Dieses Prinzip lässt sich auch auf die heiligen Schriften übertragen. Gott hat zwar menschliche Schreiber gebraucht, doch der Autor ist er. Seine Botschaft berührt unsere Zukunft.“ Uff, das war eine Erklärung, die mir als Schreiber verschiedener Texte, die mir einfach so in den Sinn gekommen waren, plötzlich eine Erleuchtung bescherte. Sie brachte mich ohne mein willentliches Zutun zum Schmunzeln. Vielleicht war ich ja, ohne es zu wissen, auch ein gottbegnadeter Schreiber dieses omnipräsenten Allmächtigen, der alles über die Zukunft wusste.

      Wenn es um die Zukunft ging, war ich derzeit sehr hellhörig. Würde die GTU die Stürme der Zeit – also die knappe Kasse der Arbeitsverwaltung – und die Marotten eines hinterrücks intrigierenden Arbeitsamts-Abteilungsleiters überstehen? Da gab es neuerdings einen neuen Vorgesetzten unserer Erzfeindin, Frau Söhnlein, die uns bei jedem Kurs-Neuantrag Steine in den Weg legte und die Amts-Zahlungen bis zu sechs Monaten verzögerte. Sie schien ihren neuen Abteilungsleiter, Dr. Braun, gegen unser Bildungsinstitut gebrieft und ihm viel Mist erzählt zu haben. Jedenfalls warnten mich Herr Lewin und Herr Scherwarth vor ihm. Beide waren als Arbeitsberater für die fachliche Beurteilung unserer Umweltkurse zuständig.

      „Er ist ein scharfer Hund und spielt sich gerne auf. Er hat mich bereits über Ihr Institut ausgefragt und das in einem sehr merkwürdigen Ton. Mir schwant da nichts Gutes. Er ist ein typischer Aufsteiger, der sich jetzt irgendwie beweisen muss“, hatte Lewin gemeint.

      „Kann er denn der GTU etwas?“

      „Nur, wenn er grundlegende Kritikpunkte findet. Aber solange die Vermittlungsergebnisse Ihrer Absol­venten auf dem neuen Umweltarbeitsmarkt so hervorragend sind und solange ich die arbeitsmarktliche Zweckmäßigkeit attestiere, kann er eigentlich wenig machen.“

      „Eigentlich“. Das Wörtchen sollte schon bald Bedeutung erhalten.

      Meine Gedanken floppten zurück zum FDP-Minister Möllemann und seinem Versprechen, mehr Finanzmittel für Bafög und Bildung und bezahlbaren Wohnraum bereit zu stellen. Es war klar, dass dieses Versprechen nicht eingelöst würde. Aber wen juckte es, wenn die Studenten nicht unüberhörbaren Rabatz machten?

      Doch wären sie so zäh und mutig wie die Studenten der 68er-Zeit? Wahrscheinlich würde das Politikversprechen im Archiv des Bonner Bildungsministeriums von Motten zerfressen enden. Und in Sachen Hinhaltetaktik hatten unsere Politiker seit damals enorm dazugelernt. Wahrscheinlich würde die jetzige studentische Erhebungswelle wieder mit allerlei wortreichen Streicheleinheiten aus Bonn hingehalten werden, damit sie im Laufe der Zeit hoffnungslos abebbt.

      Dann schwappte eine Nachricht von Ost nach West. Am 19. Januar versicherte DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker, die Mauer werde „in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sind.“

      Die Zahl der Ausreisewilligen in der DDR schien mir in letzter Zeit rasant zu steigen. Es gab hierzu keine Statistiken, aber mein Bauchgefühl entstand aus den bruchstückhaften Alltagsnachrichten. Tamara, meine Freundin aus Ostberlin, schrieb dazu eine Ansichtskarte mit einem Aussichtsturm, dazu einen einzigen Satz: „C’est la vie.“

      In den USA löste der Ölmagnat George Bush den Staatsschauspieler Ronald Reagan als 41. Präsidenten ab. Was weder Gewinn noch Verlust war. Ein kultureller Verlust war hingegen der Tod des surrealistischen Malers, Bildhauers und Grafikers Salvador Dali, der im nordspanischen Figueras starb. Später, als Emma und ich überraschend im September beschlossen, einen Kurzurlaub in Figueras zu machen und Dalis Haus zu besuchen, sollte dies zu einem beinahe tödlichen Urlaub für unsere beiden Kinder geraten – aber das war im СКАЧАТЬ