Название: Das Urvieh
Автор: Margret Jacobs
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738048070
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Kaum hatte er eine kleine Strecke hinter sich gebracht, sah er links von sich etwas Weißes aus der Erdwand schimmern. Er kratze mit seinem schwarzen Daumennagel darüber. Kein Zweifel. Das war ein Knochen. Schon wieder. Warum mussten diese Menschen aber auch ihre Abfälle von sich in der schönen Erde vergraben? Für manche Angewohnheiten der Menschenrasse hatte Abellus einfach kein Verständnis. Und das war so ein Fall.
Er grub den Knochen, es war wohl ein Oberschenkelknochen, vorsichtig aus der Wand, denn er wollte nicht riskieren, dass zu viel Erdreich nachrutschte. Wo ein Knochen war, gab es noch mehr davon. Dieser hier war noch nicht sehr alt. Abellus hatte gesehen, dass die Menschen ihre Überreste in Kisten verstauten, die sie dann ins Erdreich verschwinden ließen. Die Kisten waren mal aus dunklem Holz und mal aus hellem Holz. Glänzend und matt. Weiße gab es auch und schwarze. Abellus hätte für sich einen schwarzen genommen. Schwarz mochte er, die Farbe passte zu seiner Haut. Glänzend fand er auch hübsch.
Die Kisten verschwanden also – auch mit so einem Ritus, den Abellus nicht verstand – im Erdreich und wurden sorgfältig mit Erde bedeckt. Da ließ man sie dann. Sie vermoderten mit den Jahrzehnten und gaben den Inhalt frei. Der war dann auch schon – mit Hilfe von Krabbeltieren – sauber geputzt worden und es blieben nur noch weiße Knochen übrig. Gut, manchmal waren sie auch gelblich oder braun-schwarz. Die Knochen fand Abellus dann bisweilen in seinem Eingangstunnel zu seiner Höhle. Manchmal schienen die Knochen auch in der Erde zu wandern und kamen in seiner Küche oder in seinem Schlafzimmer heraus. Die Erde lebte. Man war nie allein.
Abellus kroch wieder aus dem Tunnel und schleuderte den großen Knochen in Richtung Gebäude mit dem hohen Turm. Sollten sich doch die Menschen besser um ihre Überreste kümmern! Er war es Leid, ihre Überreste bei sich zu Hause zu finden. Er war nicht besonders empfindlich, aber das ging zu weit, fand er.
Noch immer schlecht gelaunt, krabbelte er erneut durch den Tunnel und überraschte Holda, wie sie dabei war, mit Spucke einige Erdklümpchen zu Kügelchen zurecht zu kauen.
Er lächelte. Diese kleinen Kügelchen gaben prima Massagekugeln her, wenn sie mal hart geworden waren. Holda verteilte sie dann auf seinem Rücken und massierte ihn damit, bis die Kugeln zerfallen waren. Er liebte das! Seine Haut bekam dann eine extra Schicht Erde ab und seine Muskeln waren dann schön entspannt. Holda wollte ihn also verwöhnen. Manchmal war es nett, mit ihr zusammen zu sein.
>>Mensch, Meier!<<, knurrte Pastor Krech. >>Geht das denn nicht schneller?!>>
Hannelore Meier versuchte sich nichts anzumerken, aber dieser Roderich ging ihr mächtig auf die Nerven. Jetzt stand er schon wieder hinter ihr und meinte doch tatsächlich, dass sie schneller arbeiten würde, wenn er drohend hinter ihr stand und ihr Druck machte.
Sie hasste Druck! Sie hatte so schon Mühe, mit diesem neuen Computerprogramm zu recht zu kommen. Einen wütenden Roderich konnte sie dazu nicht auch noch gebrauchen.
Sie nickte pflichtschuldig und bewegte ihre Finger einen Tick schneller über die Tastatur. Hoffentlich verschwand dieser Kerl wieder schnell. Sie hatte es satt, von ihm schikaniert zu werden. Zu dumm, dass sie als Angestellte ihm kein Paroli bieten durfte. Nun, sie war im allgemeinen ein friedliebender Mensch, aber dieser Idiot musste einfach ein mal in die Schranken gewiesen werden.
>>Sie sind einfach zu langsam, Frau Meier. Das kann man ja nicht mit ansehen! Also, ich sage Ihnen, sie können von Glück reden, dass mein Vorgänger Sie eingestellt hat. Ich hätte das nicht getan. Strengen Sie sich gefälligst mehr an!<<
Hannelore schluckte ihren Ärger runter und versuchte, ruhig zu bleiben. Sie wusste, es wäre ein Fehler, sich von dem Chef provozieren zu lassen. Wenn sie ihrerseits ausfallend werden würde – worauf er sicherlich nur wartete – hätte Pastor Krech den Vorwand, um ihr eine Abmahnung zu verpassen. Und das wäre der Anfang vom Ende. Pastor Krech wollte sie los werden, das war offenkundig. Doch sie wollte ihm nicht den Gefallen tun, dass er sie unter einem Vorwand kündigen konnte.
Sie mied den Blickkontakt mit ihm und sah auf den verdreckten Teppichboden. Pastor Krech mochte Frauen, die sich ihm gegenüber unterwürfig zeigten. >>Es tut mir Leid, Pastor Krech. Ich werde mein Bestes tun und schneller arbeiten.<<
Zufrieden grunzend verließ Krech das Sekretariat. Er mochte es, seine Untergebenen zurecht zu stauchen. Er mochte es, wenn andere vor ihm Angst hatten. Er mochte seine Machtposition als Pastor. Ja, er müsste mal wieder über dämonische Sünden predigen. Die Menschen brauchten einfach eine feste Hand der Führung, sonst hatten sie keine Ahnung, wo sie hingehen sollten.
>>Verdammter Idiot!<<, schimpfte Hannelore leise in sich hinein. Wütend stieß sie ihren Fuß gegen den Schreibtisch, so dass der Computer erzitterte. Der Monitor flackerte kurz auf und war dann nur noch schwarz. >>Mist!<<, rief sie erbost und hielt sich mit der rechten Hand den Mund zu. Pastor Krech duldete keine Schimpfwörter. Hoffentlich war er inzwischen schon weit genug weg, so dass er ihren Fluch nicht hören konnte.
Sex oder kein Sex
Thomas Baldun horchte in den Raum hinein. Niemand war – außer ihm – im Toilettenraum. Das wäre auch schlimm gewesen, oder zumindest unangenehm, wenn sein Chef sich gerade dabei wäre, zu erleichtern.
Der Küster musste grinsen. Sein kleines Spiel war nur ganz für ihn alleine da. Und er konnte es auch nur dann genießen, wenn er hier der einzige Benutzer war. Zum Glück gab es im Moment – neben ihn - nur einen Mann, der hier diesen Raum betreten durfte und der war nicht da. Die männlichen Jugendlichen kamen erst am Nachmittag. Er hatte also genug Zeit, seine Arbeitszeit ein wenig freudvoller zu gestalten.
Was hatte Pastor Krech in seiner letzten Predigt gesagt? Die wahre Freude entsteht aus dem Dienen? Klar, das konnte Thomas Baldun verstehen. Er diente gerne seinem eigenen Körper. Das war sinnvoll und für die körperliche Entspannung effektiv. Er öffnete seinen Hosenschlitz und gab sich der Erregung und dann der Entspannung hin.
Abellus seufzte zufrieden. Holdas Finger glitten mit den Erdkugeln über seinen verspannten Rücken. Er wusste, dass sie nicht weiter gehen würde. Er hätte gerne mit ihr Sex gehabt, aber Holda war wohl in einer Phase, in der sie das uninteressant fand. Koli-Weibchen waren da ganz eigen. Sie wollten nur dann die körperliche Vereinigung, wenn sie Jungen haben wollten. Ansonsten schien sie das wenig zu interessieren. Leider.
Abellus strich versuchsweise über Holdas Bauch. Sie kicherte zwar, aber machte keine Anstalten, sich zu ihm zu legen. Stattdessen rieb sie die restlichen Erdkrümmel an ihren Armen ab und drehte sich von ihm weg. Hoda war ein schönes Weibchen und sie wusste das. Doch zwischen ihnen kam es kaum noch zum Austausch von Zärtlichkeiten. Und Abellus hatte den Verdacht, dass Holda ihn nur deswegen ab und zu massierte, in der Hoffnung, dass ihm nicht auffiel, dass sie sich eigentlich nicht mehr sonderlich gut verstanden. Nicht im Bett und auch sonst nicht.
Er schaute ihr nach, wie sie aus einem Erdloch im Boden eins ihrer Handarbeiten holte. Holda war zufrieden, wenn sie sich mit ihren Dingen beschäftigte. Nun, wenn er ehrlich war, war er zufrieden, wenn er sich mit seinem Hobby beschäftigte: Menschen beobachten. Nein, es war eher seine Passion, nicht nur eine Freizeitbeschäftigung. Es war zu seinem Leben geworden, die Oberwelt zu besuchen und dort Forschungen anzustellen. Er hatte sich sogar die Mühe gemacht, Aufzeichnungen darüber zu machen, was er alles entdeckt hatte und es ärgerte ihn, dass Holda sich so gar nicht für seine Aufzeichnungen und seine Entdeckungen interessierte.
Holda ging dazu über, so СКАЧАТЬ