Das Urvieh. Margret Jacobs
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Название: Das Urvieh

Автор: Margret Jacobs

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738048070

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СКАЧАТЬ Vermutlich wäre er damit zufrieden, oder auch nicht. Krech war nie zufrieden. Krech fielen immer die Unzulänglichkeiten der Menschen auf. Das war sein Job.

      Verärgert öffnete Hannelore die oberste Schublade an ihrem Schreibtisch. Alles war sehr aufgeräumt. Oberflächlich betrachtet. Die Schreibtischplatte war nur mit wenigen Gegenständen belegt und die lagen oder standen alle so, dass man den Eindruck haben konnte, es wäre ein Ausstellungsstück in einem Möbelfachgeschäft. Das war wichtig so. Besucher der Kirchengemeinde sollten den Eindruck haben, dass hier alles in Ordnung war, das gehörte sich so für eine Kirche. Darunter allerdings hatte Hannelore – aus Protest – etwas deponiert, was nicht ins Sekretariat einer Kirche gehörte. Sie grinste in sich hinein; es tat gut, die aufgezwungene Ordnung ein wenig zu verrücken.

      Holda schnüffelte an der kleinen, orangen Rübe, die ihr Abellus zum Mittagessen vorbei gebracht hatte. Er war leider danach sofort wieder verschwunden, mit der Bemerkung, dass er nicht sehr hungrig sei und lieber wieder an die Erdoberfläche wolle.

      Holda schüttelte den Kopf. Ihr Lebensgefährte war sehr unvernünftig. Wesen wie sie gehörten nicht in die chaotische Welt der Menschen. Das waren gefährliche Geschöpfe! Nicht einzuschätzen in ihren Verhaltensweisen. Das wusste jeder ihrer Spezies. Diese Menschen waren blutrünstig und hatten Wesen ihrer Art über Jahrhunderte verfolgt und verbrannt. Keiner aus ihrer Art wusste warum. Die Kolis waren sehr friedliebend. Schon immer gewesen. Aber diese Menschen wollten das nicht begreifen und waren daher gefährlich für Kolis.

      Doch Abellus war die Unvernunft in Koligestalt. Holda knabberte an der kleinen Rübe. Sie schmeckte köstlich! Sie war süß und saftig. Seit Abellus öfters oben in der Menschenwelt war, beschenkte er seine Gefährtin mit Dingen aus dieser Welt. Es waren oft glitzernde Dinge dabei, oder eben Essenssachen. Die Menschen schienen sich zum Teil so zu ernähren wie die Kolis. Zumindest hatte Abellus noch nie etwas Essbares aus der Menschenwelt mitgebracht, was Holda nicht gemundet hätte. Einiges war allerdings sehr salzig oder sehr süß. Man musste dann nach dem Verzehr sehr viel trinken, um den Geschmack auszugleichen. Aber lecker war es trotzdem irgendwie.

      Thomas Baldun schaute unter dem Tisch nach. Er hätte schwören können, zwei Mohrrüben auf das Schneidebrett gelegt zu haben. Es spukte hier, dessen war es sich schon lange sicher. Und das in einer Kirchengemeinde! Oder war es gerade die Kirche, die Gespenster anlockte? Er wusste es nicht. Er nahm Platz auf dem kargen Holzstuhl, der zur schlichten Kücheneinrichtung der Kirche gehörte – für Mitarbeiter – und biss in die übrig gebliebene Mohrrübe. Für Salat reichte diese eine Rübe nicht mehr aus. Er würde hungrig seinen Dienst wieder aufnehmen müssen. Die Zeit reichte auch nicht mehr, um beim Bäcker – zwei Straßen weiter – sich etwas Essbares zu holen. Wie ärgerlich!

      Er öffnete den Kühlschrank, der nach verdorbenen Essensresten stank. Jemand hatte mal wieder sein Mittagessen darin verschimmeln lassen und dieses erst entsorgt, als es wohl schon schwarz geworden war. Thomas Baldun hatte seinen Chef im Verdacht. Die Sekretärin war dazu wohl nicht fähig. Obwohl, man konnte nie wissen. Sie war ja auch Schuld daran, dass das Wasser in der Schale für die Selbstbekreuzigung immer ölig war. Diese Frau schien einen schlampigen Zug zu haben, den man ihr gar nicht zu traute.

      Doch, wenn es tatsächlich Pastor Krech war, der sein Essen im Kühlschrank hatte verderben lassen, hätte Thomas Baldun eh nichts machen können. Was der Chef wollte oder machte, war sein angestammtes Recht und niemand hatte daran zu rütteln. Und schon gar nicht die angestellten Mitarbeiter.

      Den letzten Bissen von der Möhre schluckte er in einem Stück hinunter. Sein Magen knurrte und wollte noch mehr haben. Doch auch in den Schubladen der Kücheneinrichtung ließ sich nichts Genießbares mehr finden. Die Rolle Plätzchen lag schon seit gut einem Jahr in der Schublade mit dem Besteck. Hier musste mal gründlich sauber gemacht werden und etwas mehr Ordnung würde dieser Küche bestimmt auch gut tun. Aber seit Pastor Krech – aus Kostengründen – die Putzfrau entlassen hatte, bekam alles hier einen schmierigen Anstrich. Es roch fast überall unangenehm. Die Mäuseplage war wieder aufgetreten und Frau Meier, die eigentlich laut Arbeitsvertrag nur für Bürosachen zuständig war, musste immer öfters ran, um zu putzen.

      Bisher hatte Pastor Krech, ihn, den Küster, nicht für Putzarbeiten abkommandiert. Das war komisch. Vermutlich dachte der bornierte Roderich, dass Putzen Frauenangelegenheit ist. Ihm, als Küster, hätte es nichts ausgemacht, mal sauber zu machen. Aber er hielt seinen Mund, denn, wer ließ sich schon freiwillig zusätzliche Arbeit aufladen? Er hatte genug damit zu tun, dem Geist, der hier wohnte, auf die Spur zu kommen. Oder eben den frechen Lümmeln aus der Jugendarbeit, die hier ihr Unwesen trieben.

      Holda war keine einfache Gefährtin, das wusste Abellus. Als er sie kennengelernt hatte, war sie ruhiger und mehr einverstanden mit dem gewesen, was er gemacht hatte. Er war nie ein gewöhnlicher Koli gewesen. Sein Vater auch nicht. Abellus musste grinsen. Seine Familie war schon immer seltsam gewesen. Aber das wusste Holda, als sie ihn zum Gefährten genommen hatte. Sie war zunehmend unzufrieden mit dem geworden, was er gemacht und geplant hatte. Nur selten gelang es ihm, sie zu beruhigen.

      Das Rübchen in einem grellen Orange hatte ihr gefallen. Ja, er konnte sie öfters glücklich machen, wenn er ihr etwas aus der Menschenwelt schenkte. Und er war stolz darauf, den Mut zu haben, von oben etwas zu entwenden. Er konnte nicht sagen, ob die Dinge vermisst wurden, die er mitnahm. Er konnte auch nicht abschätzen, wie wichtig die Sachen den Menschen waren, die er zu Holda brachte. Er konnte nicht erkennen, ob es Dinge waren, die überlebenswichtig waren oder nicht. Er hoffte, dass er nichts aus Versehen mitnahm, was für die Menschen tatsächlich wichtig war. Er wollte ihnen keinen Schaden zufügen, das war ihm fremd.

      Er blinzelte in die Sonne. Sie würde in Kürze ihr Tagwerk beendet haben. Er war zwar auch gerne nachts bei den Menschen, aber dann war Holda missmutig. Sie vermisste seine Anwesenheit. Außerdem war es spannender, am Tag oben zu sein, weil er dann die Menschen besser beobachten konnte. Nachts schliefen sie gerne, wie auch die Kolis es taten. Allerdings konnten Kolis auch am Tag schlafen, in ihren Behausungen war es stets tiefe Nacht, doch ihre Augen konnten diese durchdringen. Kolis schliefen also nicht zu bestimmten Zeiten, nur wenn sie Lust dazu hatten.

      Da fiel ihm ein, dass er den Mann von Vorne dabei beobachtet hatte, wie er, als die Sonne noch sehr hoch am Himmel stand, auf einem Stuhl in dem angrenzenden Gebäude, eingenickt war. Also, waren Menschen auch in ihren Schlafgewohnheiten den Kolis nicht so fremd. Beide schliefen, wann immer sie Lust dazu verspürten.

      Zufrieden betrat er die Grünpflanze auf dem Boden. Es war eine Pflanze, die die Menschen hegten und pflegten. Diese Pflanze wurde oft kurz geschnitten und im Sommer gut gewässert. Sie war sehr grün und bedeckte eine große Fläche. Nicht weit von ihr war der Einstieg in die Behausung von Abellus.

      Er betrachtete den Eingang zu seinem Heim. Schon wieder hatten kleine Erdtiere Nebenlöcher darin gebuddelt. Der Tunnel nach unten sah aus wie ein Sieb. Er mochte das nicht. Bei sich zu Hause sollte alles in Ordnung sein, fand er. Die Welt der Menschen war schon aufregend genug für ihn, da sollte wenigstens sein Zuhause ein Ort der Ruhe und der Erholung sein.

      Missmutig stopfte er die neuen Löcher mit Erde zu. Einige waren Daumengroß, andere hatten sogar den Durchmesser seines Kopfes. Sie waren nicht alleine in dem Erdreich. Leider. Das Erdreich war fast so überbevölkert, wie die überirdische Welt. Nur nicht ganz so schlimm.

      Die Erdtiere ließen sich nur schwer vertreiben. Wenn sie der Meinung waren, dieser Gang, den sie gerade buddelten, wäre nötig, taten sie es auch. Egal war ihnen, ob sie dabei durch den Bau der Kolis kamen. Tiere hatten keine großen Gehirne, dass hatte Abellus in seinem langem Leben auch schon feststellen müssen. Sie waren begriffsstutzig, daher war es besser, sich nicht über ihre Buddelei aufzuregen, das wusste er. Dennoch regte er sich bisweilen darüber auf.

      Leise fluchend СКАЧАТЬ