Frauen und ihr Erbe. Marianne Peternell
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Название: Frauen und ihr Erbe

Автор: Marianne Peternell

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783753182216

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СКАЧАТЬ Schulen setzt sich die Erkenntnis durch, dass seelische Wärme den Kindern mehr an sozialer Kompetenz eröffnet. Wann man herausgeforscht haben wird, dass positive Zuwendung enorm intelligenzfördernd ist, steht noch aus. Ob sich hier der Bruch aus der Nazizeit zeigt, weiß ich nicht, wäre aber denkbar. Gudrun Brockhaus stellt in ihrem Aufsatz über die Pädagogik der NS-Pädagogin Haarer dar, dass die Mütter, denen sie Macht zuschreibt, „Fassungslosigkeit, Schmerz, Abscheu, pures Entsetzen und Ekel“ empfänden angesichts des animalischen, fremden Wesens Kind mit seinen „Triebäußerungen und seiner Unvernunft, insbesondere mit seiner Unsauberkeit“. Laut Haarer ist das Kind „ein gefährlicher Gegner, der übermächtig wird, wenn man ihn nicht von Anbeginn radikal bekämpft. Von der Geburt an muss die Mutter mit diesem Kampf beginnen. Wenn sie ihr Erziehungsregime nicht mit absoluter Konsequenz und Härte durchsetzt, wird das Kind seinen Vorteil nutzen und sich mit seinen Ansprüchen ausbreiten, bis die Mutter völlig erschöpft und aufgerieben ist. Ein, zwei Mal nachgeben und schon ist ‚der kleine aber unerbittliche Haustyrann fertig.‘ ‘(Haarer: Deutsche Mutter, S. 165) “(zitiert nach Brockhaus: Muttermacht und Lebensangst, in Mütterliche Macht und väterliche Autorität, S.72)

      Diese Form der Feindseligkeit dem Kind gegenüber ist jedenfalls in manchen „Abrichtungsmethoden“, die auf Liebesentzug und Abwertung beruhen, spürbar und auch in der logikversessenen, sachlichen Erziehung zu erkennen. Es ist die Abwertung des prälogischen, des emotional-sinnlichen Bereichs, der hier mit dem Kind unterdrückt und beschämt werden soll.

      Die Stille als Konstituierendes der primären Erfahrung und Erkenntnis äußert sich beispielsweise in einem gleichnishaften Text buddhistischer Herkunft (1.Jh.n.Chr.)

      „Der Weise Nagasena sagte zum Griechenkönig Milinda, als dieser ihn fragte, wer er sei: ‚Ich bin als Nagasena bekannt. Das ist aber nur ein Name, eine Benennung, eine landläufige Bezeichnung, denn eine Person wird dadurch nicht erfasst.’

      Darauf sagte der König: ‚Wenn es keine Person gibt, wer ist dann dieser Nagasena? Sind es seine Haare, sein Fleisch, sein Herz, seine Eingeweide, sein Blut, seine Galle, sein Gehirn?“ ‚Nein, o König!’

      ‚Ist es seine Empfindung oder seine Wahrnehmung oder seine Willensregung oder sein Bewusstsein?’ ‚Nein, o König!’

      ‚Dann bilden wohl Körper, Empfindung, Wahrnehmung, Willensregung und Bewusstsein zusammen den Nagasena?’

      ‚Nein, o König!’

      ‚Soll Nagasena etwa außerhalb dieser Faktoren existieren?’ ‚Nein, o König!’

      ‚Soll denn das Wort ‚Nagasena’ schon Nagasena selber sein?’ ‚Nein, o König!’

      ‚Dann existiert Nagasena also gar nicht in Wirklichkeit?’

      Da fragte Nagasena den König: ‚Bist du zu Fuß oder mit dem Wagen gekommen?’ ‚Mit dem Wagen.’

      ‚Dann erkläre mir, was ein Wagen ist. Seine Deichsel? Oder die Achse? Oder die Räder? Oder der Wagenkasten?’

      Als der König alles verneint hatte, fragte Nagasena: ‚Soll etwa der Wagen außerhalb dieser Dinge existieren oder der Name ‚Wagen’ der Wagen selbst sein?’

      ‚Nicht doch, o Herr!’

      ‚Nun, was ist denn dieser Wagen? Du sprichst die Unwahrheit. Der Wagen existiert gar nicht.’

      Da sprach der König zu Nagasena: ‚ Ich lüge nicht. In Abhängigkeit von Deichsel, Achse, Rädern usw. entsteht der Name, die Bezeichnung, das Wort ‚Wagen’.

      ‚Ganz richtig, o König. Gerade so entsteht in Abhängigkeit von Körper, Empfindung, Wahrnehmung, Willensregungen, und Bewusstsein der Begriff und das Wort ‚Nagasena’. Eine Wesenheit/Person ist da aber nicht vorzufinden.“ (Milindapantha: zit. nach Konrad Meisig: Klang der Stille. Freiburg/Basel/Wien, 1995, S.120f)

      Natürlich könnte man nun schlussfolgern: Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile und hätte dann eine logische Operation ausgeführt. Doch dies folgt wieder dem abendländischen Zwang zur Kategoriebildung, zur Verallgemeinerung und zur Begriffsbildung. Die andere Möglichkeit wäre in einen interaktiven Dialog mit der Person Nagasena einzutreten, an der der König in seiner Ganzheit und Nagasena in seiner Ganzheit sich austauschen und dabei Neues erleben, Erfahrungen mit sich und dem anderen machen oder Erkenntnisse haben im Wechselspiel von Schweigen, Sprechen und Tun in erlebter Gegenwart.

      Zusammenfassend könnte man also sagen, der Weg der Mehrheit der Frauen wie der magischen Welt ist trotz manch gegensätzlicher theoretischer Auffassungen mehr ein Weg der primären Erfahrung und des Tuns als ein Weg des Analysierens, Benennens und der Begriffe zum Zwecke der Ordnung der Welt in Abgrenzung.

      Erfahrung mit Licht, Farbe Zeichen, Nahrung, Heilung, Klang, Ton, Musik, Mythos, Bildwelten, Gesten, Mimik, Schweigen und Sprechen im Sinne des performativen Tuns führt zu Weisheit. Beinahe alle Weisheitsschulen der Welt legten daher größten Wert auf die mündliche Tradierung ihres Wissens und maßen trotz der Erfindung der Schrift dieser nicht die zentrale Bedeutung bei. So formulierten beispielsweise die Sufis diese Haltung zur Tradierung von Wissen in dem Satz, man könne ja auch nicht einen Kuss mit einem Brief senden.

      Jede/r die/der beispielsweise ‚Empowerment’ praktiziert hat, weiß, wovon ich spreche. Doch jemand, dem solche Praxis völlig fremd ist, der möglicherweise halbherzige Versuche mit mäßigem Erfolg macht, wird zutiefst daran zweifeln. Wie erklärt man jemandem, der keinen Apfel kennt den Apfel? Erfahrung mit den damit verbundenen Erkenntnissen erwirbt man durch Übung, durch Praxis, dies erfordert jedoch einen öffentlichen Raum, die solcher Praxis Gewicht gibt, setzt also Weisheit der Mächtigen voraus. Ja, setzt voraus, dass den Lebensformen der Frauen, der Völker, dem eigenen Volk selbst Weisheit innewohnt, die sich an die Vernunft anschmiegt. Empowerment ist nur ein kleiner Ausschnitt der möglichen Strategien, denn das Reich der Poesie, der Musik, des Bildhaften, des Sinnlichen und der Bewegung ist voll von solchen Bezugsfeldern des Performativen, des Wandelns von Realität, die wechselweise wie in einem Netzwerk aufeinander einwirken.

      5Exkurs Anmerkungen zur Natur der Geschlechter

      Ich wurde von einem Freund gefragt: Was verstehst eigentlich du unter „Natur“? und ich habe darüber nachgedacht.

      Natur ist meines Erachtens das Wirken von Kräften ohne das Zutun des Menschen. Also beispielsweise das Sein und sich Gestalten der Landschaften, das Wachsen der Pflanzen, die Entstehung und das Leben der Tiere und Menschen, Geburt und Tod und bei weiblichen Menschen und Primaten auch die Menstruation. (Im Folgenden gehe ich auf die besonderen Thematiken von Transgenderpersonen nicht näher ein.)

      Die Menstruation setzt mit Kraft als Naturereignis eine wichtige Veränderung in dem Leben des Mädchens. Ab sofort kann es Kinder bekommen. Ab sofort ist es in einen monatlichen Zyklus eingebunden, der mit der Menstruation und den Empfindlichkeiten dieser Phase, die den Mädchen den Weg nach innen weisen, seinen wiederkehrenden Rhythmus hat. (Penelope Shuttle/Peter Redgrove: Die weise Wunde Menstruation; Frankfurt/Main, 1982) Die „Regel“ ist blutig, ist erdig, in vielen Kulturen mit Ängsten, Aggressionen gegen Frauen, mit wilden Gefühlsausbrüchen verbunden. In manchen alten Kulturen haben Männer in Entsprechung für die jungen Burschen grausame Initiationsriten eingeführt, damit auch diese bluten und visionäre Träume entfalten. Die Natur aber äußert sich in der Pubertät des Burschen ausschließlich im Stimmbruch und im unwillkürlichen Samenerguss, der sie zur sexuellen Lust führt.

      In der Pubertät des Mädchens ist es die Menses, die sich die gesamte Zeit СКАЧАТЬ