Wicherns Genossen der Barmherzigkeit – Diakone des Rauhen Hauses. Karlheinz Franke
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Название: Wicherns Genossen der Barmherzigkeit – Diakone des Rauhen Hauses

Автор: Karlheinz Franke

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783738039672

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СКАЧАТЬ Die standesamtliche Trauung war wenig feierlich. Der Standesbeamte saß mit seiner Pfeife in seinem Amtszimmer und die Formalitäten waren ein reiner Aktenvorgang. Er zog noch einmal kräftig an seiner Pfeife, dann traute er uns und freute sich, dass die Pfeife danach noch brannte. Um so angenehmer war für uns die kirchliche Trauung, zumal ja dieser Pfarrer wenige Tage vorher unsere Mutter beerdigt hatte. Wir besuchten noch einmal alle Verwandten und Bekannten in der Umgebung und fuhren dann über Elberfeld nach Bremen. Hier wurden wir durch einen großen Empfang überrascht. Der Bläserchor brachte uns ein Ständchen, und die Frauengruppe unter Leitung von Frau Baronin Uexküll hatte unsere Küche mit allen Lebensmitteln versehen, die für einen Anfang notwendig waren. Schon nach kurzer Zeit hatte man festgestellt, dass Lina die richtige Frau für einen Stadtmissionar sei. Meine Frau besuchte die Armen des Bezirkes. Es war ein schöner Anfang unserer gemeinsamen Arbeit. So wohnten wir nun zusammen bis zum 1. April 1901 im Hause der Kinderbewahranstalt in der Gastfeldstraße, auch noch, als unser erstes Kind schon geboren war. Dann siedelten wir in das Vereinshaus der Inneren Mission, Süderstraße 30a, um. Hier haben wir 43 Jahre lang unseren Dienst getan und Freud und Leid in Familie und Beruf gemeinsam durchlebt, bis unser Haus am 6. Dezember 1944 vernichtet wurde. Im Parterre war unsere Wohnung, bestehend aus vier Zimmern. In der ersten Etage befand sich der Saal für Versammlungen. Daneben gab es noch einige Abstellräume und zwei kleine Zimmer im Dachgeschoss, die von unseren Kindern bewohnt wurden. Das Haus, in dem sich einmal eine sogenannte Klippschule befunden hatte, war 1856 in einem verwahrlosten Zustand von der Inneren Mission gekauft worden, um es als Vereinshaus zu nutzen.

      So gingen zwei Jahre dahin. Da sollte Bruder Palm, der die Stadtmissionsarbeit in der Süderstraße betrieb, als Vorsteher das hiesige Altenheim übernehmen und musste ersetzt werden. Pastor Cuntz, der mich gerne in der Süderstraße haben wollte, setzte es durch, dass ich die dortige Arbeit übernahm und Felix Hoffmann in die Gastfeldstraße versetzt wurde. Mein Hauptarbeitsgebiet war nicht in der Süderstraße, sondern zog sich mehr zum Hohentor hin, einem aufblühenden Vorort. Dort wurde unter Leitung von Pastor Cuntz, dem Ehepaar Uexküll und mir als Stadtmissionar, der Aufbau einer eigenen Kirchengemeinde vorangetrieben. 1907 kam es zum Bau des Pfarrhauses, später auch der Kirche.

       Unser Familienleben

      Nach unserer Hochzeit am 12. September 1899 wohnten wir die ersten zwei Jahre unserer Ehe in der Gastfeldstraße, wo auch am 10. August 1900 unser Sohn Gustav geboren wurde. Am 1. April 1901 zogen wir in die Süderstraße. Pastor Cuntz half uns kräftig beim Umzug. Unser kleiner Gustav blieb den Tag über bei Pastor Müller. Das neue Haus befand sich in einem sehr schlechten baulichen Zustand. Als Beleuchtung hatten wir Gaslicht mit zwei offenen Gasflämmchen, die in der Mitte des Zimmers aus zwei Röhren von der Decke hingen. Nach wenigen Wochen sah unsere Wohnung aber schon anders aus. Die Fenster bekamen Gardinen und an Stelle der offenen Gasflämmchen schafften wir uns Gasglühlicht an, damals ein Fortschritt.

      Die Näherinnen der Inneren Mission waren mit in unserer Wohnstube untergebracht, so dass unsere Familie noch sehr eingeengt war. Damals gab es in der Neustadt noch keine Spülklosetts, sondern nur das Tonnensystem. In einem kleinen Anbau hinter der Waschküche war der Standort der Tonne. Dahin musste alles, was in unserem Hause ein und aus ging, zur Toilette – durch unsere Küche. Wenn wir abends größere Kreise hatten, reichte die Tonne natürlich nicht aus, denn sie wurde nur alle drei bis vier Tage abgefahren. Das war für ein Vereinshaus natürlich eine Unmöglichkeit. Wenn die Tonne vor der Abfahrt voll war, musste der Inhalt manchmal im Garten eingegraben werden. Eine reichlich gefüllte Tonne führte zu Auseinandersetzungen mit den Abfuhrleuten. Wir mussten dann mit Zigarren und Trinkgeldern nachhelfen. Als im Jahre 1904 das Haus renoviert wurde, bekamen wir zwei Spülklosetts, eins unten, eins oben. Durch einen kleinen Umbau wurde auch eine Teeküche für die Bewirtung der Heimbesucher eingerichtet. Der Nähverein konnte in dem großen Saal untergebracht werden, so dass wir unsere Wohnung endlich für uns hatten.

      Am 3. November 1901 wurde unsere Elisabeth geboren. Es war an einem Sonntag. Am Vormittag hatte ich noch mit dem Chor der St. Pauli-Kirche geübt, und am Nachmittag veranstalteten wir einen Musiknachmittag im Altenheim. Als ich den Chormitgliedern sagte, dass ich inzwischen Vater eines zweiten Kindes geworden sei, wollten sie es nicht glauben. Niemand hatte bemerkt, dass bei uns ein solches Ereignis bevorstand, nicht einmal die Damen vom Nähverein, die sonst alles sehr schnell spitz bekamen, was bei uns im Hause passierte.

      Meine Frau war jetzt mit beiden Kindern reichlich überfordert, zumal sie abends auch noch in den Vereinen tätig war. Der Vorstand hatte ein Einsehen und stellte uns die Mittel für die Anstellung einer Reinigungskraft zur Verfügung. So vergingen 10 schöne Jahre.

      Wir hatten einen wundervollen Garten hinter dem Hause, und so blieb es unseren Kindern erspart, die Straße als Spielplatz benutzen zu müssen. Schwer war es allerdings für unsere Kinder, mit ansehen zu müssen, wie andere Eltern sonntags mit ihren Kindern spielten, während ich immer dienstlich gebunden war. Zum Ausgleich habe ich mich immer bemüht, den Montag als „Pastorensonntag“ für meine Familie frei zu halten, den wir vielfach zusammen mit anderen Berufskollegen und deren Familien verlebten.

      Bedrückend war für uns, dass unsere Tochter eine Gehbehinderung hatte, die nur von einem „berühmten Arzt“ in Hannover kuriert werden konnte. Die Trennung fiel unserem Kind sehr schwer. Auch die Kosten für die Heilung waren sehr erheblich, aber die Innere Mission hat uns eine großzügige Unterstützung gewährt, zumal ich ja nur ein geringes Gehalt bekam. Unsere Tochter konnte anschließend mühelos größere Wanderungen mit uns unternehmen.

      Unser Sohn kam mit 6 Jahren in die St. Pauli-Kirchspielschule. Sein erster Lehrer hieß Wilhelm Hax, der Sohn des ersten Stadtmissionars in der Süderstraße. Auch von der Lehrerin war er so begeistert, dass er sie vom Fleck weg heiraten wollte. Später besuchte er eine private Vorschule zur Vorbereitung auf die höheren Schulen in der Brautstraße. 1920 kam er in die neu eröffnete Realschule der Neustadt, und da er gute Anlagen zeigte, später auf das Realgymnasium in der Kaiser-Friedrich-Straße. Mit unserer Tochter ging mir der Schulunterricht nicht schnell genug und ich wurde oftmals sehr ungeduldig. Meine Frau sagte dann immer: „Geh du man an deine Arbeit, und lass mich das machen.“ Ich merkte dann, dass ich für diese Aufgabe zu ungeduldig war. Mit vereinten Kräften schafften wir es dann doch, dass sie in die Vietor-Schule aufgenommen wurde, in welcher sie sich bald zu einer der besten Schülerinnen empor arbeitete. Später kam sie auf das Oberlyzeum und wollte gern Lehrerin werden. Das war die erste Serie unserer Kinder.

      1911 und 1915 kam die zweite Serie hinzu. Die Großen waren über die Neulinge sehr erstaunt, aber bald nahmen sie sich unserer Kleinen mit Liebe an. Sie haben uns bei der Erziehung fleißig unterstützt und hingen mit großer Liebe an ihren Geschwistern. Wir Eltern, die wir ja unsere Arbeit in der Gemeinde hatten, sind ihnen dafür zu großem Dank verpflichtet.

      Sorgen machten uns oft die Kinderkrankheiten, zumal es damals noch nicht, wie heute, die geeigneten wirksamen Medikamente gab. Ich selbst konnte die Sorge nicht los werden, wie weit ich unsere Kleinen noch ins Leben hineinführen könnte, zumal ich damals ja bereits 46 Jahre alt war und meine Gesundheit auch nachließ. Vermehrt wurden unsere Sorgen dadurch, dass ihre Jugend gerade in die Kriegszeit 1914-1918 fiel. 1916 war ein Hungerjahr, und ich fuhr oft mit meinen Kindern mit einem Handwagen auf die Parzelle, um etwas Gemüse zu ernten. Meine Frau musste bei vier Kindern das Brot sehr genau einteilen.

      Mit meiner Gesundheit stand es nicht zum Besten. Ich litt an einer Magen- und Darmstörung. Der Arzt schickte mich zu einer Kur nach Bad Meinberg, aber hier verschlimmerte sich mein Leiden durch die schwefelhaltige Quelle noch mehr. Professor Dr. Stoevesandt stellte mir dann ein geeignetes Diätrezept zusammen, so dass ich dadurch viele Jahre ohne Beschwerden war.

      1939 holte ich mir einen Beckenbruch, als ich beim Anbringen der angeordneten Verdunkelung von der Leiter fiel. In den vielen kalten Nächten im Luftschutzkeller holte ich mir 1944 eine Lungenentzündung. Seltsamerweise blieb ich dann in meinen späteren Lebensjahren bis ins hohe Alter hinein völlig gesund.

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