Название: Wicherns Genossen der Barmherzigkeit – Diakone des Rauhen Hauses
Автор: Karlheinz Franke
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9783738039672
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Nähverein
Hier fand sich eine Anzahl Frauen zusammen, die unter Leitung meiner Frau für die Notleidenden der Neustadt nähten und strickten. Es waren die treuesten Frauen aus unseren großen Kreisen, die sich mit großer Liebe regelmäßig in dieser Gemeinschaft trafen. Während meine Frau die Arbeit einteilte und überwachte, hielt ich diesem Kreis eine Andacht und erzählte aus der Arbeit der Inneren Mission oder was uns sonst in der Neustadt interessierte. Oft las ich auch Geschichten vor, und vor allen Dingen wurde viel gesungen. Bei rührseligen Geschichten konnten einige Frauen auch ganz kräftig weinen. Da musste ich als Gegengewicht auch mal fröhliche Geschichten lesen. So habe ich dann vorher immer mit meiner Frau abgesprochen, welche Art Vorlesestoff sie für angebracht hielt. Bei all unseren Zusammenkünften war jedoch immer die christliche Grundlage das Entscheidende.
Bibelstunde
Unsere Bibelstunde umfasste die Kreise der Neustadt, die sich an einem Wochentag nachmittags frei machen konnten. Die Pastoren Raumsauer von der Äußeren Mission und Heyne von der Inneren Mission teilten sich mit mir diesen Dienst in den Bibelstunden. Es waren schöne Stunden, auf die sich die Besucher jede Woche freuten. Die Kreise kamen bis zur Zerstörung des Hauses zusammen. Später fanden sie sich in den Bibelkreisen der St. Pauli-, Zions- und Hohentorsgemeinde wieder.
Bibliothek
Die Innere Mission unterhielt in unserem Hause eine sehr schöne, stark genutzte Bibliothek mit etwa 800 Bänden, die für die Arbeit sehr wertvoll war. Sie bestand aus guten Biographien, christlichen Erzählungen, guten Romanen, Klassikern und Reisebeschreibungen. Daneben gab es auch gute Jugendbücher für Knaben und Mädchen. Gerade in unserem Bezirk, wo es sehr wenig begüterte Leute gab, war es ein wichtiger Dienst, den wir hier leisten konnten, zumal es öffentliche Bibliotheken damals noch nicht gab. Die Bücherausgabe erfolgte bei den abendlichen Versammlungen in unserem Hause, aber auch zu festgesetzten Zeiten für die Gemeindeglieder, die nicht zu den Kreisen kamen.
Hausbesuche
Neben den Gruppenstunden war mir die liebste und notwendigste Arbeit, Hausbesuche in meinem Arbeitsbezirk zu machen. Die Menschen geben sich in ihren Häusern ganz anders, als in den Versammlungen. Sie sind in ihren Wohnungen viel aufgeschlossener und freuen sich, wenn man ihnen zuhört. Es gehört dann viel Geschick dazu, von den Gesprächen über Wetter und Zeitgeschehen auf ihre inneren Anliegen zu kommen. Aber wenn das Vertrauen einmal hergestellt war, konnten wir offen miteinander über persönliche Probleme sprechen. Die Menschen fühlten sich durch die Besuche geehrt und die Besuche führten zu festeren Bindungen. Abweisungen bei Besuchen habe ich in den vielen Jahrzehnten ganz selten erlebt.
Die Innere Mission als mein Arbeitgeber
Als ich nach Bremen kam, hatte die Innere Mission noch keinen theologischen Leiter. Der Vorstand hatte die Arbeit in Sektionen aufgeteilt. Stadt- und Auswanderermission hatte Pastor Cuntz von St. Pauli in der Neustadt zu verantworten. Die Herberge zur Heimat unterstand dem Kaufmann Vietor. Das Bibliothekswesen verwaltete Herr Noltenius, das Rechnungswesen Herr Volkmann, später Herr Kuhlenkampff. Im Jahre 1901 wurde Pastor Büttner als erster Inspektor von der Inneren Mission hauptamtlich angestellt. Über allem stand Herr Landgerichtsdirektor Carstens. Die rege Tätigkeit dieser Herren, zu denen auch noch Johannes Schröder gehörte, der Vater von Rudolf Alexander Schröder, machte auf mich einen starken Eindruck und verpflichtete mich, meine ganze Kraft einzusetzen, um ihrer würdig zu sein. Carstens war eine Vaterfigur, gütig, vornehm, zurückhaltend, von tiefem Ernst durchdrungen. Er besaß große Menschenkenntnis, und man fühlte sich sofort von ihm durchschaut. Volkmann war Kaufmann, großzügig und weitschauend im Denken. Er hatte ein stilles feines Wesen. Als Rechnungsführer war er großzügig im Großen, aber auf den Pfennig genau. Mit der Bitte um Geldbewilligung wagte ich mich nur an ihn heran, wenn es unumgänglich war, aber dann konnte er über die beantragte Summe hinaus sehr großzügig sein. So konnte ich, der ich die Gehaltsverrechnung hatte und manchmal genau wusste, dass Ebbe in der Kasse war, nur ängstlich fragen, wie das nun weitergehen solle. Aber zu meinem Erstaunen wurde mir dann gesagt: „Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Es schadet mir nichts, wenn ich einmal 50 bis 60.000 Mark vorschieße.“ Wurde es dann zu arg, so wurde eine Vorstandssitzung abgehalten und jedes einzelne Vorstandsmitglied bekam die Auflage, eine bestimmte Summe aufzubringen. Wenn mittags um 12 Uhr die Börse schloss, wurden einige in Frage kommende Kaufleute angegangen und um Spenden gebeten, so dass wieder für einige Zeit die Betriebsmittel gesichert waren. J. K. Vietor, sehr gebefreudig und ein rechter Freund der Berufsarbeiter der Inneren Mission, aber etwas sprunghaft in dem, was er anfasste, war uns eine große Hilfe. Er hatte ein warmes Herz für die Arbeit der Inneren Mission und die Stadtmissionare, die er jedes Jahr mit ihren Familien nach Leuchtenburg einlud, wo er uns in einem Gartenrestaurant königlich bewirtete. Dabei wurden dann auch die Probleme unserer Arbeit besprochen, und wir erhielten von ihm aufmunternde Worte. Da wir Stadtmissionare nur ein geringes Gehalt hatten, schenkte er uns öfter die Fahrkarten, wenn wir größere Reisen vorhatten. Gedenken möchte ich auch noch des Vorstandsmitgliedes Fritz Vietor, der für kurze Zeit Rechnungsführer war. Von ihm hätte die Innere Mission viel erhoffen können, wenn er nicht auf einer Reise bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen wäre.
Als Pastor Büttner 1901 Direktor der Inneren Mission wurde, gründete er die Frauengruppe der Inneren Mission. Auch die Arbeit an den Seeleuten wurde aufgenommen. Das Eckhaus an der Bürgermeister-Smidt-Straße wurde gekauft und als Verwaltungshaus mit Auswandererkapelle eingerichtet. Die Herberge zur Heimat wurde von der Schlachte zur Georgstraße verlegt. Unter Pastor Frick wurde das Hospiz erworben, die Arbeitstätte eingerichtet sowie die Brockensammlung gegründet. Die Arbeit von Pastor Fritz (1916-1922) war geprägt von den Problemen der Kriegs- und Nachkriegsjahre. In dieser Zeit wurde das Martha-Heim übernommen, außerdem erfolgte die Umwandlung der Arbeitsstätte in der Kornstraße zum Isenberg-Heim und die Gründung der weiblichen Stadtmissionsarbeit unter Fräulein Helene Graeber.
Am 15. Oktober 1922 wurde Pastor Heyne Direktor der Inneren Mission. Die Jahre nach dem Weltkrieg, gekennzeichnet durch die Inflationszeit, waren schwer. Wir alle waren Millionäre. Pastor Heyne wohnte kurze Zeit in der Georg-Gröning-Straße in der Wohnung von Pastor Fritz. Sein Umzug in die Holbeinstraße, nur um die Ecke, kostete 550.000 Mark.
Im Haus der Inneren Mission in der Georgstraße 22 war die zweite Etage „Herberge zur Heimat“. In der ersten Etage wohnte der Auswanderermissionar Krone. Im Parterre war das Büro der Inneren Mission, die Kapelle und das Sitzungszimmer, zugleich Bibliothek. Daneben gab es noch zwei kleine Zimmerchen für Beratungsgespräche. Die Innere Mission hatte nur eine Sekretärin für drei Stunden am Tage.
Fürsorgearbeit
Meine Arbeit brachte es mit sich, dass ich mich oft mit den Problemen der armen Leute befassen musste. In den einzelnen Stadtbezirken waren Armenpfleger bestellt, bei denen Anträge zu stellen waren. Die bestimmten dann die Höhe der Unterstützung. Einige städtische Beamte hatten die Aufgabe, die ehrenamtlichen Armenpfleger zu überwachen, damit sie den ihnen zugeteilten Spielraum nicht zu großzügig auslegten. Durch gute Kontakte zu den Armenpflegern konnten wir viel Not lindern helfen. Die Neustadt hatte damals noch keine eigene Fürsorgestelle. Die Innere Mission hatte auch eine gewisse eigene Unterstützungsmöglichkeit durch die Spenden wohlhabender Freunde. Zweimal im Jahr, in der Adventszeit und im März, machten wir Bittgänge zu unseren Freunden und bekamen die Hände immer reichlich gefüllt. Ich möchte hier nur die Namen Isenberg, Hackfeld, Vietor und Kuhlenkampff nennen. Willi Kuhlenkampff begrüßte mich dann, indem er die Uhr zog und sagte: „Herr Schmidt, bitte nur drei Minuten erzählen, wie viel Geld brauchen Sie? 20 Mark, gut, auf Wiedersehen.“ Diese Bettelgänge waren mir oft sehr schwer. Aber ich hielt es doch für wichtig, die reichen Leute auf die Arbeit der Inneren Mission immer wieder aufmerksam zu machen. Besondere Sorgen bereitete uns der Männer-Krankenverein, der die Aufgabe hatte, СКАЧАТЬ