Название: Neue Zeiten - 1990 etc.
Автор: Stefan Koenig
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Zeitreise-Roman Band 7
isbn: 9783753185569
isbn:
Dem Kunsthaar-Chef schreibt er am nächsten Tag einen Dreizeiler, in welchem er ihm mitteilt, dass es für ihn nach der vorgeschlagenen Gehaltskürzung angesichts seiner Qualifikation keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit gebe. Sein Verhalten enttäusche ihn. Finanzielle Ansprüche, so schließt er den Brief, hätte er keine mehr. Das war im Übrigen die reine Wahrheit, denn er hatte gerade erst sein wöchentliches Salär ausgezahlt bekommen.
Von Dr. Ortmann hat er nie wieder etwas gehört. Umgekehrt sollte es nur wenige Jahre dauern, bis der Staatsanwalt in den Zeitungen liest, dass Gert Postel zwischenzeitlich vom Dermatologen über ein Theologiestudium bis zum Chef einer großen Nerven-Klinik im Beitrittsgebiet Ost sowie zum Psychiatrischen Generalgutachter der sächsischen Gerichte aufgestiegen ist. Aber eilen wir den Ereignissen nicht voraus.
Zur gleichen Zeit, Mitte März 1990, macht sich der Lübecker Oberstaatsanwalt Heinrich Wille noch einmal Gedanken zum Fall des bekannten CDU-Politikers und ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel. Er soll sich angeblich selbst getötet haben. Wille hat keine Befugnis, in diesem merkwürdigen Todesfall zu ermitteln. Aber instinktiv trägt er alles zusammen, was er zu fassen kriegt – als ahne er, dass ihm in zwei Jahren die Ermittlungen offiziell übertragen werden.
Bei Barschel wurden Aufzeichnungen gefunden, die auf ein Treffen mit einem gewissen »Roloff« hindeuten. Doch Wille denkt darüber nach, was bestimmte Zeitungen in Erwägung ziehen: Hat Barschel die Aufzeichnungen nur als falsche Spur gelegt? Um seinen Selbstmord als Mord aussehen zu lassen? Oder hatte er diese Notizen nur entworfen, um sich eine Legende für seine unmittelbar bevorstehende Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages zu stricken? Doch Wille erscheint es wenig plausibel, dass der Schreiber eine solche Phantasiegeschichte mit einer Reihe von persönlichen Details ausgeschmückt hätte.
Also, denkt Wille, bleibt noch die Möglichkeit, dass jener »Roloff« vielleicht wirklich existiert. Könnte es nicht doch der in kleineren Fällen bisher mehrfach aufgeflogene Hochstapler Gert Postel sein, der sich vor längerer Zeit vor der Presse selbst bezichtigt hatte, jener Roloff zu sein? Aber inzwischen hat Wille herausgefunden, dass Postel seine Hochstaplerkarriere als vermeintlicher Amtsarzt Dr. Dr. Clemens Bartholdy in Flensburg begann und dass er zum Bekanntenkreis Reiner Pfeiffers gehört, der den politischen Absturz Barschels ins Rollen gebracht hatte. Inzwischen schien Postel jedoch wieder in der Versenkung verschwunden zu sein.
Als Oberstaatsanwalt Wille am Abend beim Heringsessen mit seiner Frau die Sache erörtert, berichtet er ihr von einem Anruf eines hochrangigen Redakteurs einer sehr großen deutschen Tageszeitung. Der Redakteur wusste, dass sich Wille gewissermaßen privat mit dem Fall Barschel beschäftigte.
„Was halten Sie von Postels Selbstbezichtigung?“, hatte er Heinrich Wille gefragt. Unter Hinweis darauf, dass Postel dies in förmlichen Vernehmungen gegenüber den Schweizer Kollegen nicht erwähnt habe, gab Wille dem Redakteur dafür die Erklärung: „Bei den Strafverfolgungsbehörden gibt es kein Geld.“
„Und wie siehst du das heute?“, fragt Willes Frau.
„Vor dem Hintergrund all dieser Überlegungen erscheint es als glaubwürdig, die Identität des »Roloff« und ein Treffen mit diesem angeblichen Unbekannten als Legende zu qualifizieren.“
„Du traust der Sache nicht?“
„Ich glaube nicht, dass es einen »Roloff« gibt“, antwortet Heinrich Wille und kratzt die Kartoffelreste auf seinem Teller zusammen. Er liebt eine zünftige Heringsmahlzeit, und er liebt seine Frau.
Neue Liebe in Irland
John musste einen Moment nachdenken. Was hatte Mara wohl gemeint, als sie sagte, das Leben hier sei gewiss ganz anders als das, was er gewohnt sei. „Wahrscheinlich können Sie bei sich zu Hause nicht einfach ins nächstbeste Café gehen und eine Tasse Kaffee bestellen“, hatte sie eben gesagt. Hatte sie ihn erkannt? Konnte man ihn hier in Irland überhaupt kennen? Liefen selbst hier die Serien mit ihm, dem kalifornischen Soap-Helden? Hörte man auch hier seine Songs?
Er wiederholte seine Frage, da Mara nicht sofort geantwortet hatte: „Wie meinen Sie das?“
„John, natürlich wissen wir, dass Sie Stephen Carry sind. Wir haben Sie vom ersten Moment an erkannt, Fiona und ich.“
Er war verblüfft. „Aber Sie haben nichts gesagt.“
„Sie sind als John zu uns gekommen, als Privatperson. Warum sollten wir da etwas sagen?“
„Und die anderen Gäste? Wissen sie es?“
„Natürlich. Der Deutsche hat Sie gleich am ersten Abend enttarnt, und das englische Paar, Jim und Nici, hat sich diskret bei Fiona erkundigt, ob Sie inkognito hier sind.“
„Was ich gesagt habe, ist wahr. Ich war tatsächlich auf dem Weg zu einem Geschäftstermin in Deutschland. Und weil ich die Flugverbindung und damit den Termin verpasst habe, bin ich spontan, aus einer Laune des Augenblicks heraus, hierhergekommen.“
„Sicher. Sie können sich nennen, wie Sie wollen, John, es ist Ihr Leben, Ihr Urlaub.“
„Aber wenn alle Bescheid wissen …?“, meinte er zweifelnd.
„Im Ernst. Alle werden es respektieren, dass Sie als Privatperson hier sind. Außerdem sind die anderen ohnehin mit ihrem eigenen Leben beschäftigt.“
„Gut. Wenn die Gäste es sowieso bereits wissen, wird es mich ab jetzt auch erleichtern. Ich hatte nur gehofft, mein aktuelles Leben wenigstens für eine kurze Zeit hinter mir lassen zu können und eine Weile ohne all diesen Ballast verbringen zu können.“
Mara nickte verständnisvoll. „Es muss schrecklich nervig sein, ständig alles erklären zu müssen und gefragt zu werden, ob Sie Tom Hanks oder Jodie Foster kennen.“
„Eigentlich haben die Leute keine hohen Erwartungen an mich, außer Autogrammen. Die meisten denken eher, dass ich tatsächlich so bin wie in meinen Rollen. Ich habe immer das Gefühl, dass ich sie enttäusche.“
„Oh, das kann ich mir nicht vorstellen. Alle hier finden Sie äußerst charmant. Ich übrigens auch. Obwohl ich persönlich das Kapitel Männer für mich abgeschlossen habe, haben Sie es geschafft, wenigstens wieder einen Funken Interesse in mir zu wecken.“
„Ich glaube, Sie machen sich lustig über mich. Ich bin doch ein uralter Mann für Sie“, erwiderte er lachend.
„Oh nein, ich mache mich keinesfalls lustig über Sie, glauben Sie mir. Aber vielleicht wünsche ich mir für Sie, dass Sie mehr Spaß an der Sache haben. Am Erfolg, meine ich, und daran, von allen geliebt zu werden und berühmt zu sein. Hätte ich so viel geleistet wie Sie, wäre ich stolz auf mich und würde ständig mit einem breiten Grinsen durch die Gegend laufen.“
„Ich spiele doch nur irgendwelche Rollen“, sagte er. „Das ist mein Job. Aber im richtigen Leben will ich das nicht auch noch machen müssen.“
Mara überlegte. „Aber bei Ihrer Familie können Sie doch Sie selbst sein, oder?“, fragte sie.
„Ich habe keine Familie. Es sei denn, man definiert so mein Publikum.“
„Ihre Familie ist das Publikum?“
„Nein, СКАЧАТЬ