Rasante Zeiten - 1985 etc.. Stefan Koenig
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Название: Rasante Zeiten - 1985 etc.

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783750237100

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СКАЧАТЬ wobei aber eine Besonderheit in Abgrenzung zum deutschen Weizenbier darin liegt, dass der belgische Brauer hier »Rohfrucht«, also unvermälzten Weizen, verwendet.“

      Arndt, der an Diabetes litt, wandte sich an Tobias: „Sag mal, Tobi, gibt es aus diabetischer Sicht eigentlich Einwände gegen den Bierkonsum?“

      Bevor Tobi seine Mediziner-Antwort in die Runde werfen konnte, fuhr Gunnar unbekümmert in seinem Bier-Referat fort, da auch Stefan etwas gefragt hatte, nämlich inwieweit saures Bier mit der Braumethode zusammenhängt.

      „Nach dem Brauen werden Lambics traditionell in ein Kühlschiff gegossen, eine große, flache Wanne meist im Dachgeschoss der Brauerei, in der der eben noch kochende Sud möglichst schnell abkühlen sollte, ehe er in den Gär-Tank gefüllt wird.“

      Meine Gedanken schweiften wieder einmal ab. Plötzlich drängte sich mir wie aus dem Nichts die Frage auf, wie ich meine kleine Familie ernähren wollte, wenn mein befristeter Arbeitsvertrag an der Uni ausgelaufen war. Ich wehrte den Gedanken krampfhaft ab. Ich wollte daran nicht denken, nicht jetzt, nicht hier, nicht in dieser.

      „Früher hatten auch deutsche Brauereien Kühlschiffe, allerdings wurden die durch Plattenkühler ersetzt, weil die Gefahr, dass die Würze sich, wenn sie da so offen herum steht, Infektionen durch Bakterien oder wilde Hefen einfängt, hoch ist“, riss mich Gunnar aus meinen Gedanken.

      „Igitt!“, rief Doris aus. „Bakterien! Infektionen!“

      „Genau das will der Lambic-Brauer!“, fuhr Gunnar fort. „Der Brauer setzt auf Spontangärung, darauf also, dass seine Würze ohne das menschliche Zutun von Hefe durch ihn anfängt zu gären. Oft stehen dafür in den Kühlschiffen belgischer Traditionsbrauereien die Fenster offen, Moos und Spinnweben an der Decke werden niemals entfernt. Denn überall darin verstecken sich genau jene »wilde Hefen«, die den Geschmack der Biere dieses Hauses prägen. Danach gärt Lambic über Wochen in offenen Gärbottichen, ehe eine teils Jahre dauernde Lagerzeit beginnt.“

      Noch einmal stieß Doris ein lautes Igitt aus.

      Gunnar hatte den Wettbewerb zwischen unserer männlichen Experten-Spezies vorerst gewonnen, aber schon rüstete Tobi zu einem sanften bildungsbürgerlich-medizinischen Gegenangriff.

      „Mal zurück zu deiner Frage, Arndt. Was ich dir als Diabetiker raten kann, ist eine gewisse Zurückhaltung.“

      Wir konnten nicht ahnen, dass es gerade jener wunde Punkt war, an dem Arndt schon zwei Jahre später im Alter von nur 37 Jahren versterben würde.

      Arndt sah Tobias fragend an, und Tobias, immer der ernste Arzt, sah Arndt mit Ausrufezeichen in den Augen an. „Bereits ab einem Blutalkoholspiegel von 0,45 Promille ist die Zuckerfreisetzung gestört. Weiblichen Diabetikerinnen wird deshalb empfohlen, nicht mehr als 10 g Alkohol täglich zu trinken. Das entspricht etwa einem achtel Liter trockenem Wein oder 250 ml Bier. Bei Männern mit Diabetes liegt diese Menge doppelt so hoch. Auch wenn die Empfehlungen sich auf den Tag beziehen, sollte Alkohol, ganz gleich ob mit Diabetes oder ohne diese Erkrankung, nicht täglich dazugehören.“

      „Nicht täglich?“, entrüstete sich Gunnar. „Mir bekommt es außerordentlich gut.“

      „Es entwickelt sich leicht ein Gewohnheitseffekt, das Gewicht steigt, die Leber kann geschädigt und der Appetit gesteigert werden. Gerade bei Typ-2-Diabetes, wie es Arndt hat, ist es wichtig, Kalorien im Blick zu halten, damit das Gewicht nicht steigt. Alkohol kann den Fettstoffwechsel stören, den Fettabbau erschweren und somit Übergewicht fördern. Also ein Gläschen sollte am besten wohldosiert und mit Genuss getrunken werden.“

      „Was heißt überhaupt Typ-2-Diabetes?“, fragte Doris.

      „Diabetes mellitus oder auf gut Deutsch Zuckerkrankheit ist eine chronische Störung des Stoffwechsels, bei der die Blutzuckerkonzentration zeitweise oder ständig erhöht ist.“ Endlich war Tobias in seinem Element.

      Seine Frau schaute Emma an: „Gehen wir mal kurz in die Küche?“ Die beiden verschwanden. Ich hatte den Eindruck, dass Anne das medizinische Fachchinesisch nicht mehr hören konnte. Mich interessierte es. Gesund leben, tja, man hatte ja Kinder, die man gesund großziehen wollte. All die neuartigen und sich überstürzenden Umweltprobleme waren schon schlimm genug, sagte ich mir und musste an meinen neuen Aufgabenbereich am Uni-Institut denken. Ich sollte eine Umweltbibliothek aufbauen und dabei insbesondere vergleichende soziologische wie umweltmedizinische Untersuchungen berücksichtigen. Gehörte da nicht Ernährung dazu?

      „Im Allgemeinen werden unter dem Begriff Diabetes verschiedene Krankheitsformen zusammengefasst. Am weitesten verbreitet sind Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes. Typ-2-Diabetes wurde früher auch als Altersdiabetes bezeichnet, weil er meist bei älteren Menschen auftrat. Heute sind aber zunehmend Jüngere, zum Teil sogar Kinder und Jugendliche von einem Diabetes mellitus betroffen.“

      „Ja, so alt bin ich gar nicht, muss mich aber schon mit einer sogenannten Alterskrankheit rumschlagen“, sagte Arndt lachend.

      „Was bei dir, lieber Arndt, gottseidank nicht zutrifft: Übergewicht und Bewegungsmangel. Denn sie erhöhen das Risiko, an Diabetes zu erkranken. In der Regel entwickelt sich Typ-2-Diabetes langsam. Häufig vergehen bis zur Entdeckung fünf bis zehn Jahre, in denen die Erkrankung bereits erhebliche Schäden anrichten kann. Ursache der Diabetes-Erkrankung ist in der Regel sowohl eine zu geringe Produktion des Hormons Insulin als auch ein zu geringes Ansprechen der Körperzellen auf Insulin.“

      „Ist unser Arndt in Gefahr?“, fragte Doris.

      „Nein, nein, ich spreche hier nur von den allgemeinen Risikofaktoren. Bei Arndt haben wir alles im Griff.“

      Aber es war nicht so, wie wir alle dachten und wie Arndt gewiss hoffte.

      Wenn es mal nicht um Bier, Gesundheit, Politik und Wirtschaft ging, war Religion im Spiel. Dann lag der unterhaltsame Spielball bei Gott und der Welt. Insbesondere in diesen Tagen, da die indische Ministerpräsidentin Indira Gandhi von zwei Mitgliedern ihrer Leibwache erschossen worden war – ebenso wie ihr vor 36 Jahren von einem Hindu-Nationalisten ermordeter Vater war sie Verfechterin der absoluten Gewaltlosigkeit gewesen.

      „Die Täter gehören der Religionsgemeinschaft der Sikhs an“, berichtete Gunnar sein Zeitungswissen aus dem SPIEGEL. „Gandhi hat deren Nationalheiligtum, den Goldenen Tempel in Amritsar, am 5. Juni von Regierungstruppen erstürmen lassen.“

      „Na, dann war sie wohl gar nicht so gewaltfrei wie sie getan hat“, sagte Tobias, und Christian meinte: „Alles ziemlich plumpe Schauspieler.“

      „Dass du so dein eigenes Berufsnest beschmutzen kannst“, warf Gunnar in gespielter Empörung ein. Und mit der »Nestbeschmutzung« landete der Ball erneut in der Politik, hatten doch gerade wieder einmal einige CSU-Granden den Sozialdemokraten Nestbeschmutzung vorgeworfen, weil diese in der Flick-Affäre auf schonungsloser Aufklärung bestanden.

      „Wobei die Sozis mit »schonungslos« gewiss nicht meinen, dass man auch die Zuwendungen von Unternehmen an sie selbst unter die Lupe nehmen solle“, sagte Tobias.

      Die politischen Saunaverhältnisse waren in unserer Frankfurter Nachbarschaft durchaus pluralistisch durchmischt. Tobias war den Christdemokraten zugetan, seine Frau schwankte zwischen CDU und FDP. Moni und Gunnar waren „Kleineres-Übel-Wähler“, was im Klartext bedeutete, dass sie treu zur SPD hielten, egal ob diese den Aufrüstungsbefehlen aus Washington gehorchte oder nicht.

      Gitti und Bernd waren bekennende Wechselwähler. Was ihnen aber niemand so recht abnahm, außer mir. СКАЧАТЬ